Viele Mediziner empfehlen in der Coronakrise das Tragen eines Mundschutzes. Doch die sind ein knappes Gut, einige deutsche Textil-Hersteller haben sogar ihre Produktion umgestellt, um die Nachfrage zu bedienen. Recherchen zeigen nun, wie einige dubiose Händler die Angst auszunutzen versuchen.

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Über ein Dutzend grüne Virenkugeln fliegen auf einen Menschen zu. Doch die Figur in der Animation ist durch eine Plastikschild vor dem Gesicht geschützt. Das behauptet zumindest eine Werbeanzeige, die derzeit auf Facebook geschaltet ist und zum Kauf einer Schutzmaske animieren soll.

Der Link führt zu einem Onlineshop – zwar mit deutscher Domain, aber gänzlich ohne Impressum und mit einer Telefonnummer die nach Nordamerika verweist. Wir haben uns diesen und andere Händler näher angeschaut. Einige versuchen offenbar mit der Angst vor dem Coronavirus gezielt Geld zu verdienen.

Daneben gibt es deutsche Produzenten, die tatsächlich helfen wollen. Mitunter ist schwer zu beurteilen, wer die Situation nur ausnutzt und wer ungewöhnliche Wege geht, um die Coronakrise zu überstehen. Besonders deutlich wird das bei einem Händler aus Bayern, der mit uns offen über sein Geschäft gesprochen hat.

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Masken in Deutschland-Farben

In der Coronakrise boomt der Markt von Mundschutz-Lösungen und Atemschutzmasken (den Unterschied erklären wir hier). Die Nachfrage scheint insbesondere zu steigen, nachdem Österreich eine Mundschutzpflicht für Supermärkte eingeführt hat, erste deutsche Städte diesem Vorbild gefolgt sind und ebenfalls das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes in öffentlichen Gebäuden vorschreibt sowie nun auch das Robert-Koch-Institut die Nutzung in einigen Fällen empfiehlt.

Viele Händler reagieren: Facebook-Nutzer werden mit entsprechenden Anzeigen förmlich bombardiert. Die Anbieter bewerben Mundschutzmasken aus "100 Prozent Baumwolle mit Vliesfilter", "in neuesten Trend-Designs", als Einweg- oder als waschbare Variante. Sogar Masken in Schwarz-Rot-Gold werden angeboten. Und viele Anbieter drängen auf einen sofortigen Kauf: "Unsere Masken sind wieder begrenzt auf Lager", heißt es etwa. Oder: "Angebot endet Freitag".

Problematisch ist, dass viele Anbieter Schutz vor "schädlichen Viren oder Bakterien" suggerieren, den der Mundschutz gar nicht bieten kann, wie bei der "GeniuslyMaske". Die "Atemschutzmaske" ist angeblich mit "militärischer Filtertechnologie" ausgestattet. Ein anderer Anbieter, "SuperTiger", vertreibt einen "FullCover™ Antiviuren Gesichtsschutz", an anderer Stelle ist von "Antivirren Gesichtsschutz" die Rede (alle Fehler im Original).

Dieser biete "eine vollständige Isolation gegen Viuren". "SuperTiger" behauptet sogar "die meisten Bestände (...) bereits an Gesundheitseinrichtungen gespendet" zu haben. Unsere Redaktion hat den Händler per E-Mail um einen entsprechenden Nachweis gebeten, bisher hat er nicht reagiert.

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Werbung mit einem Arzt, den es nicht gibt

Die erwähnten und etliche andere offensiv beworbenen Masken sind nicht zertifiziert. Das könnte sogar rechtliche Konsequenzen haben, wie der Münchner Rechtsanwalt Phil Salewski ausführt: "Atemschutzmasken, die der Verhinderung der Verbreitung von Erregern dienen sollen, (gelten) grundsätzlich als Medizinprodukte im Sinne des Medizinproduktegesetzes".

In seinem Beitrag auf der Webseite seiner Kanzlei betont Salewski auch mit Blick auf eine fehlende CE-Kennzeichnung: "Problematisch ist nun, wenn der Händler die Selbstanfertigungen mit einer Bezeichnung versieht, die einen medizinischen Erfolg versprechen und/oder das Produkt qualifiziertem medizinischen Equipment gleichstellen."

Der Anbieter der "GeniuslyMaske" agiert dabei besonders dreist: Er zitiert auf seiner Webseite einen angeblichen Arzt: "Ich Benutze GeniuslyMaske™. (...) (Diese) Sorgen Dafür, Dass Die Menschen Bei Richtiger Anwendung Sicher Sind." Ähnlich eklatante Rechtschreibfehler finden sich auf der gesamten Webseite, obwohl "GeniuslyMaske" vorgibt, eine deutsche Firma zu sein. Dafür gibt es aber keine Hinweise: Keine Adresse, keine Telefonnummer, noch nicht einmal eine Kontakt-E-Mail-Adresse.

Auch den vorgeblichen "Dr. Markus Tittel" gibt es nicht – zumindest nicht so, wie suggeriert. Sein Bild taucht nämlich auf etlichen anderen Webseiten auf. Mal als Jack Spand bei einer Beraterfirma aus Moskau, mal als britischer Immobilienmakler oder als US-Personaldienstleister. Der Name eines Allgemeinmedizinern aus Jena musste offenbar für die Webseite herhalten. Der Arzt sieht tatsächlich völlig anders aus.

