Über Jahre wurden Frauen minderwertige Brustimplantate eingesetzt. In Frankreich ist der TÜV Rheinland nun deswegen zu Strafzahlungen verurteilt worden. Nach Ansicht des Gerichts hätte diesem die mangelhafte Qualität der Implantate auffallen müssen. Das Unternehmen will das so nicht hinnehmen.

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Im Skandal um mangelhafte Brustimplantate des französischen Herstellers PIP hat ein Gericht den TÜV Rheinland zur Zahlung von mehr als zehn Millionen Euro Schadenersatz an hunderte betroffene Frauen verurteilt.

Eine Zivilkammer des Gerichts in Nanterre nahe Paris urteilte am Donnerstag, dass das Prüfunternehmen 605 von 1.319 Klägerinnen entschädigen muss. Die meisten der Frauen in diesem Verfahren kommen aus Großbritannien.

Das Gericht erklärte, von 2002 an habe es bei Poly Implant Prothèse (PIP) eine Diskrepanz zwischen der Menge des bestellten Gels für die Brustimplantate und der Zahl der hergestellten Prothesen gegeben. Das sei eine "offensichtliche Anomalie" gewesen, die dem TÜV hätte auffallen müssen.

TÜV-Anwältin Christelle Coslin kritisierte das Urteil und kündigte gegenüber der Nachrichtenagentur AFP an, dass sie dem TÜV empfehlen werde, Berufung einzulegen.

Skandal um mangelhafte Brustimplantate

Frankreichs oberstes Gericht hatte im vergangenen Mai eine Mitverantwortung des TÜV Rheinland in dem Brustimplantate-Skandal endgültig bestätigt. Der TÜV Rheinland Frankreich sei bei der Prüfung der Implantate seinen "Pflichten zur Kontrolle, Sorgfalt und Wachsamkeit" nicht nachgekommen, urteilte der Kassationsgerichtshof in Paris. Der letztinstanzliche Richterspruch war ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur Entschädigung zehntausender betroffener Frauen auf der ganzen Welt.

Der Skandal war 2010 ans Licht gekommen. Damals stellten die französischen Gesundheitsbehörden erstmals fest, dass die Brustimplantate von PIP überdurchschnittlich oft rissen und nur mit billigem Industrie-Silikon gefüllt waren. In dem Fall gab es bereits eine ganze Reihe von Prozessen gegen den TÜV Rheinland, unter anderem auch in Deutschland.

Von 2001 bis 2010 hatte PIP weltweit rund eine Million der minderwertigen Implantate verkauft. 400.000 Frauen trugen gesundheitliche Schäden davon, insbesondere in Lateinamerika. Auch in Deutschland waren tausende Frauen von dem PIP-Skandal betroffen.

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Andere Länder weisen Klagen gegen TÜV ab

Nach Angaben des TÜV Rheinland vom vergangenen November sind in Deutschland alle Gerichte zu dem Ergebnis gekommen, dass die Prüfstelle "verantwortungsvoll und in Übereinstimmung mit allen geltenden Gesetzen und Normen gehandelt habe".

Es habe in Deutschland mehr als 240 klageabweisende Entscheidungen gegeben. Auch in Belgien, Italien und Spanien seien Klagen abgewiesen worden, betonte TÜV Rheinland. Lediglich in Frankreich gebe es weiterhin Rechtsstreitigkeiten.

TÜV Rheinland hat nach eigenen Angaben nicht die Implantate der Herstellerfirma PIP geprüft, sondern das Qualitätsmanagementsystem des Unternehmens zertifiziert. PIP-Gründer Jean-Claude Mas war 2016 wegen schweren Betrugs sowie Täuschung des TÜV zu vier Jahre Haft und 75.000 Euro Strafe verurteilt worden. Sein Tod im Jahr 2019 setzte den Verfahren gegen sein Unternehmen ein Ende, das nach dem Skandal abgewickelt worden war.

Von 2001 bis 2010 hatte PIP weltweit rund eine Million der minderwertigen Implantate verkauft. 400.000 Frauen trugen gesundheitliche Schäden davon, insbesondere in Lateinamerika. (afp/thp)

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