Auf einem Flug von Mallorca nach Wien ist einem Airbus A320 die Nase abgerissen und die Frontscheibe zerstört worden. Die Maschine war in einen schweren Hagelsturm geraten – der zuvor auf dem Radar nicht sichtbar gewesen sein soll. Luftfahrtexperte Johannes Markmiller ordnet den Vorfall ein und gibt eine Prognose.

Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Marie Illner sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfließen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

So haben sie sich wohl kaum den Abschluss ihres Urlaubs vorgestellt: Eine Maschine der "Austrian Airlines" ist am 9. Juni auf dem Flug von Mallorca nach Wien in ein schweres Unwetter geraten und dabei massiv beschädigt worden.

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Durch starken Hagel wurde die gesamte Nase des Airbus A320, an dessen Bord sich 173 Passagiere und 6 Besatzungsmitglieder befanden, abgerissen. Die Frontscheibe der Maschine ging zu Bruch, auch Triebwerksaufhängungen wurden beschädigt.

Pilot musste blind landen

Verletzte gab es keine. Weil die inneren Scheiben des Cockpits unbeschädigt blieben, kam es zu keinem Druckabfall. Dennoch musste der Pilot den Notruf absetzen und Flug OS434 blind landen. Unterstützt wurde er dabei vom Instrumentenlandesystem ILS.

Die Maschine der "Austrian Airlines", eine Tochtergesellschaft der Lufthansa, war am Sonntag, 9. Juni, gegen 15.30 Uhr in Palma auf Mallorca ohne Komplikationen gestartet. Im Landeanflug, etwa 30 Minuten vor der geplanten Ankunft in Wien, geriet die Maschine in eine Gewitterzelle. Die Passagiere nahmen die Turbulenzen als starkes Rütteln wahr.

Gewitter soll nicht sichtbar gewesen sein

Laut Aussage der Airline sei diese für die Piloten auf dem Radar zuvor nicht sichtbar gewesen. Es ist Aufgabe der Piloten, die Wettersituation entlang der Flugstrecke im Blick zu behalten. Luftfahrtexperte Johannes Markmiller hält es für durchaus realistisch, dass der Pilot die Gewitterzelle vorab nicht erkennen konnte.

"Praktisch alle Verkehrsflugzeuge sind mit einem Wetterradar ausgestattet, der Gebiete mit hohen Niederschlägen auf dem Navigationsdisplay des Flugzeuges anzeigt. Gebiete mit vielen Regentropfen und nassen Hagelkörnern sind normalerweise gut erkennbar", erklärt er.

Wenn Piloten solche Gebiete erkennen, versuchen sie laut Experte, diese zu umfliegen – falls die Verkehrslage es zulässt. "Sie brauchen dafür eine Freigabe des Radarlotsen. Prinzipiell dürfen Schauer aber durchflogen werden, es ist meist eher ein Komfortproblem für die Passagiere wegen der Turbulenzen", sagt Markmiller.

Dynamische Wetterlagen

Es sei möglich, dass im Fall von Flug OS434 der Hagel für den Piloten nicht auf dem Wetterradar erkennbar war. "Hagelschauer können zum Beispiel in sehr schmalen Bändern sehr kurzfristig entstehen, dann hat man wenig Möglichkeiten, sie zu erkennen und zu reagieren", sagt der Experte. Bei solchen Wetterlagen sei die Atmosphäre äußerst dynamisch. "So einfach darf ein Pilot seine zugewiesene Flugroute auch nicht verlassen", erinnert er.

Verkehrsflugzeuge seien so gebaut, dass sie in fast allen Wetterlagen sicher fliegen können und das auch dürfen. Gewitterzellen stellten jedoch eine besondere Herausforderung dar: "Es können schwere Turbulenzen, Blitzschlag, Vereisung und Hagel auftreten. Deshalb haben Flugzeuge zum Beispiel Enteisungssysteme, Blitzschutz und sind robust gebaut. Trotzdem versucht man Gewitterzellen zu vermeiden – wenn möglich", sagt Markmiller. Bei sehr schweren Gewittern würden Flüge deshalb verschoben oder abgesagt.

Flugzeugtyp erfüllt Anforderungen

"Offensichtlich war das ein sehr kurzfristiger, aber sehr schwerer Hagelsturm, den das Flugzeug durchflogen hat", sagt Markmiller. Herstellern sei genau vorgeschrieben, wie robust ein Flugzeug gebaut sein müsse, um Hagel auszuhalten. "Diese Anforderungen erfüllt dieser Flugzeugtyp. Weniger schwere Hagelschauer übersteht ein Flugzeug unversehrt", ist er sich sicher.

Bei Extrem-Hagel, der nur äußerst selten auftrete, ließen sich Schäden nicht vermeiden. "So schwer kann man ein Flugzeug nicht bauen", erklärt Markmiller. In einem solchen Fall müsse jedoch sichergestellt sein, dass das Flugzeug noch sicher landen könne. "Das Radom des Flugzeuges war zerstört, aber deswegen stürzt kein Flugzeug ab. Der dahinterliegende Druckspant hat vermutlich gehalten und der ist entscheidend."

Heftige Hagelstürme laut Experte in Zukunft häufiger

Die Bilder würden zwar dramatisch aussehen und für die Passagiere sowie die Crew sei es sicher kein schönes Erlebnis gewesen, aber: "Man kann feststellen, dass trotz der Schwere des Unwetters eine sichere Landung möglich war und das ist entscheidend. So muss es sein", sagt Markmiller.

Aus seiner Sicht könnte es in Zukunft häufiger zu solchen Vorfällen kommen. "Günstige Bedingungen für solche Unwetter sind immer hohe Temperaturunterschiede und viel Feuchtigkeit in der Luft. Natürlich kann es bei zunehmender Erwärmung häufiger zu solchen Unwettern auch bei uns kommen." Flugzeuge müsse man deshalb aber nicht anders bauen. "Sie sind für weltweiten Einsatz ausgelegt."

Über den Gesprächspartner

  • Prof. Dr. Johannes Markmiller ist seit April 2020 Inhaber der Professur für Luftfahrzeugtechnik an der TU Dresden.
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