Vor 40 Jahren wurde der Gotthard-Straßentunnel eröffnet. Bis zu einem schweren Unfall 2001 galt er als sehr sicher. Nun muss der Tunnel saniert werden.
Er ist 16,9 Kilometer lang und der viertlängste Straßentunnel der Welt: Der Gotthard-Straßentunnel wurde vor 40 Jahren am 5. September 1980 eröffnet. Der Tunnel ist der wichtigste Korridor durch die Schweizer Alpen. Nicht selten kommt es zu langen Staus vor den Tunneleinfahrten – an einigen Tagen schieben sich mehr als 34.000 Fahrzeuge durch die Röhre.
Nun muss der Tunnel saniert werden. Dazu wird eine zweite Röhre gebaut. Ist diese fertig, wird der Verkehr in diese Röhre umgeleitet und der vorhandene Tunnel saniert. Bis 2032 sollen alle Arbeiten abgeschlossen sein und der Verkehr durch beide Tunnel fließen – allerdings weiterhin jeweils einspurig.
Warum wurde der Gotthard-Straßentunnel eigentlich gebaut?
Ursprünglich galt es als unmöglich, die Alpen an dieser Stelle zu queren. Ein Holzsteg aus dem Jahr 1218 war einer der ersten Versuche, den Gotthard zu passieren. Kutschen konnten den Pass erstmals 1830 überqueren, 1882 folgte ein Eisenbahntunnel.
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde eine Passstraße über den Gotthard eröffnet. Allerdings war die Straße mit dem über die Jahre zunehmenden Autoverkehr oft verstopft. Insbesondere zu Ferienzeiten, wenn Touristen unterwegs waren, gab es in den Bergdörfern lange Staus. Auch Autozüge brachten nur bedingt Erleichterung. Außerdem war die Passstraße im Winter oft nur eingeschränkt nutzbar.
Eine Lösung musste her. Der Bundesrat in der Schweiz setzte damals eine "Studiengruppe Gotthardtunnel" ein, die 1963 ihren Bericht vorlegte. Man entschied sich in der Folge, einen Straßentunnel von Göschenen im Kanton Uri bis in den Tessiner Ort Airolo zu bauen.
Die Bauarbeiten begannen im Jahr 1970. Besonders die Arbeiten vom Nordportal aus waren knifflig: Dort unterquert nämlich der Straßentunnel den bereits bestehenden Bahntunnel. Zwischen den beiden Röhren liegt eine Felsschicht, die nur 5,2 Meter dick ist. Gemäß der Homepage der Schweizerischen Eidgenossenschaft durften die Arbeiter an dieser Stelle nur mit schwacher Sprengladung arbeiten.
Wie viele Unfälle gibt es im Tunnel?
Die Planer machten sich schon damals viele Gedanken über ein Sicherheitskonzept. Die Zahl der Unfälle liegt laut der Jahrespublikation von ASTRA seit der Eröffnung etwa gleichbleibend bei zehn im Jahr. In den vergangenen fünf Jahren kam es zu zwei Unfällen, bei denen Menschen getötet wurden.
Ein schwerer Unfall ereignete sich allerdings 2001. Dabei kamen elf Menschen ums Leben, etliche weitere wurden verletzt: Ein Lastwagen streifte die Tunnelwand, schleuderte auf die Gegenfahrbahn und streifte dort ein weiteres Fahrzeug. Es trat Diesel aus, der zu brennen begann. Der giftige Rauch verteilte sich schnell im Tunnel.
Wie sicher ist der Tunnel?
Bis zu diesem schweren Unfall hatte der Tunnel immer als sehr sicher gegolten. Nach dem Unfall wurde er zunächst geschlossen und ein neues Sicherheitskonzept entwickelt. Die Fluchtwege wurden deutlicher markiert und das Lüftungssystem erneuert: Es gibt nun rund 200 Klappen für Abluft im Tunnel, die sich einzeln ansteuern lassen. Falls es brennt, öffnen sich nur die Klappen am Unfallort, um Gase und Hitze abzuleiten. Das sorgt dafür, dass sich der Rauch, anders als 2001, nicht im Tunnel verteilt.
Außerdem stellt seit 2002 ein System sicher, dass der Verkehr sich im Tunnel nicht staut: Pro Stunde und Richtung dürfen nur 1.000 Personenfahrzeuge den Tunnel passieren. Ein Lastwagen entspricht dabei rechnerisch drei Personenwagen. Zu den weiteren Sicherheitsmaßnahmen zählen unter anderem separat belüftete Schutzräume, Sicherheitsnischen und eine Notbeleuchtung.
