Nach langer Zeit steht wieder ein früheres Mitglied der Rote Armee Fraktion vor Gericht. Allerdings geht es nicht um linksextremistische Taten.

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Jahrzehntelang war die frühere RAF-Terroristin Daniela Klette untergetaucht, am Dienstag wird sich die Öffentlichkeit ein Bild von der heute 66-Jährigen machen können. Dann beginnt unter großen Sicherheitsvorkehrungen der Prozess gegen die mutmaßliche Räuberin nach einer Serie von 13 Überfällen auf Supermärkte und Geldtransporter.

Die Staatsanwaltschaft Verden wirft Klette unter anderem versuchten Mord vor, weil bei einem Überfall im Jahr 2015 Schüsse fielen. Von ihren mutmaßlichen Komplizen Ernst-Volker Staub (70) und Burkhard Garweg (56) fehlt jede Spur.

Wie konnte Daniela Klette mehr als 30 Jahre im Untergrund leben, ohne aufzufliegen?

Seit ihrer Festnahme Ende Februar 2024 sind einige Details aus dem Leben des ehemaligen RAF-Mitglieds bekanntgeworden. Klette lebte zuletzt unter falscher Identität in einer Wohnung in einem Mietshaus in Berlin-Kreuzberg. Den Ermittlern zufolge soll sie verschiedene Alias-Namen wie Claudia Bernadi oder Claudia Schmidt Oliviera benutzt haben. 2015 soll sie sich bei der Anmietung einer Wohnung in Bremen als Sarah ausgegeben haben, 2016 in Hildesheim als Lucia. Die Ermittler gehen davon aus, dass sie die Umgebung von Tatorten vorab auskundschaftete.

Früheren Angaben zufolge ging Daniela Klette 1989 in den Untergrund. Die gebürtige Karlsruherin war demnach seit 1975 in der linksextremistischen RAF aktiv.

Welche Verbrechen beging die linksextremistische Rote Armee Fraktion?

Klette wird wie Garweg und Staub der sogenannten dritten Generation der linksextremistischen Rote Armee Fraktion zugerechnet. Diese Organisation war über Jahrzehnte der Inbegriff von Terror und Mord in Deutschland. 1998 erklärte die RAF ihre Auflösung. In der aktiven Zeit der dritten Generation wurden der damalige Deutsche-Bank-Chef Alfred Herrhausen (1989) und Treuhand-Chef Detlev Karsten Rohwedder (1991) ermordet. Mutmaßlich 34 Morde beging die RAF. Bis heute ist kaum eine Tat aufgeklärt.

Wird es in dem Prozess gegen Klette auch um diese Taten gehen?

In dem Prozess vor dem Landgericht Verden geht es lediglich um die Raubserie. Die Ermittler gehen davon aus, dass sich Klette, Garweg und Staub zu einer Bande zusammenschlossen, um mit den Überfällen ihr Leben im Untergrund zu finanzieren. Dabei sollen sie zwischen 1999 und 2016 mehr als 2,7 Millionen Euro erbeutet haben. Aus Sicherheitsgründen wird zunächst nicht im Landgericht Verden, sondern im Staatsschutzsaal des Oberlandesgerichts Celle verhandelt. Frühestens Ende Mai soll ein den Sicherheitsanforderungen entsprechender Saal im Landkreis Verden zur Verfügung stehen.

Um welche Vorwürfe geht es in dem am Dienstag startenden Prozess?

Die Staatsanwaltschaft Verden wirft Klette versuchten Mord sowie versuchten und vollendeten schweren Raub vor. Bei einem Überfall in Stuhr südlich von Bremen soll das Trio im Juni 2015 mehrfach auf einen Geldtransporter geschossen haben. Zwei Schüsse drangen dabei in die Fahrerkabine ein, die Geldboten blieben unverletzt. Laut Anklage sollen Klette, Garweg und Staub ihre Opfer mit Schusswaffen oder Elektroschockern bedroht haben. Klette war den Angaben nach meist die Fahrerin des Fluchtautos. Die 66-Jährige ist auch wegen Verstößen gegen das Waffengesetz und Kriegswaffenkontrollgesetz angeklagt. Bei Überfällen gesicherte DNA-Spuren brachten die Fahnder auf die Spur des Trios.

Wie kam es zur Festnahme von Klette?

