Der US-Präsident hat eine evangelikale Beraterin mit einem offiziellen Posten im Weißen Haus ausgestattet. Dass Donald Trump eine spirituelle Eingebung hatte, ist unwahrscheinlich. Vielmehr könnte die Personalie für den kommenden Wahlkampf entscheidend sein.

Mehr zu den USA unter Donald Trump hier

Seit einer Woche ist der schillernde Beraterkreis rund um US-Präsident Donald Trump um eine Frau reicher. Paula Michelle White-Cain, von Anhängern als "Paula White“ verehrt, von Gegnern als Ketzerin verspottet, übernimmt im Büro für Öffentlichkeitsarbeit die spirituelle Aufsicht - und ist somit die höchste offizielle Geistliche im Stab von Donald Trump. White soll den Glauben der Regierung im Blick behalten und christlichen Organisationen helfen, ihre Anliegen im Weißen Haus zu platzieren. Doch im Hintergrund dürfte der US-Präsident mit der Personalie die Weichen für seine Wiederwahl im kommenden Jahr stellen.

Für die einen ist Paula White ein Scharlatan, der mit dem Gutglauben von Millionen Amerikanern ein Vermögen angehäuft hat und nun ihr pralles Bankkonto mit Steuergeldern veredelt. Für die anderen ist White eine geniale Geschäftsfrau. Und für eine große Zahl von Gläubigen, die Wohlstand und Gesundheit als Indikator für ein gottgefälliges Leben werten, ist sie eine Leitfigur.

Wohlstandevangelikale erreichen ein Millionenpublikum

White ist eine sogenannte "Wohlstandsevangelikale“, eine Disziplin, die in den meisten europäischen Ländern eher unbekannt, in Nordamerika hingegen populär ist. Im Fernsehen und auf großen Bühnen predigen die Pastoren die theologische Auffassung, dass Vermögen und geschäftlicher Erfolg der Beweis für Gottes Gunst seien. Wer reich ist, ist gesegnet, lautet das Dogma, das tief mit dem "American Dream“ verknüpft ist, demzufolge Erfolg und Reichtum für jeden erreichbar seien. Paula White ist in dieser Disziplin, die ihre Anhänger vor allem im "Bible Belt“ in den amerikanischen Südstaaten hat, eine der erfolgreichsten Figuren. Ihre fragwürdigen Theorien verbreitet sie dabei Woche für Woche in ihrer eigenen Sendung "Paula White Today“. Damit wird sie zum ernsthaften Machtfaktor. Denn während in Deutschland Sender wie zum Beispiel "Bibel TV“, "K-TV“, oder "ERF Fernsehen“ ein Nischendasein pflegen, erreichen die amerikanischen Fernsehprediger ein Millionenpublikum, nehmen in ihren Predigten Einfluss auf die öffentliche Meinung und sammeln durch Spendenaufrufe erhebliche Summen ein. Die Aussicht auf hohe Spendensummen dürfte deshalb ein Kalkül sein, das hinter Donald Trumps neuester Personalie steckt. Denn wie erfolgreich ein Wahlkampf ist, entscheidet sich auch darüber, wie prall das Wahlkampfkonto gefüllt ist.

Obwohl Trump und White - beide schillernde Figuren in ihrem Fach - einiges verbindet, darunter ein ambivalentes Verhältnis zur Wahrheit, ein offener Umgang mit Geld und ein Wohnsitz in New York, unterscheidet sich Paula Whites Lebenslauf in ihren jungen Jahren ganz eklatant von dem des Präsidenten. Denn anders als Trump ist Paula White eine glaubwürdige Vertreterin des "American Dream“.

Paula White lebt den "American Dream“

1966 wird sie in Mississippi in eine mittelständische Familie geboren. Ihre Eltern trennen sich früh, ihr Vater begeht Selbstmord, die Mutter wird Alkoholikerin und die Familie rutscht in die Armut ab. In früheren Interviews erzählt White, dass sie in ihrer frühen Jugend mehrfach missbraucht worden sei. Kaum volljährig, gelangt sie im Jahr 1984 zum christlichen Glauben und gründet sieben Jahre später mit ihrem Ehemann Randy White die "Whitout Walls International Church". In wenigen Jahren gelingt es dem Paar, ihre Kirche zur siebtgrößten religiösen Einrichtung in den USA auszubauen.

Doch während die Kirche in finanzielle Schwierigkeiten gerät und 2014 in die Insolvenz geht, arbeitet White bereits an ihrer zweiten Karriere als Fernsehpastorin. Aufmerksamkeit generiert sie, indem sie Predigten für den Sänger Michael Jackson oder den berüchtigten Baseball-Spieler Darryl Strawberry hält. Tyra Banks, das erfolgreichste Model Amerikas, engagiert sie gar als "Personal Life Coach“. Und ein weiterer Gast ihrer Show, Donald Trump, darf dort sein Buch bewerben und Tipps zum Reichwerden geben. White soll Trump sogar zum Christentum bekehrt haben. Er revanchiert sich 2016 und beschert ihr den Höhepunkt ihrer spirituellen Karriere: Bei Trumps Amtseinführung in Washington darf Paula White vor einem Millionenpublikum beten.

