Es hatte als lustiger Abend begonnen – dann kam der Blackout: Immer wieder werden Menschen und insbesondere Frauen in Clubs, auf Volksfesten und auf privaten Partys mit K.-o.-Tropfen betäubt und Opfer von Straftaten. Wie kann man sich schützen? Was ist im Notfall zu tun? Und wie groß ist das Problem in Deutschland tatsächlich?

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Seit vielen Jahren warnt die Polizei vor K.-o.-Tropfen, immer wieder gibt es Berichte von Männern und Frauen, die unter Einfluss von K.-o.-Tropfen ausgeraubt, missbraucht oder vergewaltigt wurden. Am nächsten Morgen wachen die Opfer mit schwerem Schädel auf und können sich häufig an nichts erinnern – was das Erlebnis für sie nicht weniger grauenhaft macht.

Zuverlässige Zahlen, wie viele Menschen bundesweit zu Opfern werden, gibt es nicht, denn K.-o.-Tropfen werden nicht von allen Bundesländern gesondert in der Polizeistatistik erfasst. In Nordrhein-Westfalen, dem einwohnerreichsten Bundesland, liegen die Zahlen jährlich im mittleren bis hohen zweistelligen Bereich, sagt Kriminaloberkommissarin Yvonne Leven. "Das ist aber nur das Hellfeld", betont die Expertin für Kriminalprävention des Landeskriminalamts in NRW. Bekannt sind nur die Fälle, in denen tatsächlich Strafanzeigen gestellt wurden. Die Polizei geht allerdings von einer hohen Dunkelziffer aus, denn Frauenberatungsstellen berichten von deutlich mehr Opfern, die sich an sie wenden.

Was sind K.-o.-Tropfen und kann man sie schmecken?

Wenn von K.-o.-Tropfen gesprochen wird, sind üblicherweise Gamma-Hydroxybuttersäure (GHB) und ihre Vorläufersubstanzen Butandiol und Gamma-Butyrolacton (GBL) gemeint. Da diese Substanzen in Form einer farb- und geruchlosen Flüssigkeit daher kommen, können sie unbemerkt Getränken und Lebensmitteln beigemischt werden und arglose Opfer außer Gefecht setzen. Zwar wird den Substanzen ein seifiger oder salziger Geschmack nachgesagt – verdünnt in einem Glas Bier, Wein oder Cola ist das aber kaum zu bemerken.

Während GHB unter das Betäubungsmittelgesetz fällt und in Deutschland verboten ist, sind GBL und Butandiol frei verkäuflich. In der Industrie werden sie unter anderem zur Herstellung von Felgenreinigern oder Klebstoffentfernern eingesetzt. "Im Körper wirken diese Substanzen aber alle gleich", erklärt Florian Eyer, Chefarzt der Abteilung für klinische Toxikologie im Klinikum rechts der Isar in München. Und wer will, kommt an diese Substanzen heran.

Am grundsätzlichen Problem würde auch ein Verbot von GBL und Butandiol nichts ändern, ist Kriminaloberkommissarin Leven überzeugt. "Es ist ein verbreiteter Irrtum, dass es sich bei 'K.-o.-Tropfen' immer um GHB und ihre Vorläufersubstanzen handelt." Im Grunde könnten alle Substanzen, die das Opfer willen- oder bewusstlos machen und einfach verfügbar sind, als K.-o.-Mittel missbraucht werden. Dazu zählen neben illegalen Drogen auch verschreibungspflichtige Medikamente wie Schlaf- und Beruhigungsmittel. Es ist daher ein Irrtum, dass K.-o.-Mittel ausschließlich in Form von Tropfen daher kommen. "Das am häufigsten verwendete K.-o.-Mittel ist mit Abstand Alkohol", erklärt Leven, "und der ist nicht verboten."

Wie wirken K.-o.-Tropfen im Körper?

K.o. steht für Knockout, ein Begriff aus dem Kampfsport. Es bedeutet, dass der Gegner kampfunfähig ist. K.-o.-Mittel bewirken in ausreichend hoher Dosierung genau das: Sie machen kampf-, wehr- und willenlos. Im Körper hemmen GHB und ihre Vorläufersubstanzen die Reizweiterleitung des Nervensystems, wodurch eine Bewusstseins- und Verhaltensveränderung eintritt.