Seit 2015 lief beim niedersächsischen Landeskriminalamt eine Zielfahndung nach Klette, Garweg und Staub. Die drei Untergetauchten werden aufgrund von DNA-Spuren mit einer Serie von Überfällen in Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein in Verbindung gebracht. Laut LKA erhielt die Polizei im November 2023 einen Hinweis aus der Bevölkerung. Danach wurde nach Klette gefahndet und sie wurde beobachtet. Die Festnahme in ihrer Wohnung in Berlin-Kreuzberg erfolgte am 26. Februar 2024. Journalisten hatten Klette parallel mit einem Gesichtserkennungs-Programm im Internet aufgespürt. Während ihrer Festnahme soll sie Garweg noch gewarnt haben, der sich dann absetzen konnte.

Wo sind Garweg und Staub?

Das ist die Frage. Noch immer gebe es täglich Hinweise, denen ein Ermittlerteam nachgehe, sagte ein Sprecher des Landeskriminalamtes Niedersachsen. Denkbar sei, dass sich die beiden Gesuchten in Deutschland aufhielten ein Aufenthalt im Ausland werde aber nicht ausgeschlossen. Möglicherweise erhalten sie Unterstützung aus der linken Szene. Der Sprecher sagte, zu Garweg gebe es wegen dessen Nähe zu Klette viel mehr Hinweise als zu Staub. Die Ermittler hatten kurz nach Klettes Festnahme einen Bauwagen in Berlin-Friedrichshain beschlagnahmt. Hier soll Garweg unter dem Decknamen Martin gelebt haben.

Was fanden die Ermittler in Klettes Wohnung?

Bei Durchsuchungen fanden Polizisten hier unter anderem eine täuschend echt wirkende Attrappe einer Handgranate, Waffen, Handschellen, Sturmhauben, ein Kilogramm Gold, mehr als 240.000 Euro Bargeld, digitale Medien sowie Fotos. Zu den Waffen zählen ein polnisches Sturmgewehr und eine tschechische Maschinenpistole, die Staatsanwaltschaft Verden sprach von "schweren Kriegswaffen".

Hat sich Klette zu den Vorwürfen geäußert?

Klette bestreitet, einen Mordversuch begangen zu haben. Die "Süddeutsche Zeitung" zitierte im August aus einem Statement der Verdächtigen. Darin spricht Klette von staatlicher "Denunziation" und "Medienhetze" gegen sich, Garweg und Staub. Die Staatsanwaltschaft Verden konstruiere die Geschichte einer skrupellosen Bande, erklärte Klette. Das Töten von Menschen zur Geldbeschaffung wäre für "Menschen aus der Geschichte der revolutionären Linken in der BRD" niemals infrage gekommen, teilte sie mit. Auch Klettes Verteidigung betonte wiederholt, dass nicht gezielt auf den Fahrer des Geldtransporters geschossen worden sei. Es gilt die Unschuldsvermutung.

Welche neuen Erkenntnisse werden im Prozess erwartet?

Die Anklage gegen Klette umfasst laut einer Sprecherin des Landgerichts Verden mehr als 600 Seiten. Für den ersten Prozesstag ist die Verlesung des Anklagesatzes vorgesehen. Überdies hat Klettes Verteidiger Lukas Theune eine kurze Erklärung seiner Mandantin angekündigt. Daniela Klette blicke "kämpferisch" auf das Verfahren, sagte Theune vorab der Deutschen Presse-Agentur (dpa). Die Verteidigung fordert ein faires Verfahren. "Frau Klette soll nicht besser oder schlechter gestellt werden als irgendeine andere angeklagte Person", sage der Anwalt.

Was ist mit den Vorwürfen gegen Klette in Zusammenhang mit RAF-Anschlägen?

Seit März 2024 gilt auch ein Haftbefehl der Bundesanwaltschaft in Karlsruhe gegen Klette. Ihr wird versuchter Mord in zwei Fällen sowie versuchte und vollendete Sprengstoffexplosion in Mittäterschaft bei drei RAF-Anschlägen vorgeworfen. Diese sollen sich in der Zeit von Februar 1990 bis März 1993 ereignet haben. Konkret sollen RAF-Mitglieder versucht haben, in einem Gebäude der Deutschen Bank in Eschborn bei Frankfurt eine Explosion auszulösen. Des Weiteren geht es um Schüsse auf die US-amerikanische Botschaft in Bonn-Bad Godesberg sowie einen Sprengstoffanschlag gegen die noch unbelegte Justizvollzugsanstalt Weiterstadt.

Es könnte also noch eine weitere Anklage und einen weiteren Gerichtsprozess gegen Klette geben unabhängig von dem Verfahren um die Raubserie. Die Mitgliedschaft in der terroristischen RAF an sich ist laut Bundesanwaltschaft inzwischen verjährt. (dpa/ bearbeitet durch lc)

Teaserbild: © picture alliance/dpa/Uli Deck