• Dank niedriger Inzidenzen konnten viele Clubs und Diskotheken nach mehr als einem Jahr wieder öffnen.
  • Die Regeln, ob und wie öffentlich getanzt und gefeiert werden kann, unterscheiden sich teils deutlich von Bundesland zu Bundesland.
  • Was sagen Gesundheitsexperten zum Feiern in der Coronakrise?

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Es gibt wieder Warteschlangen vor Berlins legendärem Techno-Club Berghain: Am Samstag öffnete die Institution nach langer Corona-Pause wieder für Party-Gänger – aber erst einmal nur den Garten.

Einlass in das Außengelände gibt es nur für Geimpfte, Genesene oder negativ Getestete, auch müssen im Clubgarten medizinische Masken getragen werden. Der Tanztempel in der Hauptstadt ist keine Ausnahme: Mehr und mehr Clubs und Diskotheken empfangen wieder Gäste.

Die Regeln unterscheiden sich jedoch von Bundesland zu Bundesland teils erheblich: So dürfen in Hamburg und Berlin derzeit maximal 250 Menschen ohne Maske im Freien feiern. In NRW sind es ebenfalls 250, wobei Genesene und vollständig Geimpfte nicht mitzählen. In Sachsen-Anhalt darf auch drinnen mit einer 60-prozentigen Auslastung wieder getanzt werden, ebenso in Baden-Württemberg. Dort aber nur mit Maske, und die Teilnehmendenzahl beschränkt sich auf einen Gast pro zehn Quadratmeter. Die gleichen Bedingungen gelten auch in Schleswig-Holstein, wobei nur maximal 125 Menschen zusammen feiern dürfen.

Überall gilt hingegen: Alle Besucher müssen negativ getestet, vollständig geimpft oder genesen sein. Das dürfte die wenigsten abschrecken. Nach anderthalb Jahren Pandemie ist die Lust auf Party riesig, insbesondere bei den Jüngeren. Doch ist sicheres Feiern in der Coronakrise überhaupt möglich?

Wie lässt sich verhindern, dass eine Party zum Corona-Ausbruchsherd wird?

Die kurze und wenig befriedigende Antwort: Es kommt auf die Umstände an. "Verschiedene Studien konnten zeigen, dass mittelgroße Veranstaltungen mit klaren Hygienerichtlinien und mit Teilnehmern, die sich daran halten, stattfinden können, ohne dass es zu relevanten Übertragungen kommt", sagte der Epidemiologe André Karch im Interview mit dem "Spiegel".

Der Lehrstuhlinhaber für klinische Epidemiologie an der Universität Münster verweist zugleich auf ein Problem, dass vermutlich alle Studien betrifft und damit die Interpretation und eindeutige Aussagen erschweren: Die Untersuchungen können entweder gar nicht oder nur sehr schwer An- und Abreise der Probanden erfassen, ebenso wenig nachfolgende Partys oder Treffen.

Aus Sicht von Karch können junge Menschen am besten durch möglichst breite und niedrigschwellige Impfangebote geschützt werden. "Und dann muss es geeignete Hygienekonzepte für entsprechende Veranstaltungen geben, die die Wahrscheinlichkeit einer Übertragung minimieren", betont der Mediziner.

Klar ist: Es wird nie zu hundert Prozent zu verhindern sein, dass Partys nicht doch zu Corona-Partys werden.

Beispiel Karlsruhe: Auch doppelt Geimpfte infiziert

Was im schlechtesten Fall passieren kann, hat eine Clubnacht in Karlsruhe gezeigt: Anfang Juli hatte unter anderem eine infizierte Reiserückkehrerin aus Mallorca eine dortige Diskothek besucht, etwa 200 Gäste sollen an dem Abend Anfang Juli gefeiert haben.

Bis Montag wurden 34 Menschen positiv getestet (25 hatten sich direkt im Club angesteckt, die anderen sollen weitere Kontakte sein), bei allen wurde die Delta-Variante nachgewiesen, wie der "Tagesspiegel" berichtet. Sechs der Betroffenen waren doppelt geimpft. "Das beunruhigt", schreibt der SPD-Gesundheitsexperte und Epidemiologie Karl Lauterbach auf Twitter auch mit Blick auf die Delta-Mutation.

Ein weiteres, allerdings vermeidbares Problem: Viele Clubgäste hätten falsche oder unvollständige Angaben gemacht, wie der Leiter des Gesundheitsamtes des Landkreises Karlsruhe, Peter Friebel, erklärte. Eine Nachverfolgung wurde damit erschwert oder sogar unmöglich gemacht. Zugleich betonte der Club-Betreiber, ein Hygienekonzept gehabt und alle Behördenvorgaben erfüllt zu haben.

Hohe Ansteckungsgefahr in Innenräumen

Lauterbach verweist zudem auf ein zweites Problem, welches insbesondere im Herbst - bei steigenden Fallzahlen - zum Tragen komme: Antigen-Schnelltests sind oft falsch negativ. Gerade bei hohen Inzidenzen wiegen sich dann viele Getestete in falscher Sicherheit, der Beginn einer möglichen Aufwärtsspirale von Neuinfektionen.

Wie groß die Ansteckungsgefahr gerade in Innenräumen ist, hat der Physiker Eberhard Bodenschatz simuliert: "Wenn ich einer unmaskierten infizierten Person in 1,5 Meter Abstand ohne Maske gegenübersitze und in die Atemblase komme, liegt mein Ansteckungsrisiko, falls ich noch nicht geimpft bin, schon nach wenigen Minuten bei fast 100 Prozent", sagte der Direktor des Göttinger Max-Planck-Instituts für Dynamik und Selbstorganisation dem "Spiegel".

Mit systematisch durchgeführten Schnelltests lasse sich Bodenschatz zufolge die Ansteckungsgefahr drastisch senken. Fast gar kein Risiko besteht laut seinen Berechnungen aber nur, wenn zusätzlich FFP2-Masken getragen werden. Für viele Tanzfreudige wäre das wohl ein Partycrasher.

Verwendete Quellen:

  • Meldungen der Deutschen Presse-Agentur
  • Corona-Verordnungen der Bundesländer
  • Der Spiegel: "Kann es sichere Partys geben?" & "So könnte sich Deutschland gegen eine vierte Welle wappnen"
  • Tagesspiegel: "34 Delta-Infizierte nach Clubnacht in Karlsruhe"

1.300 Menschen feiern in Halle: Corona-Massenexperiment in Amsterdam

Etwa 1.300 Menschen durften am Samstag in Amsterdam mal wieder so richtig feiern. Bei der Party in einer Veranstaltungshalle ging es aber nicht nur ums Vergnügen: Das Massenexperiment diente dazu, der Verbreitung des Coronavirus bei Konzerten auf die Spur zu kommen.
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