"In niedriger Konzentration haben diese Substanzen einen euphorisierenden und stimulierenden Effekt, ähnlich dem von Ethanol", sagt Eyer. Daher werden die Substanzen häufig auch bewusst als Rauschmittel benutzt. Bei hoher Dosierung wirken GHB, GBL und Butandiol hingegen wie Narkosemittel: Sie betäuben, machen schläfrig. "Die Personen fallen in ein Koma, Würge- und Hustenreflex fallen aus", erklärt Eyer.

In diesem Zustand sind die Opfer nicht nur leichte Beute für Täter, es besteht auch die akute Gefahr, dass die Betroffenen erbrechen und daran ersticken. Bei sehr hoher Dosierung kann sogar Atemstillstand eintreten, sagt Eyer. "Wenn die Person dann nicht sofort notärztlich versorgt wird, kann sie daran sterben."

Das Gleiche gilt grundsätzlich auch bei hoher Dosierung anderer K.-o.-Mittel. Doch die Wirkung und Wirkungsdauer von K.-o.-Mitteln kann je nach Substanz, Dosis und Begleitumständen wie Alkoholkonsum stark variieren. Das macht pauschale Aussagen darüber schwierig, wie genau sich K.-o.-Mittel bemerkbar machen. Manchmal verspüren Betroffene nur eine gesteigerte Lust auf Sex oder eine Enthemmung – doch auch das kann von Tätern beabsichtigt und ausgenutzt werden.

Im Falle von K.-o.-Tropfen wie GHB hält die Wirkung etwa vier bis sechs Stunden an. "Diese Substanzen wirken sehr schnell und werden auch sehr schnell abgebaut", erklärt Eyer. Die kurze Halbwertszeit im Körper erschwert den Nachweis allerdings enorm. "K.-o.-Tropfen sind nicht lange im Körper nachweisbar, etwa sechs bis acht Stunden bis maximal zwölf Stunden nach Einnahme", sagt Eyer. Am nächsten Morgen kann es für einen Nachweis schon zu spät sein.

Was ist im Notfall zu tun?

Wer befürchtet, Opfer von K.-o.-Mitteln geworden zu sein, sollte daher möglichst schnell einen Arzt oder eine Klinik aufsuchen. "Können Sie sich nur noch daran erinnern, wie Sie beim ersten Glas Bier zum Schluck angesetzt haben und danach ist alles schwarz, dann sollten Sie hellhörig werden", sagt Eyer. Je früher Blut- und Urinproben genommen werden, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Substanz noch nachweisbar ist. "Theoretisch könnten Sie die Urinprobe mit einem sauberen Gefäß selbst nehmen, kühlstellen und am nächsten Tag zum Arzt bringen."

Die kurze Halbwertszeit von K.-o.-Tropfen im Körper sei ein Grund, warum Betroffene häufig keine Strafanzeige stellten, sagt Leven. Sie glauben, für einen Nachweis sei es ohnehin zu spät. Leven rät dennoch dringend dazu, Strafanzeige bei der Polizei zu stellen. Oft sei es nicht so aussichtslos, wie viele dächten, denn GHB und seine Vorläuferstufen seien eben nicht die einzigen Substanzen, die für einen fremdverschuldeten Blackout infrage kommen. "Und viele dieser Mittel sind sehr viel länger im Körper nachweisbar als GHB."

Bemerkt man bei sich selbst oder bei einer anderen Person im Laufe des Abends eine Bewusstseins- oder Verhaltensveränderung, die sich nicht mit ein, zwei Gläsern Bier erklären lässt, sollte man nicht zögern und direkt Hilfe holen. "Wenn Sie sich komisch fühlen, sprechen Sie Freunde, Bekannte oder das Personal vor Ort an und bitten Sie um Hilfe", rät Leven. Je nachdem, wie kritisch der Zustand ist, sollte man entweder direkt nach Hause, zu einem Arzt oder in eine Klinik gehen. "Geht es einer Begleitung nicht gut, sollte man sich auf jeden Fall selbst kümmern und sie auf keinen Fall Fremden überlassen", sagt Leven. Ist eine Person bereits benommen oder sogar bewusstlos, sollten Sie auf jeden Fall den Rettungsdienst alarmieren.

Wie kann ich mich schützen?

