Der 57-jährige Kenneth Law steht in Kanada vor Gericht. Vorwurf: Beihilfe zum Suizid. Der Koch soll hundertfach Utensilien zum Selbstmord verschickt und Menschen dazu angeleitet haben, sich umzubringen. Bei den Verstorbenen handelt es sich vorrangig um junge Erwachsene. Was über den Kanadier bekannt ist.

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Sie sind tot, haben sich das Leben genommen: Tom Parfett, Michael Dunham, Neha Raju, Anthony Jones und Noelle Ramirez. Die Gemeinsamkeit: Sie alle sollen vor ihrem Tod eine Substanz bei einem Mann mit dichtem schwarzem Haar, randloser Brille und rundem Gesicht gekauft haben. Der Mann ist der Kanadier Kenneth Law, 57 Jahre alt und zuletzt als Koch im Fünf-Sterne "Fairmont Royal Hotel" tätig.

Ihm werden in Kanada derzeit Beratung und Beihilfe zum Suizid in 14 Fällen vorgeworfen. Doch die Zahl derjenigen, die im Zusammenhang mit der von Law im Internet vertriebenen Chemikalie ums Leben kamen, dürfte deutlich höher sein. Die Behörden gehen derzeit von rund 1.200 Paketen aus, die Law in über 40 Länder verschickt hat. Dafür nutzte er mehrere Websites.

Vor allem junge Menschen starben

Allein in Großbritannien sollen 272 Menschen die Substanz, die bewusst namentlich nicht genannt wird, innerhalb der letzten zwei Jahre bei Law gekauft haben. 88 starben seitdem – ob durch seine Chemikalie ist nicht abschließend geklärt. Bei den Opfern handelt es sich vorrangig um junge Menschen zwischen 16 und 36 Jahren.

Der Verkäufer aus Kanada verschickte die Sendungen von einem Postamt in der Nähe der Millionenstadt Toronto. Law ist laut eigenen Angaben in einem Online-Lebenslauf gelernter Luft- und Raumfahrtingenieur und verfügt über zahlreiche Qualifikationen. 2004 soll er sechs Monate im englischen Coventry verbracht haben, wo er im Boeing 7E7-Programmteam für Dunlop Standard Aerospace gearbeitet haben soll.

Law hat unter anderem an der Universität von Toronto und der Universität York studiert. Im April 2020 meldete er Insolvenz an, damals soll er Schulden in Höhe von knapp 90.000 Euro gehabt haben.

Angehöriger: Er gab meinem Sohn eine "geladene Waffe"

Den Vorwurf, Menschen dabei geholfen zu haben, sich das Leben zu nehmen, weist der Kanadier von sich. Angehörige werfen ihm vor, Gott gespielt zu haben. "Ich glaube, er ist der Mann, der meinem Sohn praktisch eine geladene Waffe gegeben hat", sagte beispielsweise David Parfett laut "Guardian", dessen Sohn sich das Leben nahm. "Ich glaube, mein Sohn wäre noch am Leben, wenn es diesen Mann und diese Substanz nicht gäbe", so der Vater.

Im Vereinigten Königreich und in Kanada wird Beihilfe zum Suizid mit bis zu 14 Jahren Haft bestraft. Die tödliche Substanz verkaufte Law in 50-Gramm-Paketen für umgerechnet 55 Euro. Die Chemikalie ist im Vereinigten Königreich nach dem Giftgesetz meldepflichtig.

Das bedeutet, dass Einzelhändler die Behörden benachrichtigen müssen, wenn sie vermuten, dass der Stoff gekauft wird, um dem Käufer oder anderen Schaden zuzufügen. Die Regeln gelten aber nicht für Unternehmen außerhalb des Vereinigten Königreichs. Gerichtsmediziner schlagen bereits seit Längerem Alarm.

"Times"-Recherche brachte Stein ins Rollen

Nachdem die britische Polizei von den Vorgängen erfahren hat, versuchte sie, Käufer im ganzen Land ausfindig zu machen. Ins Rollen kamen die Ermittlungen durch Undercover-Recherchen der "Times". Law erzählte einem Undercover-Reporter, der sich als Mensch mit Suizidabsicht ausgab, wie man die Substanz am besten einnimmt.

Die Geschäftsidee habe er gehabt, nachdem er gesehen habe, wie seine Mutter nach einem Schlaganfall "sehr gelitten" habe, so Law. Er sagte gegenüber dem "Times"-Journalisten: "Mein Vater ist religiös und glaubte überhaupt nicht sehr an Sterbehilfe." Seine Mutter sei bettlägerig gewesen, habe nicht sprechen können und habe über sieben Jahre lang durch einen Schlauch in den Magen ernährt werden müssen.

Law sagt, er habe "Fluchtweg" geschaffen

"Das war sehr schmerzhaft. Nicht nur für ihre Familie, es war auch sehr schmerzhaft für mich, das miterleben zu müssen", soll Law erklärt haben. Er habe einen "Fluchtweg" für Menschen in ähnlichen Situationen geschaffen. Viele hielten das, was er tue, für kriminell.

"Aber ich denke, es ist hilfreich für eine kleine, sehr enge Gruppe von Menschen, die einen solchen Weg wirklich braucht, weil die Gesetze unserer Gesellschaft es einfach nicht zulassen", wird Law zitiert. In der Gesellschaft sei der Tod noch nicht offen akzeptiert. "Ich hoffe, ich bin nur ein bisschen aufgeklärter", sagte der Kanadier.

Chemikalie senkt den Sauerstoffgehalt

Zum Zeitpunkt seiner Festnahme im Mai hatte Law eine Kellerwohnung in einem Einfamilienhaus etwa 40 Kilometer außerhalb von Toronto angemietet. Die Substanz, die zu einem Sauerstoffabfall im Blut führt und die Atmung beeinträchtigt, verschickte er in unauffälligen Briefumschlägen, die in jeden Briefkasten passen und nicht für Aufsehen sorgen. Legal wird die Substanz unter anderem als Konservierungsmittel und in der Metallbearbeitung eingesetzt.

Die Polizei ermittelt derzeit bereits in weiteren Ländern – darunter Italien, Australien und Neuseeland. Die Behörden warnen eindringlich vor Paketen und Sendungen mit den Aufdrucken und Logos von "Imtime Cuisine", "AmbuCA", "Academic/ACademic", "Escape Mode/escMode" und "ICemac".

Wenn Sie Selbstmord-Gedanken haben, wenden Sie sich bitte umgehend an eine krisenpsychologische Ambulanz oder an die Telefonseelsorge (0800/ 1110111 oder 0800/1110222). Dort erhalten Sie Hilfe von Experten, die Auswege aus schwierigen Situationen aufzeigen können.

Verwendete Quellen:

  • bbc.com: 88 Todesfälle im Vereinigten Königreich im Zusammenhang mit "Giftverkäufer" aus Kanada
  • thetimes.co.uk: Aufgedeckt: der Koch, der Gift an selbstmordgefährdete Jugendliche verkauft
  • linkedin.com: kmlaw
  • sky.com: Kenneth Law: Was wir über den "Online-Giftverkäufer" wissen - und die 88 Todesfälle, die untersucht werden
  • theguardian.com: Neue Anklage gegen Kanadier, der beschuldigt wird, Drogen an selbstmordgefährdete Personen verkauft zu haben
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