In Russland kennt der Kult um Wladimir Putin keine Grenzen. Der russische Präsident wird verehrt wie eine Mischung aus Rockstar, Jesus und Superheld. Vor allem bei Jugendlichen ist der Kremlchef so beliebt wie nie zuvor.

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Würden Sie gerne ein T-Shirt mit dem Porträt von Angela Merkel tragen? Das grimmig-entschlossene Gesicht der Kanzlerin auf Ihrer morgendlichen Tasse Kaffee sehen? Was für uns wohl unvorstellbar klingt, erfreut sich in Russland seit Jahren großer Beliebtheit. Das Konterfei von Staatschef Putin prangt auf Fahnen, Matroschkas und anderem Kitsch, der auf Souvenirmärkten angeboten wird.



Nicht nur Touristen kaufen das. Der Fotograf Bela Doka hat in seinem Bildband "FC Putin" junge Anhänger des russischen Präsidenten porträtiert. Seine Fotos erinnern allerdings mehr an Karikaturen. So himmelt ein Mädchen Putin im Fernsehen an. Ein junger Mann bügelt ein knallgelbes T-Shirt, auf das ein Herz und das Bild des Präsidenten gedruckt sind.

"Putin ist wie Gott für mich", zitiert die britische Zeitung "The Guardian" einen weiblichen Teenager des Fanclubs. "Ich sehe ihn als Papa. Er ist ein perfekter Mann – Politiker, Sportler, Familienmensch. Ich will, dass mein Ehemann genauso ist wie er!"

Wladimir Putin ist der Held der Jugend

So skurril die Bilder erscheinen mögen – die Jugend steht fest hinter Wladimir Putin. 92 Prozent der 18- bis 24-Jährigen stimmten seiner Politik - inklusive Krim-Annexion - laut einer Umfrage des Lewada-Instituts im Juni 2014 zu. Den Kult um seine Person fördert der Präsident auch selbst, indem er sich gern in martialischen Posen, beim Sport oder mit Waffen ablichten lässt.

Seit über 15 Jahren ist Putin an der Macht. Viele Jugendliche können sich Russland ohne ihn gar nicht vorstellen. Für sie symbolisiert er politische Stärke und – zumindest bis zur Ukraine-Krise - wirtschaftlichen Erfolg. Daran ändern auch die Folgen der westlichen Sanktionen, die immer noch verbreitete Armut und niedrige Lebenserwartung in Russland nichts.



Putin hat die Einverleibung der Krim zu noch größerer Popularität verholfen. Die ausgeklügelte Propaganda des Kremls hat kräftig daran mitgewirkt. Pressefreiheit existiert in Russland so gut wie nicht. Die Opposition wird mundtot gemacht – durch Einschüchterungen, Entlassungen oder gar Ermordungen wie im Fall von Boris Nemzow.

Ein Schmucklabel verkauft Putin-Ringe

Der Westen wolle Russland demütigen und schwächen, hämmern die russischen Staatsmedien täglich ihrem Publikum ein und erzeugen damit ein permanentes Bedrohungsgefühl. Russland müsse sich wieder Respekt verschaffen, lautet das Credo.

Auch deswegen ist Patriotismus hip unter den jungen Russen. Das Schmucklabel "Putinversteher" vertreibt Silberringe mit dem Kopf des russischen Präsidenten. Die dazugehörende Webseite gibt es auch auf Deutsch.

"Putinversteher" sei der "internationale Orden der normalen Menschen". Nicht normal sind demzufolge "samtige Revolutionen" und "bärtige Frauen". Wer diese wirre Weltsicht teilt, kann sie nun lässig am Finger tragen.

Hinter dem Label steckt offiziell Gleb Krajnik. Der Putin-Fan mit Hipster-Bart will Nationalismus ein modernes Image verpassen – auch mit Ironie. Den Namen "Putinversteher" hat er im Netz aufgeschnappt, erzählte er dem deutschen "Neon"-Magazin. Seine Schmuckmarke gehört zu "Set" ("Netz"), einer Jugendbewegung, die Designer und Kreative zu Propaganda für den Kreml anheuert.

"Heimat, Freiheit, Putin"



2005 erregte die Kreml-Jugend Naschi ("Die Unsrigen") und ihr Gründer Wassili Jakemenko Aufsehen. Sie war als Gegenbewegung zu den damaligen Umstürzen in Georgien und der Ukraine gedacht und unterstützte Wladimir Putin und dessen Partei "Einiges Russland". In Camps trainierten die Mitglieder für den Fall einer feindlichen Militärinvasion.

Heute spielt Naschi kaum noch eine Rolle, sie wurde von anderen Organisationen abgelöst, wie die Nationale Befreiungsbewegung (NOD). Sie soll 170.000 Mitglieder haben, "Heimat, Freiheit, Putin" ist ihr Slogan. Zu ihren Aktionen gehört das Stören von Demonstrationen der Regierungsgegner, oft mit Gewalt.

Auch die Künstlergruppe "Glavplakat" hetzt gegen alle, die sie als innere und äußere Feinde Russlands sieht. Sie hängt Poster mit Namen und Bildern von Oppositionellen auf und brandmarkt sie als "Nationalverräter". Mit der Verbreitung von Karikaturen im Internet wird gegen Angela Merkel und die USA ebenso Stimmung gemacht wie gegen Kiews Bürgermeister Vitali Klitschko oder den Kremlkritiker Michail Chodorkowski.

Der Präsidentenkult vereint die Russen

Von seinen Anhängern wird Putin wie ein Heiliger verehrt – bei manchen sogar wortwörtlich. Im Dorf Bolschaja Jelnja, 400 Kilometer östlich von Moskau, betet eine Sekte Putin als Wiedergeburt des Apostels Paulus an, berichtete "Spiegel Online" 2011.

Widersprüche bleiben bei den Putin-Fans nicht aus. Trotz ihrer Amerikafeindlichkeit nutzen die Künstler von "Glavplakat" einen eigenen Twitter-Kanal. Auch würde wohl kaum ein Moskauer Hipster mit "Putinversteher"-Ring auf sein iPhone verzichten.



Um Logik geht es aber beim Kult um Putin nicht. Er zeigt die Sehnsucht der Russen nach einem starken Staat und einem ebensolchen Anführer. Dabei vereint er so unterschiedliche Menschen wie die Rocker vom kremltreuen Motorradclub "Nachtwölfe", Studenten aus Moskau und Dorfbewohner an der Wolga. Je mehr sich Russland nach außen abschottet, desto stärker wächst der Zusammenhalt nach innen – und umso strahlender erscheint Putin als Beschützer und Retter.

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