Nach mehr als 33 Jahren im Gefängnis ist Jens Söring wieder zurück in seiner Heimat. Doch das Deutschland, das er kennt, gibt es nicht mehr. Unterstützer und ein Therapeut sollen ihm den Wiedereinstieg ins Leben erleichtern.

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"Das ist der schönste Tag meines Lebens! Ich bin so froh und dankbar." Jens Söring ist zurück in Deutschland. Der in den USA wegen Doppelmordes verurteilte Ex-Häftling ist am Dienstag am Frankfurter Flughafen angekommen.

Freunde und Unterstützer nahmen den 53-Jährigen mit lautem Jubel und Applaus in Empfang. Söring zeigte sich überwältigt nach "33 Jahren, sechs Monaten und 25 Tagen Haft". "Ich hätte es ohne die Menschen, die mich unterstützt haben, nie geschafft", sagte er.

Er wolle nun erst einmal zur Ruhe kommen. "Ich muss hier psychologisch und emotional ankommen in Deutschland."

Den Mauerfall hat Söring im Gefängnis erlebt

Seit drei Jahrzehnten hat Söring sein Heimatland nicht mehr gesehen. Als die Mauer fiel, saß er in Großbritannien in Haft. Im Jahr der Wiedervereinigung wurde er an die USA ausgeliefert. Das Deutschland, das er kennt, gibt es nicht mehr.

Insgesamt 33 Jahre hat Söring hinter Gittern verbracht, die meiste Zeit davon in den USA. Dort war er 1990 wegen Mordes an den Eltern seiner damaligen Freundin Elizabeth Haysom zu zweimal lebenslanger Haft verurteilt worden.

Der deutsche Diplomatensohn hatte die Morde zunächst zugegeben, später aber sein Geständnis widerrufen. Er beteuert bis heute seine Unschuld.

Er versuchte mehrfach, eine Begnadigung zu erreichen. Zwar scheiterte auch sein letzter Versuch, das zuständige Gremium im US-Bundesstaat Virginia entschied jedoch vergangenen November überraschend, Söring auf Bewährung freizulassen und abzuschieben. Auch die gebürtige Kanadierin Haysom, die wegen Anstiftung zum Mord verurteilt worden war, soll abgeschoben werden.

Rund drei Wochen verbrachte Söring zuletzt in Auslieferungshaft. Reporter der "Bild"-Zeitung besuchten ihn dort. Mit Blick auf das Staatsgefängnis in Virginia, wo er zuvor inhaftiert gewesen war, sagte er der Zeitung: "Das Schlimmste, was man sich über Gefängnisse in Amerika ausmalen kann, war dort alles Wirklichkeit." Jeder Tag sei ein Überlebenskampf gewesen. Es habe "immer mehr Gangs, Drogen und Tote" gegeben.

Kriminologe: Jens Söring "muss sozialisiert werden"

In die USA darf Söring nie wieder einreisen, aber in Deutschland ist der Ex-Häftling ein freier Mann.

Was diese Freiheit im Detail bedeutet, wird Söring wohl erst in den kommenden Wochen und Monaten erfassen können. "Er muss nicht resozialisiert werden, sondern sozialisiert werden", urteilt der Kriminologe Bernd Maelicke. "Er muss Lebenstechniken und Verhaltensweisen lernen, um in dieser Gesellschaft draußen zu überleben."

Bei Söring sei es wie bei einem kleinen Kind: Er müsse "lernen, wie das mit den Verkehrsregeln, mit dem Internet, mit Smartphones funktioniert", glaubt der Sozialwissenschaftler und Autor.

Auch den jahrzehntelangen Aufenthalt im US-Gefängnis müsse Söring erst einmal verarbeiten, sagte Maelicke. "Das ist mit der schlimmste Knast, den man sich vorstellen kann, da ist Gewalt, da sind Drogen, das sind Vergewaltigungen."

Mit diesen Erfahrungen und diesen Eindrücken müsse er ein Leben lang umgehen – sowohl körperlich als auch psychisch. Aber dass sich Söring in solch einem Umfeld nicht habe unterkriegen lasse, zeuge von seiner Stärke.

Sörings Unterstützer organisieren Wohnung und Handy

Am Flughafen Frankfurt wurde Söring von elf Unterstützern begrüßt, darunter auch die Wiesbadener Anwältin Karoline Rüsch. Sie pflegt nach eigener Aussage seit 2010 eine Brieffreundschaft mit ihm.

Sie habe "an dieses Wunder" irgendwie nicht mehr geglaubt. "Es ist das schönste Weihnachten für mich, seit ich ihn kenne."

Petra Hermanns, die Sprecherin des Unterstützerkreises, beschrieb den 53-Jährigen als "sehr sympathischen, charismatischen, humorvollen sowie klugen und empathischen Menschen". Sie sei zuversichtlich, dass er in der Freiheit zurechtkomme. Zudem werde er therapeutische Hilfe bekommen.

Sörings Unterstützer haben in Deutschland eine Wohnung, ein Smartphone und Kleidung für ihn besorgt. Der Ex-Häftling will zunächst Urlaub machen und dann durch das Land reisen und seine Unterstützer besuchen. Söring appellierte an die Medien: "Bitte geben Sie mir etwas Ruhe, um mit meinen Freunden zu sein und um hier anzukommen."

Söring war zur Zeit des Mordes erst 18 Jahre alt

Der damals 18 Jahre alte Student soll im März 1985 in Bedford County im US-Bundesstaat Virginia die Eltern seiner damaligen Freundin Elizabeth Haysom erstochen haben.

Der Mord erregte viel Aufmerksamkeit. Der Verdacht fiel nach einiger Zeit auf Söring und Haysom. Das Paar flüchtete aus den USA, wurde aber 1986 in Großbritannien festgenommen.

Die Briten stimmten der Auslieferung Sörings an die USA nur unter der Bedingung zu, dass die Todesstrafe nicht verhängt würde. Haysom wurde 1987 wegen Anstiftung zum Mord zu zweimal 45 Jahren Haft verurteilt, Söring bekam 1990 ebenfalls zweimal lebenslänglich. (ank/dpa/afp)

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