US-Präsident Donald Trump vertraut auch in der Coronakrise auf den Rat seines Schwiegersohns Jared Kushner. Der leitet inzwischen eine "Schatten-Taskforce" im Weißen Haus und ist davon überzeugt, dass der Kampf gegen das Coronavirus in den USA eine "Erfolgsgeschichte" ist.

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Viele Männer können sich im Umgang mit dem Schwiegervater einiges bei Jared Kushner abschauen. Wenn der 39-Jährige eins geschafft hat, dann seinen Schwiegervater Donald Trump davon zu überzeugen, dass er der klügste und kompetenteste Mann auf diesem Planeten sein muss - hinter Trump selbst versteht sich.

Anders lässt es sich nicht erklären, dass Trump seinem Schwiegersohn immer wieder eine Expertentätigkeit in Fragen zutraut, die laut der Einschätzung von Experten und Regierungsmitarbeitern deutlich außerhalb dessen Expertise liegen. Nachdem er ihn bereits - wenig erfolgreich - mit der Lösung der Nahostkrise und der Opioidkrise betraut hat, soll Kushner nun helfen, die Coronakrise in den USA schleunigst zu beenden. Kushners Aufgaben: Er wägt unter anderem die Hilfsanfragen der Gouverneure ab und verhandelt mit Privatfirmen über die Beschaffung von Equipment.

Es sind gerade diese beiden Bereiche, in denen die USA gewaltig hinterherhinken. Die Gouverneure vieler Bundesstaaten beklagen noch immer, dass es an Atemgeräten, Schutzkleidung und vor allem Test-Equipment fehlt. Ein Umstand, der von Kushner einfach bestritten wird, ohne weitere Lösungsansätze zu bieten. Stattdessen behauptet Kushner, man habe die Ziele, die sich die Regierung in Sachen Testkapaziäten selbst gegeben habe, sogar übererfüllt. Eine Aussage, die von vielen Experten mit großer Verwunderung aufgefasst wird. Dass die Realität beschönigt wird, kennt man allerdings auch von Schwiegervater Trump zu Genüge.

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Kushner strotzt vor Selbstbewusstsein

Wie auch in der Nahostpolitik ist Kushner kaum qualifiziert, einer Corona-Taskforce anzugehören. Erfahrungen in der Gesundheitsbranche hat er keine. Seine Expertise hat er sich laut übereinstimmender Medienberichte angeeignet, indem er bei den Facebook-Freunden des Vaters seiner Schwägerin Karlie Kloss, der zufällig Arzt ist, herumfragen ließ. Eigentlich ist der 39-Jährige nämlich Immobilienunternehmer und dabei anscheinend nicht einmal besonders erfolgreich.

Ein Umstand, den auch "New York Times"-Kolumnistin Michelle Goldberg in ihrem Essay "Kushner Verantwortung zu geben ist völliger Irrsinn" nur allzu gerne aufgreift: "Kushner sind in seinem Leben genau drei Dinge gelungen. Er ist als Kind der richtigen Eltern auf die Welt gekommen, hat gut geheiratet und gelernt, wie er seinen Schwiegervater beeinflussen kann."

Eine derartige Einschätzung seiner Qualifikation hindert Kushner jedoch nicht daran, seinem Schwiegervater in Sachen Selbstbewusstsein nachzueifern. Im Interview mit Trumps verbriefter Lieblings-TV-Sendung "Fox and Friends" hielt er sich kürzlich mit Lob für sich selbst und die Coronavirus-Taskforce, deren Teil er ist, nicht gerade zurück: "Wir haben historische Erfolge erzielt. Manche Leute fragen mich, warum hat es so lange gedauert. Dabei sollten sie fragen, wie es so schnell gehen konnte. Was wir gemacht haben, ist wirklich außergewöhnlich."

Eine Selbstreflexion, die auf Widerstand stößt: So wetterte Comedian John Oliver in seiner Sendung "Last week tonight": "Wenn man Monate für etwas braucht, dass andere Länder innerhalb von Wochen hingekriegt haben, ist das nicht außergewöhnlich" und bezieht sich dabei vor allem auf das weiterhin an vielen Orten nicht verfügbare Test-Equipment.

