Seit der Silvesternacht steht die Polizei unter Druck. Die Bevölkerung ist verunsichert und fragt sich, ob die Beamten die Sicherheit der Bürger noch gewährleisten können. Ein Vertreter der Polizeigewerkschafter wehrt sich im Gespräch mit unserer Redaktion gegen Vorwürfe aus der Politik.

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Nach den sexuellen Übergriffen in der Silvesternacht in Köln und anderen Städten und der anschließenden lückenhaften Kommunikation wirft die Politik der Polizei ungewöhnlich offensiv gravierende Fehler vor.

"Das Bild, das die Kölner Polizei in der Silvesternacht abgegeben hat, ist nicht akzeptabel", sagte Nordrhein-Westfalens Innenminister Ralf Jäger (SPD) bei einer Sondersitzung im Düsseldorfer Landtag am Montag.

Vor einem Millionenpublikum im ZDF-"heute journal" legte er noch nach: Es habe an einer falschen Lageeinschätzung gelegen, dass zusätzliche Kräfte, die zur Verfügung gestanden hätten, nicht hinzugerufen worden seien.

Dagegen wehrt sich die Polizei. Der Vizevorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Jörg Radek, nennt im Gespräch mit unserer Redaktion angebliche Versäumnisse der Politik.

Polizisten arbeiten bis zur Erschöpfung

Die personelle Situation der Polizei ist schlecht. Die Bundespolizei zieht sich von Bahnhöfen, aus Zügen und S-Bahnen zurück, weil sie angesichts ihrer Aufgaben in der Flüchtlingskrise den Grenzschutz sicherzustellen versucht.

Es mangelt an Beamten zur Entlastung. Und die, die im Einsatz seien, arbeiteten bis zur Erschöpfung, schildert Radek.

"Wenn ein Bundesinnenminister (Thomas de Maizière; Anm.d.Red.) dann sagt, so darf die Polizei nicht arbeiten, finde ich das eine Ungezogenheit. Auch ein Landesminister (Ralf Jäger; Anm.d.Red.) muss sich fragen, wie seine Polizei organisiert ist", sagt der Polizeigewerkschafter.

"Weder die Bundespolizei noch die bayerische und die baden-württembergische Polizei haben noch Reserven. Dabei tragen sie die Hauptlast des sogenannten Massenmigrationseinsatzes", erklärt Radek weiter.

Auch die sächsische Polizei habe personell ihre Grenzen erreicht: "Bei dieser wurde deutlich Personal abgebaut. Das rächt sich." Eine vergleichbare Situation herrsche zudem in Brandenburg, Thüringen oder Berlin.

Radek sieht aber keine grundsätzliche Überforderung, auch nicht im Zusammenhang mit der Flüchtlingsthematik. Ein Problem seien aber drastisch viele Überstunden, die die Beamten ansammelten.

"Das treibt vor allem die Kollegen bei der Bundespolizei um. Sie haben bisher etwa zwei Millionen Überstunden angehäuft", schildert er.

"Es kommt dazu, dass sie teils acht bis zehn, in der Spitze bis zu zwölf Stunden am Tag mehr arbeiten, als es ihre Regelarbeitszeit von ihnen verlangt."

Polizei fordert Lösungen von der Politik

Sie bräuchten dafür einen Ausgleich - Antworten darauf, wie dieser aussehen könnte, sei die Politik bislang aber schuldig geblieben.

"Von den oberen Dienstherren, Herrn de Maizière und Herrn Jäger, ist eine Schuldzuweisung gegenüber der Polizei gemacht worden. Für mich drängt sich die Frage auf, wer für die Situation der Polizei verantwortlich ist", sagt Radek dazu.

"Man hat die Kollegen in eine Lage gebracht, die sie nur noch schwer bewältigen können. Da muss sich jeder Minister fragen, wie hoch sein Eigenanteil ist."

Jetzt sei die Politik gefragt, "die Personaldecke aufzustocken. Herr de Maizière musste seitens des Parlaments dazu gedrängt werden, dass bei der Bundespolizei in den kommenden Jahren 3.000 Stellen mehr geschaffen werden."

Alleine wegen ihres Altersdurchschnitts habe diese jedoch einen deutlich höheren Mehrbedarf.

Auf die Frage, ob die Polizei die Bürger noch ausreichend schützen könne, antwortet Radek mit einem deutlichen Ja. Die Kräfte würden derzeit überstrapaziert, aber die Polizei sei grundsätzlich so aufgestellt, dass sich die Bürger nicht ängstigen müssten.

Szenen wie in Köln lehnt er strikt ab. Dort würden zum Beispiel Türsteher versuchen, in manchen Teilen der Innenstadt für Sicherheit zu sorgen.

"Wenn man die Polizei ihre Arbeit machen lässt, sind wir da", sagt er. "Das staatliche Gewaltmonopol geht immer noch von der Polizei aus."

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