Deutschland hat die Coronavirus-Pandemie bisher vergleichsweise glimpflich überstanden. Dass in Zeiten der Krise trotzdem mehr Menschen als normalerweise gestorben sind, zeigt nun eine Sonderauswertung des Statistischen Bundesamtes.

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Jeder Tote in der Coronakrise ist ein Einzelschicksal. Es ist zugleich eine Zahl, die am Ende in Statistiken eingeht. Ob Großbritannien, Italien oder Schweden: Die Summe von Verstorbenen hat in den vergangenen Monaten zu teils extremen Ausschlägen in den Sterbefallzahlen im Vergleich zu den vergangenen Jahren geführt. Das zeigt, mit welcher Wucht das Virus Europa getroffen hat.

Deutschland hat die Pandemie bisher vergleichsweise glimpflich überstanden. Wie viele Menschen hierzulande mehr als sonst gestorben sind, war bisher nicht klar. Nun hat das Statistische Bundesamt in einer Sonderauswertung auf Basis der Sterbefallmeldungen der Standesämter die Zahlen bis zum 26. April veröffentlicht.

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"Aktuelle Entwicklung ist auffällig"

Dabei wird deutlich: Anders als in den ersten Wochen des Jahres liegen die Zahlen seit der letzten Märzwoche über dem Durchschnitt der Jahre 2016 bis 2019 – trotz des milden Verlaufs der Pandemie in Deutschland. Und obwohl die Sterbefallzahlen in den letzten erfassten Wochen wieder deutlich gefallen sind, liegen sie weiterhin über dem Durchschnitt der Vorjahre. In den vier Aprilwochen 2020 starben 8 Prozent mehr Menschen als im Durchschnitt der Jahre 2016 bis 2019.

"Die aktuelle Entwicklung ist auffällig", schreibt die Behörde am Freitag in einer Pressemitteilung. Denn üblicherweise würden die Sterbefallzahlen Ende März und Anfang April "aufgrund der ausklingenden Grippewelle üblicherweise von Woche zu Woche kontinuierlich abnehmen" – anders in diesem Jahr.

Da die Grippewelle seit Mitte März als beendet gilt, führen die Statistiker diese "leichte Übersterblichkeit" auf die Corona-Pandemie zurück. Übersterblichkeit bezeichnet die Abweichung von der angenommenen Totenzahl während des gleichen Zeitraums in einem normalen Jahr.

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Heftige Grippewelle 2018

Weiter betont die Behörde: Anders als in den Vorjahren waren die Auswirkungen der Grippewelle im Jahr 2020 den vorläufigen Sterbefallzahlen zufolge "sehr gering ausgeprägt". Auch das legt nahe, dass viele Todesfälle in Verbindung mit SARS-CoV-2 stehen.

Für eine abschließende Einordnung der Übersterblichkeit muss laut Statistischem Bundesamt aber der gesamte Jahresverlauf betrachtet werden. In den ersten erfassten Monaten des Jahres sind die Todeszahlen leicht zurückgegangen: In Deutschland starben vom 1. Januar bis zum 26. April etwa 328.000 Menschen – im Durchschnitt der vergangenen vier Jahre waren es einige Tausend mehr.

Die mittleren Zahlen nach oben gedrückt hat die Grippewelle im Frühjahr 2018, die damals laut Statistischem Bundesamt "besonders heftig ausfiel". Zum Vergleich: Im März 2018 starben bundesweit etwa 107.100 Menschen, im März 2019 und im März 2020 jeweils etwa 86.500.

Genaue Ursachenforschung erst 2021 möglich

Die Todesursachen werden in den Meldungen der Standesämter allerdings nicht erfasst. Wie groß also der Anteil der Toten ist, die direkt oder indirekt, also auch durch medizinische und psychologische Folgeschäden der Krise, durch das Coronavirus starben, dürfte frühestens im Sommer 2021 klar werden.

Erst dann wird das Statistische Bundesamt die Todesursachenstatistik für das laufende Jahr vorlegen. Diese Daten beruhen dann auf den von Ärzten ausgestellten Todesbescheinigungen, die auch die Erkrankungen auflistet, die zum Tode geführt haben.

Eine vorläufige Bilanz der bis jetzt bekannten Zahlen ist dennoch möglich. "Im europäischen Vergleich ist das Ausmaß der sogenannten Übersterblichkeit in Deutschland vergleichsweise gering", erklären die Statistiker.

Italien berichtet laut Statistischem Bundesamt von einer um knapp 50 Prozent erhöhten Sterbefallzahl für den März im Vergleich zum Durchschnitt der Jahre 2015 bis 2019. Für den Ballungsraum Stockholm seien Anfang April sogar doppelt so hohe Sterbefallzahlen gemeldet worden. Und in England und Wales waren Anfang April so viele Todesfälle innerhalb einer Woche registriert worden wie seit 20 Jahren nicht mehr.

Mit Material der dpa.
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