- In Großbritannien wurde eine Frau tot aufgefunden. Sie wurde vermutlich von einem Mann ermordet.
- Gewalt gegen Frauen ist auf der Insel kein Einzelfall.
- Inzwischen hat ein Aufschrei die Regierung unter Druck gesetzt.
Es ist, als habe sich etwas Tiefsitzendes endlich gelöst. Zu Tausenden berichten Frauen in Großbritannien über ihre Furcht vor dem einsamen Nachhauseweg.
Es sind eindrückliche Schilderungen von der Angst im Nacken, wenn sie einen männlichen Fußgänger hinter sich wissen. Wie sie ihre Schlüssel fester greifen, wie sie extra Turnschuhe angezogen haben, immer bereit zur Flucht.
"Jede Frau, die du kennst, ist schon verängstigt nach Hause gegangen", fasst die Rechtsanwältin Harriet Johnson auf Twitter die Berichte zusammen. Es wirkt wie ein gemeinsamer Aufschrei gegen Gewalt, die viele Frauen im Land von Männern erleben mussten.
Vermisste Sara E. ist tot
Doch dieser Aufschrei erfolgt nicht ohne Grund. Es ist ein weiterer, furchtbarer Kriminalfall, der das Land derzeit in Atem hält: Die seit gut einer Woche vermisste Sarah E. ist tot.
Die 33-Jährige ging abends von einer Freundin nach Hause, rund 50 Minuten hätte sie gebraucht. Doch sie kam nie an.
Stattdessen wurde die 33-Jährige von einer Straße in Südlondon entführt und getötet. In einem Waldstück in der Grafschaft Kent fand die Polizei eine Leiche.
Am Freitag bestätigten die Beamten: Es handelt sich um Sarah. Unter dringendem Tatverdacht steht ein Polizist und zweifacher Vater. Der Fall habe "Schockwellen" durch die Londoner Polizei gejagt, betont die Behörde.
Doch vor allem ist der Schock groß über eine weitere von einem Mann getötete Frau. Zwar beeilte sich Londons Polizeichefin Cressida Dick zu betonen, dass eine Entführung auf offener Straße eine absolute Seltenheit sei. Die zahlreichen Berichte in sozialen Netzwerken werfen aber ein anderes Licht auf das Thema - wie auch Umfragen.
Fast jede junge Frau in GB sexuell belästigt worden
Fast jede junge Frau in Großbritannien ist eigenen Angaben zufolge sexuell belästigt worden, wie die britische Vertretung der UN-Organisation für Geschlechtergerechtigkeit (UN Women UK) mitteilte. Doch nur 4 Prozent der Betroffenen meldeten demnach den Vorfall - und 45 Prozent glaubten nicht, dass sich dadurch etwas geändert hätte.
"Vielleicht ist das Schockierendste an diesen Zahlen, dass sie nicht überraschend sind", kommentierte das Online-Portal "Politico". Die Chefin von UN Women UK, Claire Barnett, sprach von einer "Menschenrechtskrise".
Die Täter bilden dabei Berichten zufolge das gesamte Spektrum der Gesellschaft ab - vom angetrunkenen Belästiger bis zum scheinbar braven Familienvater. Dieses Problem sexueller Gewalt ist jedoch keinesfalls auf Großbritannien beschränkt.
Auch in Deutschland gibt es zahlreiche Vorfälle. Für Aufsehen sorgte im vergangenen Jahr, als die Moderatoren Joko Winterscheidt und Klaas Heufer-Umlauf ein Schlaglicht auf sexuelle Übergriffe gegen Frauen warfen.
Sie ließen die Autorin und Journalistin Sophie Passmann zur besten Sendezeit durch die fingierte Kunstausstellung "Männerwelten" führen, um verschiedene Facetten des Themas anzusprechen.
"Für mich gilt eine Ausgangssperre. Wie für alle Frauen"
In Großbritannien hat die Diskussion nun die Politik erreicht. Die Regierung von Premierminister Boris Johnson hat für dieses Jahr ein Gesetz angekündigt, das Gewalt gegen Frauen und Mädchen in Angriff nehmen soll.
Die Regierungsstrategie müsse eine bedeutende Veränderung bewirken, forderte die Aktivistin Nimco Ali. "Es scheint immer weniger sichere Räume zu geben, in denen Frauen nicht von männlicher Gewalt bedroht sind", sagte Ali zu "Politico".
"Von den Straßen unserer Heimatstädte bis zu unseren Häusern ist das Leben von Frauen gefährdet." Die Schriftstellerin Caitlin Moran twitterte: "Ich bin 45, es ist 2021, und für mich gilt eine Ausgangssperre. Wie für alle Frauen." Und es gebe keine Pläne, dies zu ändern.
Auch wegen solcher Vorwürfe hat die Regierung rasch auf das Verschwinden von Sarah E. reagiert. Premierminister Johnson mahnte eine schnelle Aufklärung an.
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Regierung unter Druck
Doch die Regierung ist unter Druck. Es gebe Regierungsstudien zum Erfolg des Corona-Impfprogramms oder zu Wirtschaftshilfen, aber nicht zu den Opfern häuslicher Gewalt, sagte Jess Phillips von der Labour-Partei. "Tote Frauen sind etwas, das wir alle als Teil unseres täglichen Lebens akzeptiert haben", kritisierte die Oppositionspolitikerin im Parlament.
"Getötete Frauen sind nicht verschwindend selten. Getötete Frauen sind häufig." Dann las Phillips die Namen von 120 Frauen vor, die im vergangenen Jahr von Männern getötet wurden. Sie benötigte mehr als vier Minuten. Im kommenden Jahr steht auch Sarahs Name auf der Liste. (dpa/msc)
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