Seither gehört White zu den engsten Vertrauten von Donald Trump. In weiten Teilen gleicht sie sogar einer weiblichen Kopie des Mannes, der von sich selbst behauptet, der erfolgreichste Dealmaker der Welt zu sein. Wie Trump war White dreimal verheiratet, ihren Aufstieg verdankt sie dem Fernsehen und einem feinen Gespür für die mediale Inszenierung. Und beide haben ein eher ambivalentes Verhältnis zur Wahrheit. So lässt sich White gerne als "Dr. Paula White“ vorstellen, obwohl sie weder einen College- noch einen Universitätsabschluss vorweisen kann. Und wie Donald Trump hat auch Paula White keine Skrupel, die eigene Anhängerschaft zur Kasse zu bitten, wenn es darum geht, den eigenen Erfolg zu vermehren. Laut dem Magazin "Newsweek“ soll die Pastorin ihre Anhänger zu Spenden in Höhe eines Monatseinkommens aufgerufen haben, mit dem Versprechen, ihnen sei dadurch "Gottes Aufmerksamkeit“ garantiert. Über die Jahre sollen White und ihr Ehemann 150 Millionen Euro eingenommen haben.

White: "Wo ich stehe, ist heiliger Boden"

Eine Folge ihres exzentrischen Auftretens ist es, ähnlich wie der US-Präsident, zuverlässig Shitstorms zu generieren. Anlässlich des jüdischen Feiertags Jom Kippur rief White zuletzt dazu auf, ihr Geld zu schicken, weil der jüdische "Tag der Versöhnung“ ja auch der "Tag des Opfers“ sei. Empörung unter ihren Kritikern war ihr damit gewiss. Für Aufsehen sorgte sie auch mit der Aussage: "Wo auch immer ich hingehe, dort regiert Gott. Wenn ich zum Weißen Haus gehe, geht Gott dort hin. Ich habe die Autorität zu sagen: Das Weiße Haus ist heiliger Boden, denn ich stand dort. Wo ich stehe, ist heiliger Boden.“ Viele Geistliche halten White deshalb keineswegs für eine Heilige, sondern eher für eine Ketzerin, die ihren Anhängern das Geld aus der Tasche zieht. "Das Wohlstandsevangelium von Paula White passt eher zum Gold der Trump Tower als zum Evangelium von Jesus Christus! Für mich taucht das Dämonische viel eher bei all der Manipulation und Lügen innerhalb des Wohlstandsevangeliums auf als bei den politischen Intrigen der Gegner Trumps“, meint etwa David Robertson, Pastor der "Free Church of Scotland".

Das Kalkül: Die Stimmen der Evangelikalen bei der Wahl sichern

Doch allen Kritiken zum Trotz scheint White auf viele Amerikaner so viel Eindruck zu machen, dass sich der sonst so beratungsresistente Donald Trump fortan in Sachen Glauben beraten lassen will. Das Kalkül dahinter: Mit Paula White lässt es sich bei den Evangelikalen punkten, die 2016 einen großen Anteil an der Wahl von Donald Trump hatten. Seine Einstellung zur Abtreibung oder die Ernennung von wichtigen Richterposten zeigen, dass Trump seitdem vieles dafür tut, bei seiner Klientel weiterhin erfolgreich zu sein. Das gelingt ihm bis jetzt: 82 Prozent der Evangelikalen sprechen sich laut einer aktuellen Umfrage für eine weitere Amtszeit von Trump aus. Paula White muss nun dafür sorgen, dass es dabei bleibt.

An den Umfragen des Meinungsforschungsinstituts Civey kann jeder teilnehmen. In das Ergebnis fließen jedoch nur die Antworten registrierter und verifizierter Nutzer ein. Diese müssen persönliche Daten wie Alter, Wohnort und Geschlecht angeben. Civey nutzt diese Angaben, um eine Stimme gemäß dem Vorkommen der sozioökonomischen Faktoren in der Gesamtbevölkerung zu gewichten. Umfragen des Unternehmens sind deshalb repräsentativ. Mehr Informationen zur Methode finden Sie hier, mehr zum Datenschutz hier.

Verwendete Quellen:

  • Public Religion Research Institute: Fractured Nation Survey
  • New York Times - Paula White, Newest White House Aide, Is a Uniquely Trumpian Pastor
  • New York Times – Paula White, Trump’s Personal Pastor, Joins the White House
  • Tampa Bay Times - Tampa Bay knows Trump’s religious adviser too well
  • Politico - Donald Trump’s God whisperer
JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.