In Deutschland rauchen weniger Menschen als früher – aber immer noch rund 24 Prozent der Bevölkerung. Spielt es für den Rückgang der Zahl der Raucher eine Rolle, dass deutlich weniger Werbung für Tabakprodukte gemacht werden darf als früher? Wie mächtig ist der Einfluss der Werbung überhaupt noch?

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Rauchen steht für Freiheit und Lebensfreude. Solche Botschaften liest oder hört man nicht mehr sehr häufig: Schon vor 20 Jahren haben die EU-Minister für ein Tabak-Werbeverbot gestimmt.

Die Werbung für Tabakprodukte ist auch in Deutschland eingeschränkt worden. So ist es zum Beispiel verboten, im Radio oder Fernsehen für Zigaretten zu werben.

Erlaubt ist hingegen bislang noch die Werbung in Kinos – allerdings dürfen dort keine rauchenden Menschen mehr gezeigt werden.

Zuletzt hat der Bundesgerichtshof im Herbst in einem Urteil die Darstellung von Tabakprodukten im Internet verboten.

Wie viel Einfluss nimmt Tabakwerbung wirklich?

Doch wie mächtig ist Tabakwerbung eigentlich? Kann sie einen Nichtraucher wirklich so stark beeinflussen, dass er plötzlich Lust auf eine Zigarette bekommt?

"Es geht bei der Werbung gar nicht so sehr um solche unmittelbaren und direkten Auswirkungen", sagt Heino Stöver, Professor für sozialwissenschaftliche Suchtforschung und geschäftsführender Direktor des Instituts für Suchtforschung an der Frankfurt University of Applies Sciences.

Wichtiger sei der Lebensstil, der jeweils mit der Werbung vermittelt werde – und der eine grundlegende Wirkung entfalten könne. "In der Werbung geht es immer um die Normalisierung und um eine Ästhetisierung des Rauchens", sagt der Suchtexperte.

Dies könne beispielsweise bei Jugendlichen die Hemmschwelle senken, überhaupt mit dem Rauchen anzufangen. Zudem bestätigten solche Darstellungen Raucher in ihrer Entscheidung für die Zigarette.

Allerdings: "Wir beobachten im Zuge der gesellschaftlichen Gesundheitsdebatte einen Rückgang der Raucherquote", so Stöver. Es fehlten bislang aber noch Langzeitstudien, die einen direkten Effekt analysieren.

"Untersuchungen deuten darauf hin, dass Werbung besonders stark auf Kinder und Jugendliche wirkt", sagt der Experte. Dies geht zum Beispiel auch aus einer Studie des Instituts für Therapie- und Gesundheitsforschung in Kiel hervor.

In Deutschland rauchen immer weniger Menschen

Insgesamt ist die Raucherquote in Deutschland deutlich gesunken: 2003 lag sie noch bei 33,8 Prozent. 2014 sank sie auf rund 23,8 Prozent. Das geht aus dem Drogen- und Suchtbericht der Bundesregierung 2017 hervor.

Auch junge Erwachsene rauchen deutlich weniger als früher. Laut der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung sank der Anteil der jungen Erwachsenen (18 bis 25 Jahre), die regelmäßig rauchen, von 44,5 Prozent im Jahr 2001 auf weniger als ein Drittel im Jahr 2015.

Insbesondere sehr junge Menschen rauchen deutlich seltener: Griffen 2001 noch mehr als ein Viertel der 12- bis 17-Jährigen in Deutschland zur Zigarette, so ist es heute weniger als jeder Zehnte in dieser Altersklasse.

"Es bleibt nun abzuwarten, ob sich dieser Trend weiter fortsetzt, wenn die Jugendlichen älter werden", sagt Stöver.

Warnhinweise können beim Rauchstopp helfen

Was bringen in diesem Zusammenhang eigentlich die Warnhinweise und die Krankheitsbilder von Schäden durch das Rauchen, die in Deutschland auf Zigarettenschachteln gedruckt werden? Haben sie tatsächlich einen abschreckenden Effekt?

"Auf jeden Fall", sagt der Suchtexperte. "Man geht davon aus, dass 20 bis 30 Prozent der Entscheidungen, mit dem Rauchen aufzuhören, durch solche abschreckenden Bilder beeinflusst werden."

Nicht jeder schaffe es allerdings, mit dem Rauchen aufzuhören – auch wenn er es wirklich wolle, sagt der Experte.

Vor allem ein erster Versuch scheitert oft. Dann sei es förderlich, überhaupt weniger zu rauchen. "Ich vermisse in Deutschland von offizieller Seite die Aussage, dass fünf oder zehn Zigaretten am Tag besser sind als 20", sagt er.

Kippen-Automaten banalisieren das Rauchen

Stöver hält das Werbeverbot für Tabakprodukte für sinnvoll – aber noch nicht für ausreichend. Zum Teil umgehe die Tabakindustrie das Verbot durch eigene Maßnahmen – zum Beispiel, indem auf Festivals Gratis-Zigaretten verteilt würden.

"Wenn wir der Tabakindustrie das Feld komplett überlassen würden, wäre die Hemmschwelle für den Einstieg noch deutlich geringer", sagt Stöver.

Deutschland hänge in Europa hinterher, sagt der Experte. Im aktuellen Koalitionsvertrag ist zum Beispiel kein Verbot für Tabakwerbung an Außenflächen vorgesehen.

Dabei wäre eigentlich sogar deutlich mehr zu tun, sagt Stöver. Ihm sind beispielsweise die rund 340.000 Zigarettenautomaten ein Dorn im Auge, die in Deutschland aufgestellt sind.

"Sie gehören bei uns zum Stadtbild", sagt er. "Deutschland ist Weltmeister im Aufstellen dieser Automaten – dabei banalisieren sie das Rauchen."

Andere Länder seien Deutschland in dieser Hinsicht weit voraus: In England gelte beispielsweise ein weitreichendes Rauchverbot.

Auch die Logos auf Zigarettenschachteln sind dort inzwischen verboten, sagt der Experte.

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