• Ein riesiges Containerschiff hat sich im Suezkanal quer gestellt und blockiert die Wasserstraße vollständig.
  • Bereits seit Tagen arbeiten Schlepperboote und Bagger an der Befreiung der "Ever Given".
  • Doch warum dauert das Freilegen des Schiffes so lange und welche Folgen hat der Unfall für Europas Wirtschaft?

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Wie ein Stöpsel hat das Containerschiff "MV Ever Given" eine der wichtigsten Handelsrouten der Welt blockiert. Am Dienstag strandete das 400 Meter lange und 59 Meter breite Schiff. Seitdem steht der Koloss, der in etwa so voluminös wie das Empire State-Building in New York ist, quer im Suezkanal.

Nichts geht mehr. An dem Schiff ist kein Vorbeikommen, auf beiden Seiten des Kanals hat sich ein langer Stau gebildet. Bereits seit Tagen versuchen Schlepper und Bagger das Schiff zu befreien, bisher vergebens.

Wir erklären, warum das Freilegen so lange dauert und welche Folgen der Unfall für Europas Wirtschaft hat.

Warum hat sich die "Ever Given" im Suezkanal quergestellt?

Das ist noch nicht abschließend geklärt.

Vermutlich stellte sich die "Ever Given" wegen schlechter Sicht in einem Sandsturm quer. "Erste Untersuchungen deuten darauf hin, dass das Schiff aufgrund von starkem Wind auf Grund gelaufen ist", teilte das Hamburger Bernhard Schulte Shipmanagement (BSM) mit. Die Firma ist für das technische Management des Containerschiffs verantwortlich.

Die von der taiwanesischen Evergreen Line betriebene und unter der Flagge Panamas fahrende "Ever Given" war von China auf dem Weg nach Rotterdam in den Niederlanden und sollte danach Anfang April Hamburg anlaufen.

Vor Havarie: Crew der "Ever Given" malte anzügliches Bild ins Meer

Das Containerschiff "Ever Given" versperrt weiterhin den Suezkanal. Vor dem Unfall hatte sich die Crew offensichtlich sehr gelangweilt – wie Tracker-Daten zeigen.

Wie lange dauert es noch, bis das Schiff weiterfahren kann?

Dazu gibt es sehr unterschiedliche Angaben.

Nach Angaben eines Vertreters der ägyptischen Regierung dauert die Blockade des Suezkanals höchstens noch drei Tage. Die Schifffahrt auf dem Kanal zwischen Rotem Meer und Mittelmeer werde "binnen 48 bis 72 Stunden höchstens wieder aufgenommen" werden, sagte der Berater von Ägyptens Staatschef Abdel Fattah al-Sisi für Seehäfen, Mohab Mamisch, am Donnerstagabend der Nachrichtenagentur AFP.

Als ehemaliger Chef der Behörde für den Suezkanal habe er bereits mehrere Bergungsaktionen miterlebt, führte Mamisch aus. "Ich kenne jeden Zentimeter des Kanals." Von der Kanal-Behörde veröffentlichte Fotos zeigen Bagger, die Schlamm unter dem Containerschiff wegschaufelten, während Schlepperboote an ihm zogen – bisher aber ohne Erfolg.

Andere Experten sind weitaus skeptischer. Der Eigentümer, die japanische Leasingfirma Shoei Kisen Kaisha, hatte vor bereits Mamischs Äußerungen mitgeteilt, es sei "extrem schwierig", die "Ever Given" wieder flottzubekommen. Das Schiff zählt zu den längsten der Welt und ist fast doppelt so lang wie der Kanal an der Stelle breit ist.

Die Kanalverwaltung hat mehrere Schlepper entsandt, auch ein Team der niederländischen Spezialfirma Smit Salvage machte sich auf den Weg. "Das ist, könnte man sagen, ein gestrandeter Wal", beschrieb der Chef der Mutterfirma Boskalis, Peter Berdowski, die Situation im niederländischen Sender Nieuwsuur. Das Containerschiff wieder in Bewegung zu setzen, könne ihm zufolge "Tage oder Wochen dauern".

