• Die zweite Corona-Welle zeigt, dass die Gesundheitsbehörden in Schweden falsche Annahmen getroffen haben: Die Infektionszahlen steigen rasant.
  • Schweden reagiert mit einer Abkehr vom "Schwedischen Sonderweg" und verordnet deutliche Einschränkungen.

Mehr aktuelle Informationen zum Coronavirus finden Sie hier

Karl Lauterbach (SPD) kritisiert Schwedens Staatsepidemiologen Anders Tegnell scharf. Via Twitter verkündete der SPD-Gesundheitsexperte: "Schweden zeigt, wie verheerend falsche wissenschaftliche Beratung in der Coronapolitik sein kann. Tegnell lag fast immer falsch. Und das sehr selbstbewusst. Erstaunlich, dass er noch im Amt ist. Einen ehrenvollen Rücktritt hätte ihm niemand vorgeworfen …". Der Bundestagsabgeordnete plädiert stets für strenge Corona-Regeln.

Noch im Sommer sah es danach aus, als könnte Schwedens viel kritisierter Umgang mit dem Coronavirus doch zu einer Erfolgsgeschichte werden. Die Zahlen der Corona-Infizierten nahmen in den Sommermonaten ab. Es schien, als würde Anders Tegnells Strategie aufgehen.

Mit dem Sonderweg – kaum Einschränkungen des öffentlichen Lebens und Hygiene- und Verhaltensempfehlungen statt Verbote – wollte Schweden eine hohe Immunität herbeiführen. Durch die hohe Infektionsrate – das war der Plan – sollte eine zweite große Corona-Welle im Herbst verhindert werden. Mit bis zu 100 Toten am Tag gehörte Schweden im Frühjahr zu den traurigen Spitzenreitern.

Zweite Corona-Welle in Schweden

Doch die zweite Corona-Welle kam und sie erfasste Schweden mit voller Wucht. Die Infektionszahlen und auch die Zahl der Corona-Toten schnellen seit Ende Oktober drastisch in die Höhe.

  • Am 7. Dezember meldet die John Hopkins University 278.912 Corona-Infektionen seit dem 3. Januar 2020 in Schweden.
  • Die Zahl der Toten stieg auf 7.067.
  • Die 7-Tage-Inzidenz liegt mit 349,8 weit über dem kritischen Wert von 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner und damit deutlich über dem Wert, der aus Schwedens Nachbarländern Norwegen (46,8) und Finnland (54,4) gemeldet wird.

COVID-19 sei im Jahr 2020 nach Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Krebserkrankungen die dritthäufigste Todesursache, wie die Oberste Sozialbehörde des Landes Mitte November verkündete. Die Labor-Kapazitäten sind in einigen Teilen des Landes so überlastet, dass täglich 4.000 Corona-Tests nach Deutschland geflogen und in einem Labor in München ausgewertet werden, wie "tagesschau.de" berichtet.

Schwedens Sonderweg – Kurskorrektur eingeleitet

Seinen Sonderweg hat Schweden mittlerweile verlassen, jedenfalls in Teilen. Und offenbar sinkt auch das Vertrauen in die Eigenverantwortung der Bürger. Ministerpräsident Stefan Lövfen, der lange Zeit auf die Einschätzung der Gesundheitsbehörde vertraute, appellierte im November eindringlich an die Bürger, sich an die Hygiene- und Abstandsempfehlungen zu halten – und verkündete strengere Maßnahmen zur Eindämmung von SARS-CoV-2. Dazu zählen:

  • Alkoholverbot nach 22 Uhr in Bars und Restaurants
  • Mindestabstand von 1,5 Metern
  • Zusammenkünfte landesweit auf 8 Personen begrenzt
  • Gymnasien bleiben vom 7. Dezember bis 6. Januar geschlossen. Der Unterricht findet digital statt.
  • In Hotspot-Regionen wie Stockholm oder Malmö gelten gesonderte Regeln, insbesondere für Pflege-Einrichtungen wie Altenheime und öffentliche Schwimmbäder, Kunstgalerien oder Indoor-Freizeiteinrichtungen.
  • In Restaurants gilt ein Mindestabstand von einem Meter. Es dürfen maximal acht Personen an einem Tisch sitzen, an Bars darf nicht bedient werden.
  • Die Bürger sind angehalten, Einrichtungen wie Fitnessstudios oder Bibliotheken zu meiden und private Verabredungen auf ein Minimum zu reduzieren.

Wer Symptome hat, soll volle sieben Tage zu Hause bleiben und das Haus erst verlassen, wenn zwei Tage lang kein Fieber mehr gemessen wird. Eine Maskenpflicht oder ein strenger Lockdown stehen in Schweden weiterhin nicht im Raum, um die Ausbreitung des neuartigen Coronavirus zu stoppen.

Zwar gibt es in Schweden deutlich weniger Corona-Tote als in Deutschland. Doch blickt man auf die Todesfälle pro 100.000 Einwohner, liegt das skandinavische Land mit 68,7 Toten pro 100.000 Einwohnern deutlich vor Deutschland, wo 23 Tote pro 100.000 Einwohner gezählt werden. In den USA liegt dieser Wert bei 86,5.

Verwendete Quellen:

  • Deutsch-Schwedische Handelskammer: Informationen für Mitglieder und Kunden zum Coronavirus (Covid-19)
  • krisisinformation.se: Official information on the Covid-19 pandemic
  • The Local: Stockholm and Malmö shut gyms, museums and swimming pools
  • tagesschau.de: Zweifel am Sonderweg
  • John Hopkins University
  • n-tv: Schweden macht's noch schlechter als Deutschland
JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.