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"Viele Onlineshops versenden gar nicht"

Ein Händler aus Bayern hat unserer Redaktion erklärt, wie das Geschäft mit den Masken funktioniert. Marco F. behauptet: "Viele Onlineshops versenden gar nicht." Die Wut geprellter Kunden bekommt er selbst ab, unter der Facebook-Anzeige seines Shops häufen sich die negativen Kommentare. "Sie denken, dass keiner mehr Masken hat und alle Online-Händler Betrüger sind", sagt F.

Doch wie kann er selbst garantieren, dass seine Kunden beliefert werden? Wie läuft das Geschäft ab? Und findet er es verwerflich, mit den Sorgen der Menschen Geld zu verdienen?

"Ich mache das ganz alleine und nebenbei", sagt F. Der 23-Jährige aus Niederbayern stellte erst am Sonntag seinen Shop online. Dort verkauft er nur ein einziges Produkt: Einweg-"Atemschutzmasken", ihm zufolge nach dem Standard KN95 NR zertifiziert (entspricht einer mindestens 95-prozentigen Filtration). Zu haben im zweier, fünfer, zehner oder fünfziger Pack. Preisspanne: 19,99 Euro bis 199,99 Euro.

"Das ganze läuft über Streckenhandel, der Lieferant sitzt in China", erzählt F. Die Kontakte habe er bereits gehabt, er agiert als Vermittler. Der Hersteller liefert direkt an die Endkunden – in sieben bis zwanzig Werktagen, wie F. beteuert.

Er schalte am Tag Online-Werbung für 200 Euro, sein Umsatz belaufe sich täglich auf etwa 2000 Euro, erzählt er am Telefon. Wie groß die Gewinnmarge ist, will er nicht verraten. Nur so viel: Sie sei "normal". F. könne verstehen, dass es für viele aussehe, als verlange er immense Preise. "Aber wegen der Knappheit der Produkte ist der Einkaufspreis auch sehr hoch."

F. studiert Wirtschaftsingenieurwesen und befinde sich im letzten Semester. Er gibt zu: "Ich mache das nicht gerne, ich habe mich lange gesträubt." Er biete normalerweise Beratungsdienstleistungen an, doch die Nachfrage sei wegen der Coronakrise stark nach unten gegangen. Als er bei einem Bekannten aus München gesehen habe, dass dieser bis zu 200.000 Euro am Tag mit Masken umsetze, habe er sich entschlossen auch selbst zu handeln.

Produktion auf Schutzmasken umgestellt

Neue Wege in der Coronakrise geht auch der schwäbische Bekleidungshersteller Trigema. Er hat seine Produktion teilweise auf Mund- und Nasenschutz-Masken umgestellt. 50 Prozent seines Absatzes seien zuvor weggebrochen, berichtete Trigema-Inhaber und -Geschäftsführer Wolfgang Grupp am Donnerstag im Deutschlandfunk.

Offenbar aufgrund der schnellen Umstellung auf die Herstellung von Masken brummt das Geschäft aber wieder, wie Grupp erzählt. Es gebe Vollbeschäftigung und die Mitarbeiter "arbeiten auf freiwilliger Basis auch am Samstag", so groß sei laut Grupp die Nachfrage. 120.000 Masken könne man in einer Woche produzieren, erklärt eine Trigema-Sprecherin auf Anfrage unserer Redaktion. "Wir haben bis heute Bestellungen für circa eine Million Mundschutzmasken, die wir aber noch nicht alle bestätigen können."

Im Onlineshop von Trigema kostet das Zehnerpack 120 Euro, die Masken könne man waschen und kochen und seien wiederverwertbar. Allerdings sind sie nicht für intensivmedizinische Bereiche geeignet, da sie nicht die Schutzklassen FFP2 oder FFP3 erfüllen, wie Trigema-Chef Grupp auch selbst betont. "Bei einer Abnahmemenge von 1000 Stück liegt der Stückpreis bei 6 Euro zuzüglich Mehrwertsteuer", erklärt die Unternehmenssprecherin. Es hätten sich bereits einige Kliniken, Pflegeheime und Behörden an Trigema gewandt.

Ungewöhnliche Lösungen in ungewöhnlichen Zeiten

Der sächsische Textilhersteller Frottana arbeitet sogar direkt mit dem Landkreis Görlitz zusammen. Die Behörde hatte mit Blick auf sinkende Schutzmasken-Vorräte die Initiative ergriffen und bei dem Unternehmen angefragt, das normalerweise vor allem Handtücher herstellt.

Für die örtlichen Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen produziert Frottana nun auch Mund-Nasen-Schutz-Masken. Einzelstückpreis hier: 4,46 Euro, wie eine Sprecherin des Landkreises unserer Redaktion auf Anfrage mitteilte. Ihr zufolge handele es sich sogar um "ein viren- und bakteriendichtes Produkt", dass ebenfalls kochfest und wiederverwendbar sei.

Die Beispiele zeigen, dass ungewöhnliche Zeiten mitunter ungewöhnliche Lösungen hervorbringen. Doch zwischen vielen weißen Schutzmasken blitzen auch immer wieder schwarze Schafe hindurch. Ebenso darf nicht vergessen werden: Das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes schützt nicht vor der Ansteckung mit dem Coronavirus. Es vermindert aber die Möglichkeit einer Übertragung von sich selbst auf andere. Doch das tut auch ein Schal oder ein Schlauchtuch aus dem eigenen Kleiderschrank.

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