• Obwohl die Homöopathie bislang einen Nachweis ihrer Wirksamkeit schuldig geblieben ist, wird sie auch im Zusammenhang mit COVID-19 beworben.
  • Apotheken verkaufen Mittel, die Nebenwirkungen von Corona-Impfungen verhindern sollen. Homöopathen behandeln COVID-Patienten mit Globuli.
  • Können Homöopathika in der Pandemie tatsächlich helfen? Wir haben nachgefragt.

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In der Pandemie werden inzwischen auch homöopathische Mittel im Zusammenhang mit COVID-19 verkauft. So bieten Apotheken sogenannte Impfstoffnosoden an, die bei einer Corona-Impfung Nebenwirkungen verhindern sollen.

Gleichzeitig gibt es Homöopathen, die beteuern, dass Globuli insbesondere bei mittelschwereren Fällen einer COVID-19-Erkrankung helfen könnten. Stimmen diese Behauptungen?

Kein Zulassungsverfahren wie bei anderen Medikamenten

Wenn es bei medizinischen Wirkstoffen Hinweise darauf gibt, dass diese den Verlauf einer Corona-Erkrankung positiv beeinflussen können, wird gründlich mit wissenschaftlichen Methoden überprüft, ob das auch tatsächlich zutrifft.

Da die homöopathischen Globuli keine wirksamen Stoffe enthalten, bleibt eine Behauptung über ihren Nutzen gegen COVID-19 einfach stehen. Bei homöopathischen Mitteln gibt es laut Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) keine Pflicht zu einer wissenschaftlichen Wirksamkeitsprüfung. Viele Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gehen davon aus, dass Homöpathie durch den Placebo-Effekt wirkt - dieser Effekt ist in der Forschung belegt.

Da homöopathische Mittel nicht die üblichen Zulassungsverfahren für Arzneimittel durchlaufen, blieb auch unsere Anfrage beim unabhängigen Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) bezüglich des Nutzens homöopathischer Mittel im Zusammenhang mit COVID-19 ergebnislos. Homöopathika seien anders als zugelassene Arzneimittel "nicht Bestandteil unserer üblichen Bewertungsverfahren".

Bei COVID-19-Erkrankung keine Zeit verlieren

Marc Hanefeld ist Allgemeinarzt und gleichzeitig Intensiv- sowie Notfallmediziner. Er würde seinen Patienten von homöopathischen Mitteln abraten. "Ich hatte schon selbst Fälle, in denen sich Leute auf die Homöopathie verlassen haben und deswegen eine eigentliche Diagnostik viel zu spät gemacht wurde." Besonders problematisch sei das bei COVID-Kranken: "Wir wissen, wie schnell mittelschwere Fälle in einen schweren Fall abgleiten können. Und da kann eine Placebo-Behandlung ohne Wirkstoffe überhaupt nichts machen."

Weil eine hohe Nachfrage nach solchen Leistungen besteht, bezahlen viele Krankenkassen homöopathische Behandlungen. Auf Anfragen unserer Redaktion verwiesen diejenigen Versicherungen, von denen wir überhaupt Antworten erhielten, auf die Verantwortung der behandelnden Ärzte, wirksame Mittel bei der Behandlung von COVID-19 auszuwählen.

Wirksamkeit nicht belegt

Die DAK-Gesundheit nahm am eindeutigsten Stellung: "Es gibt keine Studie, die wissenschaftlichen Standards (zum Beispiel doppelte Verblindung) entspricht, die eine Wirksamkeit der Homöopathie belegt", heißt es in ihrer Mitteilung.

"Versicherte, die an COVID-19 erkrankt sind – vor allem, wenn sie schwere Symptome zeigen –, sollten in jedem Fall einen Arzt konsultieren oder im Zweifel den ärztlichen Notdienst. Homöopathische Mittel sind aus Sicht der DAK-Gesundheit im Falle einer potenziell lebensbedrohlichen Erkrankung kein Ersatz für eine Behandlung auf dem aktuellen Stand der medizinischen Forschung und ebenfalls kein Ersatz für pharmazeutische Arzneimittel."

