Was wie blinder Vandalismus aussieht, könnte sich als gezielte Tat entpuppen. Unbekannte haben in mehreren Museen im Zentrum von Berlin Kunstwerke beschädigt. Hinter den Attacken könnten Menschen stehen, die an einen Verschwörungsmythos glauben.
Die Täter müssen großflächig gewütet haben. Die Staatlichen Museen zu Berlin gehen vom bisher umfangreichsten Schaden für die Häuser der Museumsinsel aus. Ein oder mehrere bisher unbekannte Täter haben vermutlich am Tag der Deutschen Einheit insgesamt 63 Kunstwerke mit einer Flüssigkeit beschädigt. Darunter befinden sich auch drei oder vier Leihgaben, wie die Vize-Generaldirektorin der Museen, Christina Haak, erklärte.
Ein Gesamtschaden könne erst nach Ende der Restaurationsarbeiten benannt werden, sagte Haak am Mittwoch in Berlin während einer Pressekonferenz von Museen und Polizei. Von der Attacke betroffen sind Neues Museum, Pergamonmuseum und Alte Nationalgalerie, die sich alle drei im Herzen der Hauptstadt befinden.
Nach Auswertung der Videokameras gibt es keine Hinweise auf Täter. Auch das Personal habe bisher keine Beobachtungen machen können. Zu der Flüssigkeit machte die Polizei aus ermittlungstaktischen Gründen keine näheren Angaben. Nur so viel: Sie war farblos, nicht ätzend und ölig. Wie die Flüssigkeit aufgebracht wurde, ist ebenfalls noch nicht klar.
Auf den beschädigten Objekten waren kleine Flecken zu sehen. Nach Angaben der "Zeit" befinden sich unter den attackierten Objekten ägyptische Sarkophage, Steinskulpturen und Gemälde des 19. Jahrhunderts. Einen Zusammenhang zwischen den Kunstwerken konnten die Ermittler bisher nicht ausmachen.
Angriff wegen auf Telegram verbreiteter Verschwörungsmythen?
Ob der mutmaßliche Tattag, der 3. Oktober, absichtlich gewählt wurde, war zunächst unklar. Hinweise auf ein mögliches Motiv geben die Telegram-Kanäle einiger Verschwörungsideologen, darunter der von
Der Vegan-Koch hatte in den vergangenen Monaten auf seinem öffentlich einsehbaren Telegram-Kanal immer wieder behauptet, dass sich im Pergamonmuseum der "Thron des Satans" befinde. Dieser sei das Zentrum der "globalen Satanisten-Szene und Corona-Verbrecher". Weiter heißt es in einer Nachricht: "Hier machen sie nachts ihre Menschenopfer und schänden Kinder!"
Zudem sollen angeblich Gänge existieren, die direkt in die Wohnung von
Am Mittwochabend legte Hildmann auf seinem Kanal nach. Er schreibt dort mit Bezug auf die Berichterstattung über die Attacke: "FAKT! ES IST DER THRON DES BAAL (SATANS) UND SATANISTIN MERKEL WOHNT 50 METER DAVON ENTFERNT [...]"
Der Linken-Abgeordnete Niema Movassat hält den 39-Jährigen für "brandgefährlich". Der Fall "zeigt einmal mehr, dass Hildmann endlich das Handwerk gelegt werden muss", twitterte Movassat. Wegen des Verdachts der Volksverhetzung, Bedrohung und Verharmlosung des Holocausts ist Hildmann bereits ein Fall bei der Justiz.
Wohl auch in der aktuellen Angelegenheit: "Es wird in alle Richtungen ermittelt", sagte ein Sprecher am Mittwoch zur möglichen Rolle Hildmanns und seiner Anhänger. Die Spekulationen seien der Polizei bekannt.
LKA ermittelt in "alle Richtungen"
Das Landeskriminalamt (LKA) sucht derweil nach möglichen Zeugen, die am 3. Oktober etwas beobachtet haben. Der überwiegende Teil der rund dreitausend Besucher habe ein Ticket an der Tageskasse gekauft, wo wegen der Hygienekonzepte in den Museen keine persönlichen Daten erhoben werden müssen, erklärte der zuständige Kriminaldirektor Carsten Pfohl.
Das LKA-Kommissariat Kunstdelikte ermittelt laut "Tagesspiegel" wegen "gemeinschädlicher Sachbeschädigung".
Die Museumsinsel gehört seit 1999 zum Unesco-Weltkulturerbe. Anfang Oktober feierte das Pergamonmuseum seinen 90. Geburtstag. Benannt ist es nach seiner bekanntesten Attraktion, dem Pergamonaltar. Er stammt aus dem 2. Jahrhundert vor Christus und gehörte zur Residenz der mächtigen Könige von Pergamon, die im Westen der heutigen Türkei eine Kulturmetropole nach dem Vorbild Athens schufen.
Als eines der wenigen Museen in Deutschland lockt das Pergamon jährlich mehr als eine Million Menschen an – wenn es komplett geöffnet ist. Die zwischen zwei Spreearmen gelegene Gruppe aus Altem Museum, Bode-Museum, Alter Nationalgalerie, Neuem Museum mit der berühmten ägyptischen Pharaonen-Büste der Nofretete und der James-Simon-Galerie als jüngstem Bau zog zusammen knapp 3,1 Millionen Menschen an. (dpa/mf)
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.