- Die erst unlängst beschlossene Regelung einer Impfpflicht in Österreich wurde vorübergehend ausgesetzt.
- Politikwissenschaftler Peter Hajek glaubt, dass sie nur unter einer Voraussetzung wieder scharf gestellt wird.
Es ist ein gutes halbes Jahr her, als der damalige österreichische Bundeskanzler
Daher entschied sich die Regierung zu einer außergewöhnlichen Maßnahme: Als erstes westliches Land wollte Österreich eine Corona-Impfpflicht für alle einführen. Damit war ein Damm gebrochen.
Politikexperte Hajek: "Die Impfpflicht war aus heutiger Sicht einfach keine gute Idee"
Tatsächlich wurde die Impfpflicht am 31. Januar beschlossen und trat bald darauf in Kraft. Zumindest theoretisch: Denn gemessen an den ursprünglichen Plänen handelte es sich um eine äußerst lockere Vorschrift, die kaum exekutiert wurde. Inzwischen gibt es mit
"Die Impfpflicht war aus heutiger Sicht einfach keine gute Idee", sagt Peter Hajek, Politikwissenschaftler und Chef des Meinungsforschungsinstituts "unique research" im Gespräch mit unserer Redaktion. "Sie kam zum falschen Zeitpunkt und unter falschen Voraussetzungen."
Hajek geht mit der Regierung scharf ins Gericht. Ausschlaggebend für die Entscheidung im Herbst seien grobe handwerkliche Schnitzer beim Corona-Management gewesen. Als Hauptverantwortlichen sieht der Experte den früheren Bundeskanzler Sebastian Kurz: "Er hat im Frühsommer vergangenen Jahres erklärt, dass die Pandemie für Geimpfte beendet sei."
Ein verhängnisvoller Fehler, den sein Interimsnachfolger Schallenberg ausbaden musste. Denn nicht zuletzt durch die allzu optimistischen Prognosen von Kanzler Kurz war die Impfbereitschaft in Österreich viel geringer als in anderen EU-Ländern: Zum Ausbruch der Herbstwelle waren nicht einmal zwei Drittel der Bevölkerung immunisiert. In südlichen Ländern wie Portugal waren es damals bereits mehr als 80 Prozent. Mit der Impfpflicht sollte Österreich zu diesen Ländern aufschließen.
Hajek: "Regierung hat großen taktischen Fehler begangen"
"Die Regierung hat damals einen großen taktischen Fehler begangen, indem sie das Datum für die Einführung der Impfpflicht nannte", sagt Hajek. Um den angekündigten Termin – den 9. Februar – einzuhalten, musste das umstrittene Gesetz in Windeseile vorbereitet werden.
Und das, während Querdenker und Corona-Leugner auf Österreichs Straßen für die größten Demonstrationen seit Jahren sorgten. Zugleich setzte sich die Omikron-Variante durch: Die war zwar viel ansteckender, zugleich aber relativ mild im Verlauf.
Das größte Problem mit der Impfpflicht sei aber der verhältnismäßig schwache Wirkstoff, sagt Hajek. "Im Vergleich zu anderen Impfstoffen hat sie nicht den erhofften, durchschlagenden Erfolg." Zwar schützt die Impfung in den allermeisten Fällen vor einem schweren Verlauf. Doch selbst manche Geboosterte mussten nach einer Infektion mitunter zwei Wochen das Bett hüten. "Das schwächte die Argumentation der Impfpflicht-Befürworter", sagt Hajek.
Und darin sieht der Experte auch einen gewichtigen Grund dafür, warum die Impfpflicht in Österreich inzwischen auf Eis gelegt wurde: Sie ließ sich politisch kaum verkaufen. Erst recht nicht, nachdem sich die Intensivstationen in Österreich seit Jahresbeginn wieder geleert hatten. Inzwischen wurden auch die meisten Lockdown-Maßnahmen aufgehoben – auch für Ungeimpfte.
Rauch: "Die Impfpflicht ist nicht tot"
Dass die Impfpflicht derzeit aufgehoben wurde, heißt aber nicht, dass sie nicht im Herbst wiederkommt. "Die Impfpflicht ist nicht tot", erklärte Gesundheitsminister Rauch vergangene Woche. Solle eine weitere, gefährliche Welle kommen, kann sie einfach wieder eingeführt werden. Zumindest in der Theorie.
Polit-Experte Hajek schränkt aber ein: "Ich glaube, dass die Impfpflicht erst dann wieder scharf gestellt wird, wenn es eine Impfung gibt, die das Problem endgültig aus der Welt schafft." Sprich: Wenn man durch die Impfung gegen Corona genauso immun ist wie durch eine Pockenimpfung.
Viel Lärm um nichts also? Nicht ganz, meint Hajek. Denn immerhin habe allein die Ankündigung des neuen Gesetzes dazu geführt, dass die Zahl der Impfungen stark nach oben ging. Mit einer Impfquote von rund 80 Prozent liegt die kleine Alpenrepublik jetzt wieder im EU-Schnitt. Am Ende wurde das Ziel der Regierung beinahe erreicht.
Verwendete Quellen:
- Gespräch mit Peter Hajek
- ORF.at
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