- Wochenlang war das Hauptproblem der mangelnde Impfstoff - jetzt liegen Impfdosen in großen Menge auf Halde.
- Nun stellt sich die ethisch heikle Frage: Wer soll als nächstes geimpft werden?
Angesichts hunderttausender ungenutzter Corona-Impfdosen in den Ländern kocht die Debatte über die nächsten Impfgruppen hoch. Am Mittwoch trat eine Verordnung von Bundesgesundheitsminister
Nach Angaben des Robert Koch-Instituts wurden bis Dienstag nur rund 239.000 Dosen des Herstellers Astrazeneca gespritzt. Dem Gesundheitsministerium zufolge sind aber bereits mehr als 1,4 Millionen solcher Dosen an die 16 Bundesländer geliefert.
Wer soll Astrazeneca bekommen?
Die Lage ist in den Ländern unterschiedlich. Nach Baden-Württemberg beispielsweise wurden bisher gut 194.000 Astrazeneca-Dosen geliefert und 12.000 verimpft. Dort können seit Wochenbeginn nun auch das pädagogische Personal in Schulen und Kitas, viele medizinisch Beschäftigte und Menschen mit einer geistigen Behinderung Termine in Impfzentren vereinbaren - nicht aber Patienten mit Krebs oder anderen Krankheiten.
Seit Mittwoch können laut Impfverordnung bundesweit auch Personen geimpft werden, "die in Kinderbetreuungseinrichtungen, in der Kindertagespflege und an Grundschulen tätig sind". Dazu kommen Beschäftigte in Kinder- und Jugendhilfe.
Der Vorsitzende der Ständigen Impfkommission (Stiko), Thomas Mertens, warnte, es dürfe nicht passieren, dass schwer kranke Risikopatienten leer ausgingen, weil ganze Berufsgruppen mit starker Lobby vorgezogen würden. "Hier sollte es unbedingt in allen Impfzentren Listen geben, die festlegen, wer an die Reihe kommt, wenn Dosen übrig bleiben", sagte Mertens der Funke-Mediengruppe.
Der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, sagte der Deutschen Presse-Agentur: "Warum ignoriert die Politik weiterhin, dass es Millionen pflegende Angehörige und Angehörige von Schwangeren gibt, denen zunächst nach Verordnung ein Angebot zu machen ist?" Der Berliner Virologe Christian Drosten stellte auf Twitter fest: "Die Prioritätsgruppen brauchen Priorität. Wir brauchen aber auch eine schnelle Versorgung der sofort Impfbereiten." Der Vize-Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Stephan Hofmeister kritisierte, dass die Länder die Impfkampagne sehr unterschiedlich für einzelne Gruppen öffneten. "Die einen wollen Lehrer impfen, die anderen Polizisten."
Berlins Sozialsenatorin Elke Breitenbach (Linke) will mit einem Teil der übrig gebliebenen Astrazeneca-Dosen die rund 3.000 Obdachlosen in den Notunterkünften impfen, wie sie den Funke-Zeitungen sagte.
"Unverimpft sollte der Impfstoff nicht herumliegen"
Spahn sagte im Bundestag, die Länder hätten nachvollziehbarerweise nach Impfstoff verlangt. "Nun sind die Impfdosen da." Das Impftempo werde steigen. Voraussichtlich am Samstag sollen mehr als 650.000 neue Astrazeneca-Dosen bundesweit geliefert werden.
Der Astrazeneca-Impfstoff hat eine etwas geringere Wirksamkeit als jener von Biontech/Pfizer und Moderna, aber mit 70 bis 80 Prozent Wirksamkeit nach Expertenmeinung immer noch eine gute. Er wird nur Menschen bis 65 verabreicht. Es gibt aber Berichte, dass sich viele Ärzte und Pflegekräfte nicht damit impfen lassen wollen.
Es gebe einen "Impfstau" in den Impfzentren der Länder, kritisierte KBV-Chef Andreas Gassen. "Das zeigt, dass so eine aufwendige Organisation immer mit einer gewissen Trägheit operiert." KBV-Vize Hofmeister mahnte: "Unverimpft sollte der Impfstoff nicht herumliegen."
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Impfung in den Praxen
Die KBV rechnete mit einer möglicher Ausweitung der Impfungen auf die 75.000 dafür in Frage kommenden Haus- und Facharztpraxen in der ersten Hälfte des zweiten Quartals. Voraussetzung seien genügend Impfstoffe, Spritzen und anderes Material. Dann sei das "kein Hexenwerk, das ist Tagesgeschäft". Auch der Impfstoff von Biontech und Pfizer, der im Grundsatz stark gekühlt werden muss, könne in den Praxen verimpft werden; er sei 120 Stunden bei Kühlschranktemperaturen lagerfähig.
Die Impfkampagne kann nach von der KBV präsentierten Zahlen ohne Arztpraxen nicht schnell stark beschleunigt werden. In den 433 Impfzentren konnten demnach zuletzt nur 140.000 Impfungen pro Tag vorgenommen werden. Seit Beginn der Impfkampagne Ende Dezember 2020 wurden bislang 5,7 Millionen Dosen geimpft - von insgesamt 7,5 Millionen ausgelieferten. Die Länder schätzen laut KBV, dass sie im März über 550.000 Impfungen pro Tag leisten können - die Praxen könnten rund eine Million täglich an fünf Tagen je Woche durchführen.
Gassen mahnte die Politik, keine unnötige Bürokratie für die Impfung in den Praxen vorzusehen. Hofmeister machte darauf aufmerksam, dass dann keine aufwändigen Einladungen mehr nötig seien. Aber: "Es geht auch dann immer nur der Reihe nach."
Modellrechnungen: Impfvollschutz der gesamten Bevölkerung am 1. August
Bereits bisher war vorgesehen, dass über 70-Jährige in Gruppe zwei geimpft werden - und Menschen mit Demenz oder geistiger Behinderung, nicht ruhendem Krebs, chronischen Lungen-, Leber- oder Nierenkrankheiten, schwerer Diabetes, Adipositas sowie Kontaktpersonen von Schwangeren und Pflegebedürftigen zuhause. Auch Polizisten, Angehörige bestimmter Gesundheitsberufe sowie Menschen, die in Obdachlosen- und Asylbewerberunterkünften untergebracht sind, zählen zur Gruppe zwei. Vor Gruppe zwei waren - und sind in weiten Teilen noch - die Hochbetagten über 80, Pflegebedürftige und Pflegekräfte in Heimen, Beschäftigte ambulanter Pflegedienste, auf Intensivstationen und Rettungssanitäter an der Reihe.
Nach neuen Modellrechnungen der KBV kann es gelingen, am 1. August einen Impfvollschutz der gesamten Bevölkerung zu leisten. Für den Pandemieverlauf ist die Prioritätensetzung bis dahin nicht das Entscheidende. Entscheidend sei eine ausreichende "Menge Mensch geimpft zu haben", sagte Gassen.
Bevorzugung für Geimpfte?
In der Debatte um Öffnungen im Lockdown für Geimpfte wandte sich
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