Die Barmer wies darauf hin, dass sie auf ihrer Homepage zumindest nicht dazu ermutigt, "alternative Behandlungsmethoden in Anspruch zu nehmen, auch und insbesondere nicht im Hinblick auf eine Infektion mit COVID-19". Die IKK classic schrieb, "Menschen, die positiv auf COVID-19 getestet sind, oder die Symptome aufweisen, die auf eine mögliche Infektion hinweisen, müssen umgehend einen Arzt aufsuchen, der dann die weitere Diagnose bzw. Behandlung abklärt".

Heilpraktiker dürfen Infektionskrankheiten wie COVID-19 nicht behandeln

In der Regel decken die Versicherungen nur homöopathische Behandlungen durch approbierte Ärzte ab, die gleichzeitig Homöopathie anwenden. Ein solcher ist Dominik Müller. Es sei wichtig, "mit der fachlichen Expertise als Schulmediziner entscheiden zu können, wann kann ich mir das erlauben, wann kann ich es machen und wann nicht", sagt er. Das oberste Ziel sei es immer, dem Patienten nicht zu schaden.

Er bestehe nicht darauf, nur homöopathisch zu behandeln. Bei COVID-19 seien die Therapiemöglichkeiten aber insgesamt begrenzt. Jüngst wurde eine englische Studie veröffentlicht, der zufolge ein Cortison-Asthmaspray den Verlauf einer COVID-19-Erkrankung abmildern kann. Nachdem er davon erfahren hatte, habe er dieses Spray einer betroffenen Patientin gleich empfohlen: "Das setze ich sofort am nächsten Tag um. Ich will ja, dass meine Patienten gesund werden."

So könnten aber nur Homöopathen behandeln, die gleichzeitig Ärzte sind. Speziell im Fall von COVID-19 könnten Heilpraktiker außerdem grundsätzlich nicht helfen, weil diese keine Infektionskrankheiten behandeln dürften.

Wann sind Globuli gefährlich?

So vorsichtig wie Müller sind aber nicht alle Homöopathen. "Vereinzelt gibt es Leute – meist unter Heilpraktikern –, die Krebserkrankungen alleine mit Homöopathie therapieren wollen und das kann ein Todesurteil sein", gibt Udo Endruscheit, Sprecher beim Informationsnetzwerk Homöopathie, zu bedenken.

Auch bei harmloseren Erkrankungen sieht er den Einsatz von Homöopathie kritisch. Befürworter argumentieren, dass Globuli nebenwirkungsfrei sind und es ja nicht schaden kann, wenn man sich den Placebo-Effekt zunutze macht.

Doch wenn man Menschen glauben lasse, dass ihre Genesung von der letzten Erkältung auf Homöopathika zurückzuführen sei, würden sie denken, dass diese auch bei anderen Krankheiten helfen. Sie würden so auf die Einnahme von Globuli konditioniert. "Dann fangen sie an, ihre Familien mit Globuli zu behandeln. Man läuft Gefahr – und solche Fälle kommen immer wieder vor – dass man viel zu lange mit Globuli behandelt und dadurch Schäden eintreten", warnt Endruscheit.

Kritiker fordern mehr Transparenz

Deshalb sei die Intransparenz bezüglich der Wirkung von Homöopathika problematisch. "Sie behaupten eine Wirksamkeit – gelegentlich hört man, Homöopathie sei sogar die bessere Medizin. Wenn das so wäre, dann wäre das ja sicherlich in Wirksamkeitsstudien klar nachweisbar und sie könnten sich dem normalen Zulassungsverfahren stellen. Aber genau das geschieht nicht", kritisiert er.

Auch die in Apotheken angebotenen Impfstoffnosoden, die eventuelle Nebenwirkungen von Corona-Impfungen verhindern sollen, wurden nie getestet. Ihnen liegt die Annahme zugrunde: Was in einer hohen Dosierung schädlich ist, ist in einer niedrigen Dosierung heilend. "Hat eine Impfung in der normalen Dosis Nebenwirkungen, dann geben wir den gleichen Stoff in geringstmöglicher Dosierung und das wirkt der Schädlichkeit des höherdosierten Stoffes entgegen. Das nennen sie ausleiten", erklärt Endruscheit.

