Der aktuelle BKA-Bericht zu sexualisierter Gewalt an Kindern fällt düster aus. Mehr als 17.000 Kinder und Jugendliche unter 14 Jahren sind im vergangenen Jahr in Deutschland Opfer von sexuellem Missbrauch geworden - darunter häufig sehr junge Kinder.
Tausende Kinder wurden 2022 in Deutschland Opfer von sexualisierter Gewalt. Das geht aus einem am Montag veröffentlichten Bericht des Bundeskriminalamts (BKA) hervor.
Demnach waren im vergangenen Jahr 17.168 Kinder und Jugendliche unter 14 Jahren von sexuellem Missbrauch betroffen, darunter häufig sehr junge Kinder, wie das BKA in dem sogenannten Bundeslagebild mitteilte. In fast jedem siebten Fall war das Opfer demnach jünger als sechs Jahre.
In mehr als der Hälfte der Fälle kannten sich Opfer und Tatverdächtige, weil sie beispielsweise miteinander verwandt sind oder in irgendeiner Art befreundet waren.
Ein Viertel der Fälle allein in Nordrhein-Westfalen
Etwa ein Viertel der Taten aus dem Jahr 2022 entfiel allein auf Nordrhein-Westfalen, wo einige größere Missbrauchsfälle aufgedeckt wurden. Das BKA nannte als Beispiele die Ermittlungskomplexe zu Lügde, Bergisch Gladbach und Münster.
Mehr Fälle als im Vorjahr wurden 2022 erfasst bei den Ermittlungen zu Verbreitung, Erwerb und Besitz sogenannter kinder- und jugendpornografischer Inhalte. Diese Zahl stieg im Vorjahresvergleich um 7,5 Prozent auf rund 42.100 Fälle. Verglichen mit dem Vorjahr 2021 bedeutete das einen Anstieg um 7,4 Prozent. Die Zahl der Fälle mit jugendpornografischem Inhalt stieg nach Angaben des BKA um rund 32 Prozent auf 6.746 Fälle.
Als Grund für den Anstieg verwies das BKA unter anderem auf vermehrte Hinweise der US-amerikanischen Organisation National Center for Missing and Exploited Children (NCMEC) - einer renommierten Organisation aus den USA, die Hinweise im Zusammenhang mit Straftaten an Kindern entgegennimmt und an die Behörden weiterleitet. 2022 waren es insgesamt 89.850 strafrechtlich relevante Inhalte, die das BKA erreichten und Ermittlungen auslösten.
Ein weiterer Grund für die gestiegenen Fallzahlen ist die unbedachte Verbreitung der Darstellungen durch Kinder und Jugendliche in den sozialen Medien. 40 Prozent der Verdächtigen im Bereich der Verbreitung von Kinderpornografie waren minderjährig. 39,5 Prozent der Verdächtigen im Bereich der Jugendpornografie waren selbst zwischen 14 und 17 Jahre alt.
Erstes Lagebild des BKA zu sexualisierter Gewalt gegen Kinder und Jugendliche
Das BKA veröffentlichte erstmals ein Lagebild "Sexualdelikte zum Nachteil von Kindern und Jugendlichen", in dem die bekannt gewordenen Fälle des sexuellen Missbrauchs von Kindern und Jugendlichen registriert sind. Das BKA geht für das Kriminalitätsfeld von einem noch weit höheren Ausmaß aus. Die Zahl der aufgedeckten Fälle hängt unter anderem davon ab, wie häufig sie angezeigt werden und wie intensiv die Polizei in diesem Bereich aktiv ist.
"Das Bundeslagebild zeigt deutlich das entsetzliche Ausmaß von sexueller Gewalt gegen Kinder und Jugendliche", sagte Bundesinnenministerin Nancy Faser (SPD). "Wir müssen alle Mittel des Rechtsstaats nutzen und optimieren, um junge Menschen besser zu schützen. Kein Täter darf sich sicher fühlen, kein Opfer ohne Hilfe bleiben."
Ziel des neuen Bundeslagebilds sei, durch verbesserte Erkenntnisse Missbrauch frühzeitig zu erkennen, gegen diesen konsequent vorzugehen und Kindern und Jugendlichen ein Aufwachsen fernab sexueller Gewalt zu ermöglichen, ergänzte BKA-Präsident Holger Münch. Es solle dazu beitragen, Bekämpfungs- und Präventionsstrategien passgenau zu entwickeln. (AFP/dpa/ank)
Wenn Sie selbst von häuslicher oder sexualisierter Gewalt betroffen sind, wenden Sie sich bitte an das Hilfetelefon "Gewalt gegen Frauen" - 116 016 oder dessen Online-Beratung, das Hilfetelefon "Gewalt an Männern" - 0800/1239900 oder dessen Online-Beratung, oder an das Hilfetelefon "Sexueller Missbrauch" 0800/225 5530 (Deutschland), die Beratungsstelle für misshandelte und sexuell missbrauchte Frauen, Mädchen und Kinder (Tamar) 01/3340 437 (Österreich) beziehungsweise die Opferhilfe bei sexueller Gewalt (Lantana) 031/3131 400 (Schweiz).
Wenn Sie einen Verdacht oder gar Kenntnis von sexueller Gewalt gegen Dritte haben, wenden Sie sich bitte direkt an jede Polizeidienststelle.
Falls Sie bei sich oder anderen pädophile Neigungen festgestellt haben, wenden Sie sich bitte an das Präventionsnetzwerk "Kein Täter werden".
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