Mit ihren Klebeaktionen sorgte die Letzte Generation für eine Menge Wirbel, dann wurde es etwas stiller um die Klimaaktivisten. Nun kündigt die Gruppe einen "Widerstandsfrühling" an. Aber haben die Aktivsten überhaupt noch Verbündete?
Sechs Wochen nach dem Ende ihrer umstrittenen Klebe-Blockaden plant die Letzte Generation die nächste Runde ihrer Klimaproteste. Zum Start eines "Widerstandsfrühlings" soll es am kommenden Samstag (16. März) an zehn Orten in Deutschland "ungehorsame Versammlungen" geben, das heißt Blockaden durch größere Menschenmengen auf Gehwegen und Straßen. Ob die Klimabewegung damit neuen Schwung holen kann, ist offen. In Zeiten von Kriegen, Wirtschaftsflaute und Demokratieskepsis scheint das Thema plötzlich sehr weit im Hintergrund.
Bei der Pressekonferenz vor dem Schloss Bellevue am Montagmorgen verschluckte ironischerweise teils der Verkehrslärm die Botschaft der Aktivisten. Sie waren extra auf den Gehweg gegenüber vom Amtssitz des Bundespräsidenten gezogen, um ihre Forderungen direkt an
Steinmeier ging auf diese Forderung zunächst nicht ein. Auf Anfrage ließ der Bundespräsident aber zumindest erklären: "Der Klimaschutz hat auch in einer Zeit internationaler Krisen und Kriege nichts an Dringlichkeit verloren." Der Bundespräsident mache fortlaufend auf diese herausragende politische Aufgabe aufmerksam und plane für den 4. und 5. Juni wieder die Woche der Umwelt, um mit Tausenden fachkundigen Gästen konkrete Wege zum Klimaschutz aufzuzeigen. "Alle, die sich mit klugen Ideen, überzeugtem Engagement und ohne Rechtsbrüche an der Debatte für mehr Klimaschutz beteiligen, sind willkommen und stärken die Demokratie", erklärte das Präsidialamt.
Sprecherin der Letzten Generation: "Alles läuft komplett schief"
Ob diese staatstragende Erklärung der Letzten Generation reicht? Das Land sei gerade in einer Situation, "in der alles komplett schief läuft", sagte Carla Hinrichs, Mitgründerin und Sprecherin der Gruppe. "Die Krisen überschlagen sich, wir rasen mit Vollgas in eine Katastrophe und die Regierung befeuert diese Katastrophe weiter."
Für die Letzte Generation starte jetzt ein neues Kapitel der Proteste. "Wir lassen uns nicht mehr von der Regierung belügen", sagte Hinrichs. Die Parlamente hätten versagt, die Parteien hätten "absolut keinen Plan". "Ziviler Ungehorsam ist unsere letzte Hoffnung", ergänzte die junge Aktivistin Laura Bischoff, die nach eigenen Worten eigentlich an diesem Montagmorgen in der Schule hätte sein müssen.
Seit gut zwei Jahren versucht die Letzte Generation, mit dieser Rhetorik auf die Klimakrise hinzuweisen und eine Kehrtwende zu bewirken. Mit Blockaden, bei denen sich Aktivisten auf die Fahrbahn klebten, machten sie eine Menge Wirbel, bevor sie Ende Januar das Ende dieser Protestform verkündeten. Unter anderem will die Gruppe eine sofortige Abkehr von fossilen Brennstoffen wie Kohle, Öl oder Gas, bei deren Verbrennung klimaschädliches Kohlendioxid entsteht.
In ihrer Erklärung forderte sie jetzt zudem tiefgreifende Reformen des gesamten Wirtschaftssystems. Ihr geht es um Umverteilung zulasten von Reichen etwa mit einer Vermögenssteuer, um Verzicht auf Konsum, um "gerechte Rationierung" von Ressourcen, um den Rückbau von Industrien wie Auto- oder Chemiebranche. "Die Herausforderungen sind so groß, dass die Politik vor ihnen zurückschreckt", heißt es in der an Steinmeier gerichteten Erklärung.
Letzte Generation hat Verbündete auf der Linken
Tatsächlich verfolgt die Bundesregierung weniger radikale Ziele beim Klimaschutz – und hat sich doch in den vergangenen Monaten politisch eine blutige Nase geholt. Deutschland hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2045 keine zusätzlichen Klimagase mehr in die Atmosphäre zu blasen. Doch schon das sogenannte Heizungsgesetz zur schrittweisen Abschaffung von Öl- und Gasheizungen löste im vergangenen Jahr ein politisches Beben aus. Wegen der Haushaltskrise fehlt Geld, um die Kosten des Klimaschutzes sozial abzupuffern. Inzwischen macht nicht nur die AfD Front gegen weitere Maßnahmen. Auch CDU/CSU und das Bündnis Sahra Wagenknecht sehen Klimaschutz offenbar nicht mehr als Priorität.
Offen stellt sich eigentlich nur die Linke an die Seite der Letzten Generation. "Die Anliegen sind richtig und das Aufbegehren gegen die zahnlose Klimapolitik der Bundesregierung ist verständlich", sagte Linken-Bundesgeschäftsführerin Katina Schubert der Deutschen Presse-Agentur. "Die Gesellschaft schlittert sehenden Auges in die Klimakatastrophe." Und sie fügte hinzu: "Nicht die Letzte Generation schadet dem Anliegen einer Klimapolitik, die viele Menschen mitnimmt, sondern die Bundesregierung."
Dennoch muss sich auch die Klimabewegung Gedanken machen, wie sie wieder mehr an die Gesellschaft andocken kann. Fridays for Future, seit jeher breiter aufgestellt als die Letzte Generation, ging dabei zuletzt neue Wege. Ihren Klimastreik am 1. März veranstaltete die Bewegung gemeinsam mit der Gewerkschaft Verdi und für das gemeinsame Ziel, den öffentlichen Nahverkehr besser auszustatten und zu organisieren. Sowohl Verdi als auch FFF werteten ihre Zusammenarbeit anschließend als Erfolg. Die Gruppe zeigt sich auch zuversichtlich, dass die Menschen weiter mitziehen: "Bis heute ist die Zustimmung für Klimaschutz in Deutschland durch die breite Gesellschaft hinweg hoch", erklärte FFF auf Anfrage. "Jetzt bräuchte es allerdings noch einen Kanzler, der entsprechend handelt."
Letzte Generation will Tür für andere Gruppen öffnen
Die Letzte Generation versucht nun auf ihre Art, sich besser zu vernetzen. Ihre "ungehorsamen Versammlungen" sollen auch Menschen anziehen, die sich nicht trauten, sich vor wütenden Autofahrern auf die Fahrbahn zu kleben. Man mache "die Tür auf für andere Gruppen der Klimagerechtigkeitsbewegung", sagte der Geologe Nikolaus Froitzheim, der die Letzte Generation unterstützt. Wie diese Versammlungen genau aussehen sollen, blieb letztlich offen.
Das könne ganz unterschiedlich sein, sagte Sprecherin Hinrichs auf Nachfrage. Denkbar sei zum Beispiel eine "Bobbycar-Parade" von Müttern mit ihren Kindern. "Absolut friedlich" sollten die Versammlungen sein – aber auch "deutlich ungehorsamer" als eine normale Demonstration. In Berlin, Bremen, Köln, Leipzig, Karlsruhe, Freiburg, Stuttgart, Regensburg, München und auf Rügen wird sich am Samstag zeigen, was das genau heißt. (Verena Schmitt-Roschmann, dpa/tas)
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