In Deutschland wird ab sofort keine Steinkohle mehr gefördert. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier erhielt in Bottrop das letzte abgebaute Steinkohlestück.
Mit der Förderung der letzten Steinkohle ist am Freitag eine Epoche der deutschen Industriegeschichte zu Ende gegangen. "Wir sind hier, auf Prosper-Haniel, Zeugen eines historischen Augenblicks", sagte Bundespräsident
Wurzeln der Europäischen Gemeinschaft
Mit dem Abschied von der Steinkohle ende ein "wichtiges und wesentliches Stück deutscher Geschichte", betonte der Bundespräsident. Die große Wirtschaftsmacht, zu der Deutschland seit Ende des 19. Jahrhunderts geworden sei, wäre ohne die Kohle und den Bergmann undenkbar gewesen. Auch die Wurzeln der Europäischen Gemeinschaft lägen im Bergbau, sagte Steinmeier mit Blick auf die 1952 gegründete Montaunion, einem Vorläufer der EU. Der Bundespräsident erinnerte aber auch daran, dass Kohle und Stahl aus dem Ruhrgebiet ein Kriegsmaschinerie befeuert hätten, die ganz Europa mit Tod, Vernichtung und Zerstörung überzogen habe.
"Heute ist ein schwarzer Tag", sagte der Chef des Bergbaukonzerns RAG, Peter Schrimpf. Die Steinkohleförderung in Deutschland werde "endgültig und unwiderruflich" eingestellt. "Diesen Schlusspunkt zu setzen, fällt jeden Bergmann schwer."
Kohleförderung kostete mehr als 10.000 Menschenleben
Steinmeier sagte, er sei nach Bottrop gekommen, um den Bergleuten "an diesem geschichtsträchtigen Tag im Namen aller in unserem Land "Glückauf und Danke, Kumpel"" zu sagen. Der Dank sei verbunden mit der Erinnerung an erfolgreiche Jahre, "aber auch an schwere Zeiten, an hartes Leben und die Last eines Alltags, den sich viele heute gar nicht mehr vorstellen können". Allein bei Unglücken in deutschen Kohlegruben sind nach Schätzungen von Historikern mehr als 10 000 Bergleute ums Leben gekommen. Die vielen einzelnen Toten bei Arbeitsunfällen unter Tage sind dabei nicht mitgezählt.
Steinmeier würdigte den sozialverträglichen Ausstieg aus der Steinkohlenförderung in Deutschland als vorbildlich. "Ein Blick in andere Regionen Europas zeigt, dass auf diese Weise viel Unheil und Not, viel Zorn und Verelendung vermieden werden konnte", sagte der Bundespräsident. Diese "Solidarität und Partnerschaftlichkeit" müsse sich auch bei der Suche nach einem Enddatum für die Braunkohleförderung zeigen. Auch bei der Braunkohle gehe es um die Lebensfähigkeit ganzer Regionen. "Erst die Perspektive, dann das Auslaufdatum", darum ringe derzeit die Kohlekommission, sagte Steinmeier.
Keine Entlassungen beim Personalabbau
Das Aus für die Steinkohleförderung war 2007 vereinbart worden. Rund 33 000 Bergleute und andere Mitarbeiter waren damals auf den Zechen beschäftigt. Jetzt sind es noch rund 3000. Großzügige Vorruhestandsregelungen sorgten dafür, dass es keine Entlassungen beim Personalabbau gab. Zudem sind allein von 1996 bis heute aus den Haushalten des Bundes und des Landes Nordrhein-Westfalen rund 61 Milliarden Euro als Absatz- und Stilllegungsbeihilfen an den Bergbau geflossen.
EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hob ebenfalls die europäische Dimension des Bergbaus hervor mit der Montanunion. Ohne Kohle und Stahl hätte es den Aufbruch zur europäischen Einigung nicht gegeben, sagte Juncker in Bottrop. "Kohle und Wohlstand sind untrennbar", betonte der EU-Kommissionspräsident.
Mit der Schließung der letzten Zeche ist der Einsatz der Steinkohle in Deutschland aber nicht zu Ende. Bei der Stromerzeugung und in den Stahlwerken wird sie künftig komplett durch Importkohle ersetzt. Wie viel Steinkohle in den kommenden Jahren verstromt wird, dürfte auch von den Ergebnissen der Beratungen in der derzeit tagenden Kohlekommission abhängen. In diesem Jahr hat die Steinkohle noch zu 13 Prozent der deutschen Stromerzeugung beigetragen.
(dpa/af)
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