"Last week tonight" mit John Oliver

Moderator zerlegt die Behauptungen von Jared Kushner in der Coronakrise. © YouTube

Kushner nahm Corona lange nicht ernst

Dazu passt, dass Kushner - so wie sein Schwiegervater - die Corona-Pandemie lange nicht ernst nahm, sondern, wie die "New York Times" berichtet, eher als ein "psychologisches Massenphänomen" abtat. Daran will sich im Weißen Haus nun aber niemand mehr erinnern. Stattdessen nennt Kushner den Kampf gegen Corona in den USA bei "Fox and Friends" lieber "eine große Erfolgsgeschichte" und ist sich sicher, dass das Land schon im Juli "wieder rocken" werde. Zur Erinnerung: Die USA haben inzwischen mehr als 70.000 Tote zu beklagen und die Zahlen könnten noch weiter steigen.

Ein internes Regierungspapier, das die "New York Times" Anfang der Woche veröffentlichte, rechnet mit einem düsteren Szenario. So wird davon ausgegangen, dass die Zahl der neuen Infektionen bis Juni auf rund 200.000 pro Tag steigen könnte. Zuletzt lag der tägliche Anstieg bei rund 30.000 bestätigten Neuinfektionen.

Von einer großen Erfolgsstory in der Coronakrise scheint man also weit entfernt in den USA, doch wie Trump hat auch Kushner hauptsächlich die Wirtschaft im Blick. Wie die "Vanity Fair" berichtet, habe Kushner Trump immer wieder von strikten Beschränkungen abgeraten, um einen Einbruch an den Aktienmärkten zu verhindern und eine mögliche Wiederwahl nicht zu gefährden.

Kushner sorgt für Probleme im Weißen Haus

Kushners Schatten-Taskforce, die er laut übereinstimmender Medienberichte neben Pences offiziellem Arbeitskreis etabliert hat, soll darüber hinaus immer wieder für Verwirrung bezüglich der Zuständigkeiten im Weißen Haus sorgen. Dazu kommt, dass Kushner laut eines Berichts von "The Atlantic" die Firma Oscar Health mit dem Aufbau einer Webseite beauftragt haben soll, auf der Bürger Anlaufstellen für Coronatests suchen sollten. Brisant: Ein Mitbegründer von Oscar Health ist Kushners Bruder Joshua und Kushner selbst hatte ebenfalls Anteile an der Firma, bevor er ins Weiße Haus wechselte. Damit hätte Kushner klar gegen die "Impartiality Rule" verstoßen, die Regierungsmitarbeitern unter anderem verbietet, Entscheidungen zu treffen, bei der nahe Verwandte finanzielle Vorteile davontragen könnten. Ein Sprecher von Oscar Health bestritt jedoch, dass die Anfrage von Kushner kam. Lediglich das Gesundheitsministerium sei involviert gewesen. Dennoch lässt sich der Vorwurf der Vetterwirtschaft nicht so leicht abschütteln, zumal die Webseite gebaut wurde und dann ohne Begründung nie online ging.

Es war vermutlich Kushners fehlgeschlagener Versuch seinen aufgebrachten Schwiegervater zu besänftigen. Schließlich hatte er laut "Vanity Fair" gegenüber Trump behauptet, Google würde innerhalb von 72 Stunde eine solche Webseite aus dem Boden stampfen. Dumm nur, dass Google noch nie davon gehört hatte - und der Präsident dieses Halbwissen sogleich in einer Pressekonferenz verkündet hatte.

Nichtsdestotrotz gehört Kushner weiterhin zu den engsten Beratern des Präsidenten. Und die Hoffnung, die viele zu Beginn von Trumps Amtszeit noch hegten, dass er als eine gemäßigte Stimme auf Trump einwirken könnte, hat sich auch längst zerschlagen. Stattdessen hat die Coronakrise die Ähnlichkeiten zwischen Schwiegervater und Schwiegersohn nur noch deutlicher gemacht.

Quellen:

  • AFP
  • dpa
  • "New York Times": Putting Jared Kushner In Charge Is Utter Madness
  • "Nbcnews.com: Trump enables Jared Kushner's coronavirus task force, revealing the dangers of nepotism
  • Theatlantic.com: Exclusive: Kushner Firm Built the Coronavirus Website Trump Promised
  • "Last week tonight": Coronavirus VI
  • "Vanityfair.com": Inside Donald Trump and Jared Kushner’s Two Months of Magical Thinking
  • "CNN.com": CNN reporter fact checks Jared Kushner's testing claims
  • "CNN.com": Kushner challenges Michigan governor's claim about state's coronavirus testing capability
  • "Theguardian.com": Jared Kushner and his shadow corona unit: what is Trump's son-in-law up to?
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