In Deutschland gibt es erhebliche Unterschiede zwischen einzelnen Regionen. Das Bundeskabinett möchte am Mittwoch seine Empfehlungen vorstellen, damit sich das ändert. Die Struktur- und Förderpolitik soll nicht mehr nur nach Ost und West ausgerichtet werden. Doch bereits im Vorfeld wird die Regierung kritisiert.
Die von der Bundesregierung eingesetzte Kommission zur Untersuchung der Lebensverhältnisse hat einem Medienbericht zufolge erhebliche Unterschiede zwischen einzelnen Regionen in Deutschland festgestellt.
Es bestünden regional "erhebliche Disparitäten" beim Einkommen, den Arbeitsplätzen, bei der Verkehrs- und Mobilfunkanbindung sowie beim Zugang zu Angeboten der Grundversorgung, heißt es im Abschlussbericht der Regierungskommission "Gleichwertige Lebensverhältnisse". Dieser liegt den Zeitungen der Funke-Mediengruppe vor.
Als Ziel wird genannt, "eine Verfestigung oder sogar Ausweitung bestehender Disparitäten zu verhindern".
Neujustierung der Struktur- und Förderpolitik
Den Funke-Zeitungen zufolge will die Regierung eine Neujustierung ihrer Struktur- und Förderpolitik beschließen, die nicht länger nach Ost und West, sondern nach "Bedarfslagen" ausgerichtet werden soll.
Dazu gehöre auch die Selbstverpflichtung der Regierung, gleichwertige Lebensverhältnisse in allen Regionen als "Richtschnur bei allem politischen Handeln" zu nehmen.
An diesem Mittwoch wollen Innenminister Horst Seehofer (CSU), Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) und Familienministerin Franziska Giffey (SPD) die Ergebnisse vorstellen. Das Kabinett hatte die Kommission von Bund, Ländern und Kommunen im Juli 2018 eingesetzt.
Am Mittwoch will nur die Bundesseite ihre Ergebnisse präsentieren. Die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" hatte berichtet, die Kommission werde von Querelen überschattet.
Am Sonntag gab Forschungsministerin Anja Karliczek bekannt, dass bis 2024 zur Innovationsförderung 600 Millionen Euro in strukturschwache Regionen fließen sollen. "Das ist unser Beitrag, den Zusammenhalt im Land zu stärken", erläuterte die CDU-Politikerin in der "Welt am Sonntag". "Dieser ist zumindest an einigen Stellen brüchig geworden, auch durch die unterschiedliche regionale Entwicklung."
Im Osten fehlen Zukunftschancen
Thüringens CDU-Chef Mike Mohring forderte die schwarz-rote Koalition auf, bei einer Steuerreform das zu liefern, was zugesagt war: "Nämlich Arbeitgeber entlasten, damit sie bessere Löhne zahlen können." Der Osten habe einen riesigen Strukturwandel hinter sich und neue Arbeitsplätze geschaffen, sagte er am Montag vor einer Sitzung des CDU-Präsidiums in Berlin.
Trotzdem fehlten Zukunftschancen, um die Schere zwischen Ost und West zu schließen. Niedersachsens CDU-Chef Bernd Althusmann verlangte zudem vor allem schnellere Planungs- und Genehmigungszeiten beim Thema Mobilität. Bei der Verkehrsinfrastruktur liege die Dauer hier bei teilweise 20 oder 30 Jahren - das sei viel zu lang.
Die Sprecherin für Kommunalpolitik der Grünen-Bundestagsfraktion, Britta Haßelmann, nannte die Arbeit der Kommission "enttäuschend". "Statt des für Juli angekündigten gemeinsamen Abschlussberichts von Bund, Ländern und Kommunen gibt es offenbar nur ein paar Eckpunkte des Bundeskabinetts", erklärte sie in Berlin. Mit der Kommission seien große Erwartungen geweckt worden, die nun aber nicht bedient werden könnten.
Kein Spielraum für notwendige Sanierungen
Gleichwertige Lebensverhältnisse in Deutschland sind nach Ansicht des Deutschen Städte- und Gemeindebundes "die Schicksalsfrage für die Zukunft unseres Landes".
"Wir erwarten endlich konkrete Schritte, um dem Ziel gleichwertiger Lebensverhältnisse in ganz Deutschland näherzukommen", sagte Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg der "Passauer Neuen Presse". "In einigen Gegenden fühlen sich die Menschen teilweise abgehängt."
Landsberg forderte zudem, die "Förderung nach Himmelsrichtungen" zu beenden. Auch ein Ausspielen Stadt gegen Land müsse vermieden werden, sagte der Geschäftsführer des Verbands.
Der Präsident des Deutschen Städtetages, Burkhard Jung, forderte die Bundesregierung auf, "ein Zeichen für die von Altschulden geplagten Städte zu setzen". In der Kommission "Gleichwertige Lebensverhältnisse" habe es dazu keine Einigung gegeben.
"Umso mehr rufen wir als Städte dem Bund zu, sich einen Ruck zu geben und an einer Lösung des Altschuldenproblems finanziell mitzuwirken", sagte er den Funke-Zeitungen. Die Städte hätten sonst keinen Spielraum etwa bei notwendigen Sanierungen von Schulen, Schwimmbädern und Straßen. (ff/dpa/afp)
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