Wie hat sich der Verkehr im Gotthard-Tunnel über die Jahre verändert?
Der Verkehr im Gotthard-Straßentunnel hat seit der Eröffnung stark zugenommen: Passierten im Jahr 1981 noch 2.884.230 Fahrzeuge den Tunnel, hat sich diese Zahl bis 2019 mehr als verdoppelt (6.399.350). Besonders auffällig ist die Zunahme des Schwerverkehrs von 171.000 Fahrzeugen im Jahr 1981 auf 773.971 im Jahr 2019 – eine Zunahme um das 4,5-fache. Pro Tag passieren damit im Schnitt rund 17.500 Fahrzeuge den Tunnel.
Was muss jetzt saniert werden?
Insbesondere das hohe Verkehrsaufkommen hat den Tunnel stark beansprucht. Es müssen laut dem UVEK zum Beispiel die Zwischendecke und die Lüftung ersetzt werden. Dafür muss der Tunnel komplett gesperrt werden. Außerdem wird der Sicherheitsstollen saniert, der bei Unfällen oder Bränden als Fluchtweg dient.
Für die Sanierung bekommt der Tunnel zunächst eine zweite Röhre. Sobald diese in Betrieb ist, wird der Verkehr umgeleitet und die vorhandene Röhre saniert. Auch nach der Sanierung darf bei zwei Röhren nur eine Spur pro Richtung genutzt werden, weil gemäß Artikel 84 der Bundesverfassung die Straßenkapazität im Alpengebiet nicht erhöht werden darf. Für eine Lockerung dieser Regelung bräuchte es ein Referendum.
Wie sieht der Zeitplan aus?
Das Genehmigungsverfahren für die zweite Röhre ist abgeschlossen. Die Vorarbeiten sollen laut ASTRA, dem Schweizer Bundesamt für Straßen, bereits im September 2020 beginnen. Die Hauptarbeiten starten 2021. Die zweite Röhre sollen Autofahrer ab 2029 nutzen können. Ab 2032 sollen dann beide Röhren in Betrieb sein.
Wie viel kostet das Projekt?
Laut ASTRA fallen für den Bau der zweiten Röhre Kosten in Höhe von 2,02 Milliarden Franken an (umgerechnet etwa 1,88 Milliarden Euro). Außerdem wird dabei eine Hochspannungsleistung verlegt, was 60 Millionen Franken kosten soll (etwa 56 Millionen Euro). Darüber hinaus wird die bestehende Röhre saniert. Dafür fallen etwa 0,75 Milliarden Franken an (0,7 Milliarden Euro).
Was sagen Kritiker?
Kritik gibt es vor allem wegen der Kosten: Es wäre günstiger gewesen, den Tunnel in bestimmten Zeitabständen voll zu sperren, um ihn nach und nach zu sanieren. Nach Angaben der Regierung würden die Kosten dafür 1,2 bis 2 Milliarden Franken betragen (1,1 beziehungsweise 1,84 Milliarden Euro). Allerdings argumentieren Befürworter, dass eine zweite Röhre viele Vorteile habe. Auch wenn der Verkehr in beiden Röhren einspurig fließen soll, sei es immer möglich, den Verkehr zweispurig durch einen der vorhandenen Tunnel zu führen.
Das könne zum Beispiel nach einem Unfall wichtig sein oder wenn in einer der beiden Röhren Bauarbeiten anstünden.
Zudem befürchten die Gegner der aktuellen Sanierungspläne, dass die beiden Röhren auf Dauer nicht einspurig genutzt, sondern je zwei Spuren pro Tunnel freigegeben werden könnten, der Verkehr also insgesamt vierspurig geführt würde. Das wäre ein Verstoß gegen die Vorgaben im Alpenschutzprogramm, die vorsehen, dass die Verkehrskapazität in den Alpen nicht erhöht werden darf und dass der Güterverkehr auf die Schiene verlagert werden soll. Denkbar wäre eine Erweiterung der Kapazität zum Beispiel durch eine Volksinitiative.
Verwendete Quellen:
- Schweizerische Eidgenossenschaft, Bundesamt für Straßen ASTRA, ASTRA-Jahrespublikation, Straßen und Verkehr 2020, Entwicklungen, Zahlen, Fakten
- Schweizerische Eidgenossenschaft, Bundesamt für Straßen ASTRA, Zweite Gotthard-Straßenröhre
- Eidgenössisches Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation UVEK: Gotthard-Strassentunnel: Fragen und Antworten
- Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, Artikel 84
- Amt für Betrieb Nationalstraßen: Sicher durch den Gotthard
- Amt für Betrieb Nationalstraßen: Bauablauf
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