Nordrhein-Westfalens Vize-Ministerpräsident Joachim Stamp wagt sich als erstes Mitglied der Landesregierung aus der Deckung. Er fordert, sämtliche Karnevalsumzüge der kommenden Saison wegen der Coronakrise abzusagen.
Der nordrhein-westfälische FDP-Chef und stellvertretende Ministerpräsident, Joachim Stamp, hat sich dafür ausgesprochen, alle Karnevalsumzüge der kommenden Saison abzusagen.
Dies müsse auch für größere Sitzungen gelten, sagte Stamp am Freitag der Deutschen Presse-Agentur (dpa) in Düsseldorf. "Karneval lebt von Unbeschwertheit und auch Nähe. Ausgelassenes Feiern ist in der derzeitigen Lage allerdings nicht möglich."
Kleine, kreative Veranstaltungen könnten möglich sein
Deshalb sollten sich alle zum Schutz des Brauchtums und der vielen ehrenamtlichen Aktiven "ehrlich machen", Planungssicherheit schaffen und die großen Veranstaltungen absagen, forderte Stamp. "So sehr mein Karnevalsherz blutet."
Kleine, kreative Veranstaltungen, bei denen Kontakte nach verfolgt werden könnten, seien dagegen "wohl möglich", sagte Stamp. "Vielleicht erleben wir ein echtes Revival der Büttenrede."
Viele Vereine hätten bereits neue Formate in Planung. "Aber Singen, Schunkeln, Bützen - alles, was zur traditionellen Sitzung und den Umzügen dazugehört, ist in dieser Session völlig unrealistisch."
Kontroverse Diskussionen in Karnevalshochburgen
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn hatte sich kürzlich wegen der Corona-Pandemie skeptisch geäußert, ob im kommenden Winter Karneval stattfinden kann.
Wie die "Rheinische Post" berichtete, sagte der CDU-Politiker in einer Telefonschaltkonferenz des Gesundheitsausschusses: "Ich war selbst Kinderprinz und komme aus einer Karnevalshochburg. Ich weiß also, wie wichtig Karneval für viele Millionen Deutsche ist. Aber: Ich kann mir Karneval in diesem Winter, mitten in der Pandemie schlicht nicht vorstellen. Das ist bitter, aber so ist es."
In den Karnevalshochburgen wird seit Wochen kontrovers diskutiert, ob die närrischen Tage coronabedingt ausfallen müssen oder nicht. In Köln, Düsseldorf, Bonn und Aachen wurde eine Art Leitfaden erarbeitet, an dem sich feiernde Karnevalisten orientieren sollen.
Die Landesregierung soll diese Empfehlungen nun prüfen. Von einer kompletten Absage halten die meisten Karnevalsaktivisten nichts.
Finanzielles Risiko sehr hoch
Eine große Kölner Karnevalsgesellschaft hat ihre Teilnahme am Rosenmontagszug allerdings bereits abgesagt. "Es gibt derzeit keine hundertprozentige Planungssicherheit", sagte Marc Doppelfeld, Geschäftsführer der Großen Mülheimer Karnevals-Gesellschaft, am Freitag.
"Das war der Grund, warum wir gesagt haben: Okay, wir gehen dieses finanzielle Risiko nicht ein und setzen nächstes Jahr mal aus." Dabei habe man neben den Finanzen auch die Gesundheit der Mitglieder im Blick. "Wir ernten dafür nur Zuspruch", sagte Doppelfeld.
Der Präsident des Festkomitees Kölner Karneval, Christoph Kuckelkorn, hält eine Absage der Karnevalsumzüge in der kommenden Session zum jetzigen Zeitpunkt für verfrüht.
"Wir haben noch Zeit", sagte er der dpa. Es seien Konzepte entwickelt worden, die dem Landesgesundheitsministerium vorlägen. Sie würden dort bewertet und kämen dann zurück. "Natürlich planen wir, wir planen ja A-, B-, C-, D-Varianten." Aber man werde damit auch erst an die Öffentlichkeit gehen, wenn man soweit sei.
Düsseldorfer Motto-Wagen einfach ausstellen
Sollten die Karnevalsumzüge tatsächlich abgesagt werden, hat der Leiter des Düsseldorfer Rosenmontagszugs, Herrmann Schmitz, bereits eine Idee: "Notfalls stellen wir die Motto-Wagen aus", sagte Schmitz am Freitag der dpa.
"Zum Beispiel auf den Rheinwiesen. Dann kann man sie sich mit Abstand angucken." Er selbst könne sich nach aktuellem Stand kaum vorstellen, dass der Rosenmontag mit einer Million Gäste in Düsseldorf stattfinden könne, so Schmitz.
Die sogenannten Motto-Wagen von Künstler Jacques Tilly sind weltberühmt, da die riesigen Karikaturen auch internationale Politiker wie Donald Trump aufs Korn nehmen.
An den normalen Rosenmontagswagen, auf denen unter anderem Karnevalsgesellschaften mitfahren, baut Tillys Team laut Schmitz bereits: "Die können aber auch einfach eine Session später fahren." (ff/dpa)
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