Impfstoffnosoden stark umstritten

Doch schon die Grundannahme sei nicht konsistent. "Woher weiß denn der ausleitende Stoff, was im Körper eine Wirkung und was ein unerwünschter Effekt ist? Normalerweise ist die Reaktion unseres Immunsystems auf eine Impfung durchweg erwünscht. Warum soll ich die dann ausleiten?"

Selbst wenn man davon ausgeht, dass die Nosode nur die Nebenwirkungen beeinflussen soll, sieht der Notfallmediziner Hanefeld ihren Einsatz kritisch: "Welche Nebenwirkungen sind denn gemeint? Geht es um die allergische Reaktion? Wenn es tatsächlich zu einer kommt, dann behandelt man das doch lieber mit Cortison, eventuell Adrenalin und Sauerstoff. Wenn mit diesen Nosoden auch noch Gewinnabsichten verfolgt werden, dann finde ich das äußerst fragwürdig."

Werden Corona-Impfstoffe für Herstellung von Homöopathika abgezwackt?

Man müsse sich auch fragen, wo der Corona-Impfstoff für die Nosoden überhaupt herkommt. "Ich glaube nicht, dass sie sich echten Impfstoff verschaffen und den dann verdünnen können", sagt Endruscheit.

Der homöopathisch arbeitende Allgemeinarzt Müller hilft auch im Impfzenturm. Dort hat er in dem Zusammenhang selbst eine Beobachtung gemacht: "Ich habe gestern im Impfzentrum mitgekriegt, dass ein Patient eine Spritze mitnehmen wollte, um irgendwas auszuleiten. Das mache ich nicht."

Überhaupt würden Impfstoffnosoden nicht mal den Grundsätzen der Homöopathie entsprechen. Müller würde Impfnebenwirkungen zwar homöopathisch behandeln. Nosoden würde er dabei aber nicht verwenden. "Ich nehme die Symptome genau auf, gucke was passt da für ein Mittel dazu, gebe das Mittel, schaue wirkt es, wirkt es nicht? Wenn es nicht wirkt, gucke ich noch mal. Und in der Regel erst das zweite, dritte Mittel funktioniert dann."

Dass sich Homöopathen mit einer subjektiven Überprüfung per Versuch und Irrtum zufriedengeben müssten, sei dem Umstand geschuldet, dass die Homöopathie nicht ernst genommen werde und deshalb kein Geld für wissenschaftlich fundierte Studien zur Verfügung stünde, heißt es von Homöopathie-Befürwortern häufig.

Dem widerspricht Endruscheit: "Die Carstens-Stiftung ist beispielsweise eine wirkmächtige Stiftung auch mit einem ordentlichen Batzen Geld im Hintergrund, die Homöopathie propagiert. Sie finanziert auch Lehrstühle. Die erste Stiftungsprofessorin an der Charité in Berlin, Claudia Witt, ging später nach Zürich mit der Aussage, es sei nicht erwiesen, dass Homöopathika mehr sind als Placebo."

Verwendete Quellen:

  • Gespräch mit Dr. med. Marc Hanefeld, Facharzt für Allgemeinmedizin und Facharzt für Anästhesiologie, Spezielle Intensivmedizin, Notfallmedizin, Ärztliches Qualitätsmanagement
  • Gespräch mit Dr. med. Dominik Müller, Facharzt für Allgemeinmedizin und Homöopath
  • Gespräch mit Udo Endruscheit, Sprecher des Informationsnetzwerks Homöopathie
  • Stellungnahme des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) auf Anfrage unserer Redaktion
  • Stellungnahme der DAK-Gesundheit auf Anfrage unserer Redaktion
  • Stellungnahme der Barmer auf Anfrage unserer Redaktion
  • Stellungnahme der IKK classic auf Anfrage unserer Redaktion
  • Helmholtz-Gemeinschaft: Wirkt Homöopathie wirklich?
  • Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte: Homöopathische Arzneimittel
  • EASAC - Zusammenschluss der europäischen Wissenschaftsgemeinschaft: Homeopathic products and practices
  • pharmazeutische-zeitung.de: Placeboeffekt: Die Heilkraft des Nichts

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