Mehr als 1.000 Mitarbeiter des Fleischproduzenten Tönnies sind positiv auf das Coronavirus getestet worden. "Das Vertrauen, das wir in die Firma Tönnies setzen, ist gleich Null", sagte der Landrat des Kreises Gütersloh.

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Nach dem Corona-Ausbruch beim Fleischproduzenten Tönnies in Nordrhein-Westfalen sind mittlerweile 1.029 Mitarbeiter positiv auf das Virus getestet worden. Dies teilte der Landrat des Kreises Gütersloh, Sven-Georg Adenauer (CDU), am Samstag in Gütersloh mit. Insgesamt 3.127 Befunde lägen mittlerweile vor.

Adenauer betonte: "Wir haben keinen signifikanten Eintrag von Corona-Fällen in die allgemeine Bevölkerung." Die Corona-Reihenuntersuchungen auf dem Gelände der Fleischfabrik im nordrhein-westfälischen Rheda-Wiedenbrück wurden am Samstag fortgesetzt. Seit Freitag unterstützen Bundeswehrsoldaten die Maßnahmen.

Der Betrieb ist für 14 Tage geschlossen. Das habe der Kreis verfügt, wie der Leiter des Krisenstabes, Thomas Kuhlbusch, am Samstag in Gütersloh mitteilte. Nachlaufarbeiten seien unter Arbeitsquarantäne-Bedingungen noch möglich. Das bedeutet, dass die Mitarbeiter sich zwischen Arbeits- und Wohnort bewegen dürfen - ausschließlich.

Landrat: "Vertrauen in Firma Tönnies ist gleich Null"

Die Behörden hatten große Schwierigkeiten, an die Adressen der Mitarbeiter zu kommen. Nachdem am Freitagvormittag immer noch 30 Prozent der Adressen gefehlt hätten, hätten sich der Kreis Gütersloh und der Arbeitsschutz in der Nacht zum Samstag Zugriff auf die Personalakten der Firma Tönnies verschafft. "Das Unternehmen hatte es nicht geschafft, uns alle Adressen zu liefern", sagte Landrat Adenauer. Die Behörden seien gemeinsam am Freitagabend in die Konzern-Zentrale gegangen. Am Samstagmorgen um 01.30 Uhr sei man fertig gewesen. Jetzt lägen 1.300 Adressen von Wohnungen allein für den Kreis Gütersloh vor.

Das Verhältnis zwischen dem Kreis und der Firma ist entsprechend zerrüttet. "Das Vertrauen, das wir in die Firma Tönnies setzen, ist gleich Null. Das muss ich so deutlich sagen", sagte Kuhlbusch weiter.

6.500 Mitarbeiter müssen in Quarantäne

Mehrere Kleinbusse mit ausländischen Kennzeichen brachten am Vormittag zumeist Männer zum Werk. Nicht alle trugen dabei Schutzmasken, berichtete eine dpa-Reporterin. Auch Fahrzeuge der Uniklinik Bonn und der Bezirksregierung Detmold kamen zum Schlachtereibetrieb. Mitarbeitende trugen Masken und Kühlboxen auf das Gelände. Auch Einsatzkräfte der Polizei waren vor Ort.

Der Kreis hatte am Freitag verfügt, dass alle rund 6.500 Tönnies-Mitarbeiter am Standort Rheda-Wiedenbrück mitsamt allen Haushaltsangehörigen in Quarantäne müssen. Das betreffe auch die Verwaltung, das Management und die Konzernspitze, teilte der Kreis Gütersloh am Freitagabend mit.

Für einige Mitarbeiter galt allerdings eine sogenannte Arbeitsquarantäne. Das heißt, dass sie sich zwischen Arbeits- und Wohnort bewegen dürfen - ausschließlich. Das gilt nach Angaben eines Konzernsprechers auch für den Gesellschafter Clemens Tönnies.

Vor dem Betrieb in Rheda-Wiedenbrück protestierten am Samstagmittag rund 60 Menschen gegen den Konzern. "Wir sind hier, wir sind laut, weil ihr den Menschen die Rechte klaut", riefen die Demonstranten. Zahlreiche Menschen hielten Plakate hoch, auf denen etwa stand: "Stoppt das System Tönnies" und "Tiere sind keine Ware". Einige Protestierende hatten sich mit Kunstblut bemalt. Organisiert hatten den Protest mehrere Umwelt- und Tierschutzorganisationen, unter anderem Fridays for Future.

Laschet: Jeder muss sich an Regeln halten

Auch die Corona-Reihenuntersuchungen auf dem Gelände der Fleischfabrik wurden am Samstag fortgesetzt. Nachdem am Freitag bereits 25 Bundeswehrsoldaten die Maßnahmen unterstützten, wurden am Samstag 40 weitere hinzugeholt. "20 davon helfen bei der Dokumentation und 20 helfen bei der Kontaktpersonennachverfolgung", sagte Bundeswehrsprecher Uwe Kort. Die Kräfte seien mit zehn Fahrzeugen der Bundeswehr unterwegs und würden gemeinsam mit medizinischem Personal und Mitarbeitern des Kreises Gütersloh Unterkünfte abfahren und dort Menschen testen. Laut Kort sprechen die Soldaten osteuropäische Sprachen, um sich mit den Arbeitern verständigen zu können.

Der Kreis hatte am Freitag verfügt, dass alle rund 6.500 Tönnies-Mitarbeiter am Standort Rheda-Wiedenbrück mitsamt allen Haushaltsangehörigen in Quarantäne müssen. Das Land will die Quarantäneanordnung für die Mitarbeiter konsequent durchsetzen. Es werde dazu alle ihm zur Verfügung stehenden Mittel einsetzen, hatte NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) am Freitagabend in Düsseldorf gesagt. "Wir müssen sicherstellen, dass in dieser Situation jeder sich an die Regeln hält." Einen Corona-Ausbruch habe es "in dieser Größe" in NRW bisher nicht gegeben.

Einen regionalen Lockdown hatte Laschet ausdrücklich nicht ausgeschlossen. Das Infektionsgeschehen könne noch lokalisiert werden. "Sollte sich dies ändern, kann auch ein flächendeckender Lockdown in der Region notwendig werden", hatte Laschet am Freitagabend in Düsseldorf gesagt.

Polizei ist auf Großeinsatz eingestellt

Die Polizei ist auf einen Großeinsatz eingestellt. Bei der Polizei Bielefeld wurde eine sogenannte BAO, eine Besondere Aufbauorganisation gebildet, die mögliche Einsätze landesweit koordiniert. Beamte einer Einsatzhundertschaft verteilten sich am Samstag im Gebiet des Kreises Gütersloh. Nach Angaben einer Sprecherin der Polizei Bielefeld sollen sie bei Anforderung durch die Ordnungsbehörden unterstützend tätig werden, "beispielsweise wenn Kontrollen durchgeführt werden". Dies war nach ihren Angaben bis zum Mittag noch nicht der Fall. "Wir werden als Polizei nicht eigeninitiativ tätig", sagte die Sprecherin.

Der massenhafte Ausbruch bei Tönnies in Rheda-Wiedenbrück war am Mittwoch bekannt geworden. Bereits im Mai war es auf einem Schlachthof des Konkurrenzunternehmens Westfleisch im Kreis Coesfeld zu einem Corona-Ausbruch gekommen. Das nordrhein-westfälische Landeskabinett will sich am Sonntag in einer Sondersitzung mit dem Ausbruch bei Tönnies beschäftigen.

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(pak/dpa)

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