- Das Infektionsgeschehen in Spanien, dem beliebtesten Reiseziel der Deutschen, hat wieder ordentlich Fahrt aufgenommen: Landesweit liegt die Sieben-Tage-Inzidenz bereits über 250.
- Vor allem die unter 30-Jährigen stecken sich mit der hochinfektiösen Delta-Variante an, in spanischen Krankenhäusern liegen viele junge Menschen.
- Auch für deutsche Urlauber könnte die Situation in Spanien Konsequenzen haben. Was Sie nun wissen müssen.
Auf der Karte, die die Sieben-Tage-Inzidenzen weltweit miteinander vergleicht, ist der Umriss von Spanien dunkelrot gefärbt. Auf über 250 ist die landesweite Inzidenz dort inzwischen geklettert, Corona-Hotspot Katalonien kommt auf eine Inzidenz von knapp 580 (Stand 14.7.). Auch die Regionen Kastilien und Leon und Navarra sind mit Sieben-Tage-Inzidenzen weit über der 300er-Marke schwer getroffen. Zum Vergleich: Deutschland verzeichnet aktuell eine Inzidenz von 7,1.
Lesen Sie auch: Alle aktuellen Informationen rund um die Corona-Pandemie in unserem Live-Blog
Die gemeldeten Zahlen der Regionen lassen keinen Zweifel offen: Die fünfte Corona-Welle überrollt das Land. Damit ist ganz Spanien – also sowohl das Festland, die Balearen als auch die Kanaren – wieder Risikogebiet. Ab einem Grenzwert von 200 Fällen pro 100.000 Einwohner innerhalb einer Woche kann das Robert-Koch-Institut (RKI) ein Land als Hochinzidenzgebiet ausweisen. Noch ist die Hochstufung nicht passiert, denn nicht das Erreichen eines Grenzwertes ist maßgeblich, sondern ein stabiler Trend.
Mögliche Auswirkungen für Spanien-Urlauber
Aktuell gelten beispielsweise Portugal, Zypern und Tunesien als Hochinzidenzgebiet. Wie auch den Niederlanden droht Spanien nun die Einstufung als Hochinzidenzgebiet. Das hätte Folgen für deutsche Spanienurlauber: Die Einreiseregeln für Rückkehrer würden sich verschärfen. Für die Rückreise aus einem Hochinzidenzgebiet verlangt Deutschland über sein Einreiseportal einen Nachweis über ein negatives Corona-Testergebnis, eine vollständige Impfung oder Genesung.
Für nicht vollständig Geimpfte oder Genesene würden bei Wiederreinreise nach Deutschland außerdem mindestens fünf Tage Quarantäne fällig. Erst dann könnte man sich mit einem zweiten Corona-Test freitesten und die sonst zehntägige Isolationszeit verkürzen.
Aktuell müssen deutsche Spanien-Urlauber ihre Rückreise im Vorfeld melden, es gilt außerdem eine Testpflicht für Flugreisende am Abflugort sowie eine Testpflicht zur Rückkehr. Ausgenommen sind Kinder unter sechs Jahren sowie vollständig Geimpfte und Genesene.
Weil die spanische Regierung Deutschland nicht als Risikogebiet einstuft, müssen Deutsche bei ihrer Einreise mit dem Flugzeug derzeit kein negatives Testergebnis, Impfnachweis oder Genesungszertifikat vorlegen. Ausgenommen sind Einreisende über den Landweg und Großgruppen ab 20 Personen, wie etwa Abschlussfahrten.
Steigende Inzidenz ist das Ergebnis von Lockerungen
Viele deutsche Urlauber verunsichert die instabile Situation. Sie satteln auf alternative Urlaubsziele wie Griechenland um. Dem spanischen Tourismussektor dürfte das einen herben Schlag versetzen, bis zu einem Drittel der spanischen Arbeitsplätze hängen am Tourismus, er macht rund 15 Prozent vom Bruttoinlandsprodukt aus – etwa doppelt so viel wie in Deutschland.
