• Die WHO könnte die Affenpocken als "Notlage von internationaler Tragweite" einstufen.
  • Trotzdem droht keine Pandemie wie beim Coronavirus. Was Sie wissen müssen.
  • Ein Überblick über die wichtigsten Fragen und Antworten

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Die Corona-Pandemie ist noch nicht vorbei - und erneut beraten Fachleute darüber, ob wegen eines Krankheitserregers eine Notlage von internationaler Tragweite ausgerufen werden sollte. Was droht mit den Affenpocken? Die Zahl der Affenpocken-Nachweise steigt in Deutschland und mehr als 40 anderen Ländern. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat deshalb einen Affenpocken-Notfallausschuss einberufen. Unabhängige Fachleute beraten am Donnerstag, ob die öffentliche Gesundheit in größerem Umfang bedroht ist.

Dann würden sie die Ausrufung einer "Notlage von internationaler Tragweite" empfehlen. Letztlich liegt die Entscheidung bei der WHO. Das Ergebnis der Beratungen des Expertenrats dürfte erst am Freitag bekannt werden. Die EU wollte zuletzt mehr als 100.000 Dosen Impfstoff bestellen.

Affenpocken: Warum trifft sich der Ausschuss?

Die WHO ist wegen der Häufung der gemeldeten Fälle besorgt. Das Virus verhalte sich ungewöhnlich und es seien immer mehr Länder betroffen, sagte WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus. Bis Mitte Juni wurden der WHO gut 2100 Fälle gemeldet. Seitdem hat sich die Zahl aber allein in Deutschland schon verdoppelt. Beunruhigend für die WHO ist, dass 98 Prozent der Fälle in Ländern entdeckt wurden, in denen das Virus bislang praktisch unbekannt war, und nicht aus den afrikanischen Ländern, die Ansteckungen seit Jahrzehnten kennen. "Wir wollen nicht warten, bis die Situation außer Kontrolle geraten ist", sagte WHO-Spezialist Ibrahima Socé Fall zur Einberufung des Ausschuss.

Was bedeutet es, wenn eine Notlage ausgerufen wird?

Die Erklärung einer Notlage (PHEIC - Public Health Emergency of International Concern) ist die höchste Alarmstufe, die die WHO zünden kann. Unmittelbare praktische Auswirkungen hat das nicht. Vielmehr soll dies die Aufmerksamkeit der 194 Mitgliedsländer erhöhen. Der Expertenrat gibt Empfehlungen: etwa, dass Kliniken und Praxen nach Fällen Ausschau halten und mit Aufklärung dafür sorgen sollen, dass sich möglichst wenig Menschen anstecken. Der Rat begutachtet auch "das Risiko einer internationalen Ausbreitung und Risiken für den internationalen Verkehr", sagt WHO-Sprecherin Carla Drysdale. Welche Schlüsse Regierungen daraus ziehen, bleibt ihnen selbst überlassen.

Wenn die Notlage erklärt wird: Muss die Welt sich auf eine Pandemie wie mit dem Coronavirus einstellen?

Nein. Zwar hat die WHO auch nach dem Auftauchen von Sars-CoV-2 am 30. Januar 2020 eine "Notlage von internationaler Tragweite" erklärt. Aber die Krankheiten lassen sich überhaupt nicht miteinander vergleichen.

Affenpocken werden nach bisherigem Kenntnisstand hauptsächlich durch engen Körperkontakt von Mensch zu Mensch übertragen. Nach WHO-Angaben sind 99 Prozent der bisher Betroffenen Männer bis 65 Jahre, die Sex mit Männern haben. Generell kann sich aber jeder infizieren, der engen körperlichen Kontakt mit Infizierten hat. Dagegen verbreitet sich das Coronavirus Sars-CoV-2 über virenhaltige Aerosole, die beim Atmen, Husten und Sprechen von Infizierten entstehen. Die Aerosole können über längere Zeit in der Luft bleiben, was zur schnellen Übertragung beiträgt.

Bei Corona gab es am 30. Januar 2020 gut 20.000 bestätigte und wahrscheinliche Infektionen mit dem neuen Virus in China, sowie 83 gemeldete Fälle in anderen Ländern. Bei Affenpocken meldete die WHO Stand 15. Juni gut 2100 Fälle aus gut 40 Ländern.

Was spricht für und was gegen die Erklärung einer globalen Notlage?

Zunächst einmal: Gesundheitsexperten in Genf halten es für eher unwahrscheinlich, dass der Ausschuss schon bei seinem ersten Treffen die Erklärung einer Notlage empfiehlt.

Dagegen spricht: Die Infektionszahlen steigen nicht explosiv, weil die Übertragung nach jetzigem Kenntnisstand deutlich schwieriger ist als bei Corona. Beim aktuellen Ausbruch werden bisher in der Regel auch keine schweren und tödlichen Krankheitsverläufe beobachtet. Außerdem handelt es sich beim Affenpocken-Erreger um ein DNA- und kein RNA-Virus wie Sars-CoV-2: DNA-Viren sind träger und mutieren kaum. Deshalb werden immer ansteckendere Varianten wie bei Corona nicht so schnell erwartet. Es gibt auch anders als beim Beginn von Corona bereits einen Impfstoff. Der wurde gegen Menschenpocken entwickelt, ist aber auch gegen Affenpocken wirksam.

Dafür spricht: Das Virus verhält sich anders als bislang bekannt war. Affenpocken sind eigentlich eine Krankheit bei Nagetieren in West- und Zentralafrika. Vereinzelt springen sie dort auf Affen und auch auf den Menschen über. Eine Übertragung von Mensch zu Mensch ist bei engem Kontakt möglich. Dass sich das Virus auch in Europa ausbreitet, ist neu.

Die WHO ist mehrfach scharf kritisiert worden, weil sie zu spät auf Bedrohungen reagiert hat. Nach dem Ebola-Ausbruch in Westafrika 2013 hat sie erst im August 2014 mit Notfallmaßnahmen reagiert. Mehr als 11.000 Menschen kamen ums Leben. Auch bei Corona wurde ihr das vorgeworfen. Problem war aber mehr, dass sich viele Länder - auch Deutschland - trotz aller WHO-Warnungen im Januar 2020 zu lange fälschlicherweise gut gewappnet fühlten. Bis heute hat die WHO mehr als 530 Millionen Corona-Infektionen und mehr als 6,3 Millionen Todesfälle registriert. Sie geht von einer hohen Dunkelziffer aus.

Affenpocken: Wie ist die Lage in Deutschland?

Mit Stand 22. Juni haben 14 Bundesländer Affenpocken-Nachweise gemeldet, mit insgesamt rund 520 Betroffenen. Eine weitere Zunahme wird erwartet. "Es scheint weiterhin möglich, den aktuellen Ausbruch in Deutschland zu begrenzen, wenn Infektionen rechtzeitig erkannt und Vorsichtsmaßnahmen umgesetzt werden", schreibt das Robert Koch-Institut. (dpa)

Affenpocken

Stigmatisierend: WHO will Namen der Affenpocken ändern

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) will den Affenpocken einen neuen Namen geben. Es gibt seit langem Bestrebungen, Krankheiten nicht mehr nach Tieren oder Regionen zu benennen, um jeglicher Möglichkeit von Diskriminierung oder Stigmatisierung vorzubeugen. (Photocredit: IMAGO / Westlight)
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