Ein verbreiteter Irrtum sei, dass sich solche Szenen nur in Discotheken, Bars oder beim Karneval abspielten, erklärt Kriminaloberkommissarin Leven. Doch auch in scheinbar geschütztem Raum, bei privaten Treffen oder Partys, gebe es Täter, die Opfer mit K.-o.-Mitteln wehrlos machten, um diesen Zustand auszunutzen.

"Wir raten generell: Trinken Sie nicht übermäßig viel Alkohol. Je betrunkener Sie sind, desto leichter können Sie Opfer von K.-o.-Mitteln werden und desto schneller ist eine kritische Schwelle erreicht", erklärt die Kriminaloberkommissarin.

Speisen und Getränke sollten Sie grundsätzlich selbst bestellen, selbst von der Bedienung entgegennehmen und nicht unbeaufsichtigt stehen lassen. "Wenn Sie sich von Fremden auf ein Getränk einladen lassen, dann sollte die Flasche noch original verschlossenen sein", sagt Leven. Zudem warnt die Expertin des LKA Nordrhein-Westfalen vor der Annahme vermeintlich harmloser Medikamente wie Kopfschmerztabletten. "Sie können nicht wissen, um welche Substanz es sich handelt", sagt Leven.

Was nützen Präventionsmittel wie Armbänder und Strohhalme?

Eine weitere Möglichkeit, sich vor K.-o.-Tropfen zu schützen, versprechen verschiedene Gadgets. In Apotheken und Drogeriemärkten gibt es inzwischen eine ganze Reihe von Präventionsmitteln – Armbänder, Strohhalme oder Nagellacke –, die K.-o.-Tropfen in Getränken mit einer Farbänderung anzeigen sollen.

"Verlassen würde ich mich auf diese Präventionsmittel nicht", sagt Toxikologe Eyers. Solche Gadgets durchliefen häufig nicht die üblichen Zulassungsverfahren, denen zum Beispiel Corona-Schnelltests unterliegen. Hinzu kommen mögliche Fehlerquellen, etwa, wenn die Konzentration des Betäubungsmittels zu gering für einen Nachweis ist oder Fehler bei der Anwendung passieren. "Fällt der Test negativ aus, haben Sie keine Sicherheit, dass wirklich keine K.-o.-Tropfen darin enthalten sind."

Auch die Expertin des LKA rät zur Vorsicht. "Diese Präventionsmittel geben keine absolute Sicherheit, denn sie können nicht alle Substanzen detektieren, die als K.-o.-Mittel infrage kommen", mahnt Leven. Selbst wenn sich der Strohhalm bei Kontakt mit GHB zuverlässig verfärben sollte – Cannabis und andere Betäubungsmittel können sie nicht nachweisen.

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Wie hoch sind die Strafen für Täter?

Kann sich das Opfer an nichts mehr erinnern, erschwert das die Strafverfolgung erheblich. Doch nicht immer erleiden die Opfer einen kompletten "Filmriss" oder sie können sich noch an verdächtige Szenen vor dem Blackout erinnern. Kann der Täter oder die Täterin ausfindig gemacht werden, drohen hohe Strafen. Schon die bloße Verabreichung von K.-o.-Mitteln kann bereits eine gefährliche Körperverletzung sein, je nach Mittel, Dosierung und Verfassung des Opfers.

"Bereits das Beibringen von Giften und anderen gesundheitsschädlichen Stoffen kann so gemäß §224 StGB mit einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft werden", erklärt Leven. In minder schweren Fällen sieht der Gesetzgeber Haftstrafen von drei Monaten bis zu fünf Jahren vor.

Hier können Betroffene Hilfe finden:

Zu den Personen:
Yvonne Leven ist Kriminaloberkommissarin und Expertin für Kriminalprävention im Landeskriminalamt NRW.
Prof. Dr. Florian Eyer ist Chefarzt der Abteilung für klinische Toxikologie & Giftnotruf München am Klinikum rechts der Isar der Technischen Universität München. Seine Forschungsschwerpunkte liegen unter anderem in der Suchtmedizin und der toxikologischen Intensivmedizin.

Verwendete Quellen:

  • Telefoninterview mit Toxikologe Prof. Florian Eyer, Klinikum rechts der Isar, München
  • Telefoninterview mit Kriminaloberkommissarin Yvonne Leven, Landeskriminalam NRW
  • Weisser Ring: "Tipps gegen K.-o.-Tropfen"
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