Auch aus wirtschaftlichen Gründen hatte die Regierung deshalb zuletzt Lockerungen beschlossen: Dazu zählten zum Beispiel das Ende der Maskenpflicht oder vereinfachte Einreiseregeln. Das Schuljahr ging zu Ende, die Touristen kamen, Partys wurden gefeiert – das schlägt sich in der jetzigen Inzidenz nieder.
Im Januar hatte die landesweite Sieben-Tage-Inzidenz noch über einem Wert von 550 gelegen, seit Mai war sie aber relativ stabil unter der 100er-Marke geblieben. Die Lockerungen haben das Infektionsgeschehen nun wieder angeheizt.
Vor allem Junge infiziert
Zwar merken Experten an, dass aktuell hohe Inzidenzen anders zu bewerten sind, als noch zu Beginn der Pandemie, weil nun viel mehr Menschen geimpft sind und dadurch weniger Patienten schwer erkranken, auffällig aber: Das Virus, allen voran die hochinfektiöse Delta-Variante, breitet sich in Spanien derzeit schnell in der zum großen Teil ungeimpften Bevölkerung unter 30 Jahren aus. Jeder vierte Corona-Patient in den Krankenhäusern in Madrid und Barcelona ist jünger als 25 Jahre.
Die aufgehobene Ausgangssperre diente vielen jungen Menschen als Anlass zum Feiern – nicht selten ohne Abstand und Maske. Virologen hatten schon damals erschrocken auf die Bilder von ausgelassen feiernden Menschen reagiert und gewarnt, das Ende des Alarmzustandes bedeute nicht das Ende der Pandemie. In Spanien sind bereits 47,3 Prozent der Bevölkerung vollständig geimpft, in Deutschland sind es 43,7 Prozent – beide Werte reichen für einen Herdenschutz nicht aus.
Diskotheken und Nachtclubs durften in Spanien bereits unter einer Inzidenz von 50 wieder bis 3 Uhr nachts öffnen. In Deutschland handhaben die einzelnen Bundesländer das deutlich strenger: In Niedersachsen muss die Inzidenz zum Tanzen in Clubs und Discos stabil unter 35 liegen – aber selbst dann herrscht noch Maskenpflicht.
Die hohen spanischen Inzidenzen haben auch die Zahl der COVID-Patienten in den Kliniken wieder steigen lassen. Noch hält sich die Auslastung der Intensivbetten in Grenzen und die Lage ist nicht so angespannt wie bei früheren Corona-Wellen.
In Spanien ist die Ausstattung der Intensivstationen bei weitem nicht so gut wie in Deutschland. Auf 100.000 Einwohner kommen in Deutschland 33,9 Intensivbetten – in Spanien nur 9,7. Seit Ende Juni meldet Spanien wieder bis zu 46 Tote täglich.
Eine Lehrstunde für Deutschland
Der spanische Sender "RTVE" titelte am 14. Juli: "Die spanischen Intensivstationen: Die durchschnittliche Auslastung durch Corona steigt auf 8,75 Prozent". In Katalonien nähere sich die Bettenauslastung durch COVID-Patienten mit knapp 23,5 Prozent wieder dem extremen Risikoniveau.
Die spanischen Regionen Valencia und Katalonien reagierten bereits mit Verschärfungen, die besonders auf das Nachtleben abzielen, auch auf den Kanaren sind nächtliche Ausgangssperren wieder im Gespräch. Für Deutschland, wo gerade die ersten Clubs und Diskotheken wieder die Türen öffnen, sollte die spanische Corona-Lage eine Lehrstunde sein.
Verwendete Quellen:
- Corona in Zahlen: Corona-Daten für Deutschland und Spanien. Stand 14.07. 2021
- ADAC: Spanien- & Mallorca-Urlaub: Inzidenz, Einreise und Corona-Regeln. Stand 14.07.2021
- RTVE: Las UCI des Espana: la ocupación media por coronavirus sube al 8,75 %.
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.