Sollte es nicht gelingen, den Containerriesen mithilfe von Schleppern wieder flottzumachen, müsse ein Teil der Ladung mit Kränen vom Schiff geholt werden, erklärte die Firma Braemar, spezialisiert auf Dienstleistungen für die Schifffahrt. Auch Braemar geht davon aus, dass dies Tage, vielleicht Wochen dauern könnte.

Wie geht es der Besatzung der "Ever Given"?

Die 25 Besatzungsmitglieder der "Ever Given" seien in Sicherheit, erklärte die Firma BSM. Es gebe keine Umweltverschmutzung und keinen Schaden an der Fracht.

Warum nehmen andere Schiffe keine andere Route?

Der 1869 eröffnete Suezkanal verkürzt die Handelsverbindung zwischen Asien und Europa erheblich. Die Strecke von Singapur nach Rotterdam verringert sich durch den Kanal um annähernd 6000 Kilometer beziehungsweise rund 10 bis 15 Tage gegenüber der Fahrt um das Kap der Guten Hoffnung an der südlichen Spitze Afrikas.

Trotz hoher Kanalgebühren können die Reedereien durch die Abkürzung mitunter gut 30 Prozent Kosten sparen. Das unberechenbare Wetter am Kap ist ein weiterer Grund, warum viele den kürzeren Weg wählen. Im vergangenen Jahr passierten fast 19.000 Schiffe die Wasserstraße, annähernd 50 jeden Tag.

Sowohl im Mittelmeer als auch im Roten Meer warten derzeit hunderte Schiffe. Die Kapitäne hoffen, dass sie den Umweg nicht fahren müssen. Die Reederei-Riesen Maersk und Hapag-Lloyd teilten aber bereits mit, sie würden prüfen, ob sich die Ausweichroute ihrer Schiffe um das Kap der Guten Hoffnung rechne.

Was sind die Folgen für die Weltwirtschaft?

Die Blockade ließ zeitweilig den Ölpreis ansteigen, da der Suezkanal für den internationalen Ölhandel eine hohe Bedeutung hat.

Laut Bundesverband der Deutschen Industrie sind zudem bereits internationale Logistik-Turbulenzen zu spüren. Zentrale Lieferketten drohen demnach aufgrund mangelnder Container, unpünktlicher Schiffe und fehlender Transportkapazität ins Stocken zu geraten.

Zumindest auf den Hamburger Hafen hat der Unfall aber noch keine gravierenden Auswirkungen – er könnte aber zu einem Problem für Europas drittgrößte Anlaufstelle für Seeschiffe werden. "Der Suezkanal ist nun mal die Hauptverbindungsroute zwischen Fernost und Europa", sagte die Vorstandsvorsitzende des Hamburger Hafenkonzerns HHLA, Angela Titzrath, am Donnerstag. "Deswegen hoffen wir natürlich sehr, dass es nicht zu langfristigen Störungen im Kanal kommt – und dann eben zu wirklich dramatischen Verzögerungen im Fahrplan."

In der Regel sind ein paar Tage Verzögerung bei Containerschiffen kein Problem. Dutzende Schiffe warten nun allerdings bereits seit vier Tagen auf eine Weiterfahrt und bislang ist kein Ende abzusehen. Laut BBC kommen durch die Blockade schätzungsweise 10 Milliarden US-Dollar an täglichem Schiffsverkehr und Gütertransport zum Erliegen.

Der Suezkanal war schon mehrfach gesperrt – etwa in der Suez-Krise 1956, nachdem Ägypten den Kanal verstaatlicht hatte und deshalb von Israel, Großbritannien und Frankreich angegriffen worden war. Infolge des Sechs-Tage-Krieges zwischen Israel und Ägypten blockierte Kairo den Kanal von Anfang Juni 1967 bis Juni 1975. 2018 musste der Kanal nach einer Schiffskollision kurzzeitig geschlossen werden. (dpa/afp/mf)

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