- Einmal mehr stehen in Großbritannien zwei Polizisten vor Gericht.
- Der Vorwurf: Sie haben Fotos von Leichen in Chatgruppen geteilt.
- Zudem wirkt der schockierende Fall Sarah Everard nach.
Vergewaltiger und Mörder statt Freund und Helfer? Das Vertrauen in die britische Polizei ist auf einem Tiefpunkt, und bisher ist ein Ende der Krise nicht abzusehen.
Im Mittelpunkt steht die größte Polizeikraft des Landes, die Londoner Metropolitan Police (auch: "The Met"). Einst als Scotland Yard mit einem Ruf wie Donnerhall, deren Beamte als Helden gelten und in der Literatur besungen werden, hat das Image dramatisch gelitten. Es sind gleich mehrere Fälle, die das gesamte Land erschüttert haben, und in allen geht es um weibliche Opfer.
Auslöser ist vor allem der Mord an Sarah Everard. Im März verschwindet die 33-Jährige in Südlondon spurlos, eine Woche später wird ihre Leiche entdeckt. Der Täter: Ein Polizist der Met. Er hatte die junge Frau unter Vorspielung einer Kontrolle verschleppt, vergewaltigt und ermordet.
Wenige Tage nach seinem Urteil hatte ein weiterer Skandal die britische Polizei erschüttert: Ein 46-Jähriger war Anfang Oktober in der Grafschaft Hertfordshire nördlich von London festgenommen und vom Dienst suspendiert worden. Gegen den Mann, der in derselben Einheit wie des im Everard-Fall verurteilten Polizisten diente, läuft derzeit ein Verfahren. Er soll mehrere Frauen sexuell missbraucht haben.
Leichenfotos geteilt: Urteil gegen zwei Londoner Polizisten erwartet
Am Montag folgt nun die Urteilsverkündung gegen zwei Met-Beamte, die nach einem internen Verfahren bereits gefeuert wurden. Die Männer waren eingeteilt, um den Ort eines satanistischen Doppelmords an zwei Schwestern abzuschirmen - und nutzten ihre Position, um mit ihren Handys Fotos der Leichen zu machen und in Chatgruppen zu teilen. "Tote Vögelchen", schrieben sie unter anderem dazu.
"Ihre Handlungen sind beschämend", kritisierte Assistant Commissioner Helen Ball, die dritthöchste Beamtin der Met Police, die beiden Beamten. Die Männer hatten Fehlverhalten in einem öffentlichen Amt eingeräumt. Sie wurden nach einem internen Verfahren aus der Polizei entlassen. Der Mörder der Schwestern, ein heute 19 Jahre alter Satanist, war Ende Oktober zu mindestens 35 Jahren Gefängnis verurteilt worden.
Londons Polizeichefin Cressida Dick steht hart in der Kritik
Doch trotz der internen Ermittlungen: Die Mutter der ermordeten Schwestern ist empört und hat sich Londons Polizeichefin Cressida Dick vorgeknöpft. Die Entschuldigung Dicks komme nicht von Herzen und sei unprofessionell gewesen, kritisiert Mina Smallman.
"Es ist Zeit für sie, zu gehen." Es ist nicht das erste Mal, dass Dick, sowohl die erste Frau als auch die erste offen homosexuell lebende Person in diesem Amt, in der Kritik steht.
Bereits im Zusammenhang des Mordes an Everard war sie von dem Fraktionsvorsitzenden der Liberaldemokraten im britischen Parlament, Ed Davey, zum Rücktritt aufgefordert worden: Dick hatte das Vorgehen von Beamten, die eine nicht genehmigte Mahnwache teils gewaltsam aufgelöst hatten, verteidigt.
Vertrauen in die Londoner Polizei sinkt
Doch die Krise der Bobbys, der Spitzname der britischen Schutzpolizisten, geht weit über London hinaus. "Das schmälert das Vertrauen der Öffentlichkeit", zitierte die Zeitung "Guardian" unlängst eine Regierungsquelle. "Die Met strahlt ins ganze Land." Ein ranghoher Polizeibeamter sagte dem Blatt: "Das Vertrauen sinkt seit 18 Monaten." Umfragen füttern diese Einschätzung. Anfang Oktober ermittelte das Meinungsforschungsinstitut Yougov, dass erstmals seit Beginn der Erhebung im Juni 2019 mehr Briten kein Vertrauen als Vertrauen in die Polizei hatten. Auslöser ist aber auch hier die Met: Nur ein Drittel der Befragten vertraute der Hauptstadtpolizei.
Für Kritiker ist klar, dass Polizeichefin Dick es nicht schafft, ihre Behörde zu reformieren. Immer wieder gibt es Vorwürfe, die Met sei frauenfeindlich, homophob und rassistisch. In den vergangenen elf Jahren gab es gegen mehr als 750 Beschäftigte der Met Police Vorwürfe wegen sexuellen Fehlverhaltens. Dutzende wurden entlassen. Die Kultur sei verdorben, heißt es.
Hinzu kommt, dass die Aufklärungsraten bei Vergewaltigungen extrem niedrig sind, die Zahl der Messerattacken auf einem Rekordstand. Doch bisher genießt Dick parteiübergreifende Rückendeckung. Sowohl der Labour-Bürgermeister von London, Sadiq Khan, als auch die konservative Innenministerin Priti Patel, stellten sich nach scharfer Kritik hinter Dick. Ihr Vertrag wurde erst in diesem Jahr verlängert. (dpa/afp/ari)
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