Seit den tödlichen Anschlägen vom 13. November 2015 in Paris macht der Begriff "Daesh" für die Terrormiliz "Islamischer Staat" die Runde. Was steckt dahinter? Und wieso passt "Daesh" besser als IS oder ISIS?
In ihren jüngsten Drohungen gegen die mordende Terrorhorde des sogenannten "Islamischen Staates" hatte auch die Hacker-Organisation "Anonymous" die Abkürzung "Daesh" verwendet.
Zuvor waren es Frankreichs Staatspräsident François Hollande und sein Außenminister Laurent Fabius, die es demonstrativ vermieden, von IS oder ISIS zu sprechen.
"Ich nenne sie Daesh-Halsabschneider!"
"Die Araber nennen sie Daesh", erklärte Fabius in einer Stellungnahme nach den Anschlägen. "Ich nenne sie Daesh-Halsabschneider."
Daesh (ausgesprochen Da-esch) – das steht im arabischen Sprachraum für " Al-Daula al-Islamija fil-Irak wal-Scham", was übersetzt bedeutet: "Der Islamische Staat im Irak und der Levante."
Die Levante umreißt Syrien in seinen historischen Dimensionen, unter Einbindung des Libanon, Israels, den autonomen Palästinensergebieten sowie Jordaniens.
Es hat einen Grund, warum Hollande und Fabius auf die in Deutschland noch recht unbekannte Abkürzung für den sogenannten "Islamischen Staat" zurückgreifen.
"Daesh" passt der IS-Terrormiliz gar nicht
Die Terroristen selbst fühlen sich von der Bezeichnung "Daesh" beleidigt und diskreditiert.
Schließlich weist "Daesh" das größenwahnsinnige Anspruchsdenken der IS-Terroristen von einer Weltherrschaft nicht nur in seine regionalen Schranken.
Der Begriff ist im arabischen Raum zudem sehr negativ behaftet, da er dem Wort "Daeshi" ähnelt - scheinheiligen Glaubenseiferern, die anderen ihre Meinung aufzwingen und durch Säen von Zwietracht der Gemeinschaft schaden.
Die Terroristen lehnen diesen Begriff entschieden ab – wahrscheinlich, weil er der Wahrheit zu nahe kommt.
Viele Muslime hingegen nutzen "Daesh" gerade aus diesem Grund, um sich vom grausamen Terror im vermeintlichen Auftrag des Islam zu distanzieren.
Auch US-Präsident Barack Obama und zahlreiche amerikanische Politiker haben die neue Sprachregelung übernommen, gerade weil "Daesh" für die Terrormiliz ein Rotes Tuch bedeutet.
Australiens Premierminister Tony Abbott schlägt geradezu amüsiert in die gleiche Kerbe: "Sie hassen es, Daesh genannt zu werden. Und alles, was sie hassen, findet automatisch meine Zustimmung."
ISI, ISIL, ISIS und IS?
Doch wie verhält es sich nun mit den anderen Abkürzungen wie ISI, ISIL, ISIS und IS?
Vereinfacht gesagt zeichnen diese Akronyme den Entwicklungsverlauf der Terrororganisation nach.
Weil die Miliz unter Abu Omar al-Baghdadi aus dem Al-Kaida-Ableger im Irak hervorgegangen war, hieß sie zunächst "Islamischer Staat im Irak" (ISI).
Kurz danach "schluckte" al-Baghdadi die syrische al-Nusra-Front gegen deren Willen, um seinen Herrschaftsanspruch auf die Levante auszuweiten (ISIL und ISIS).
Und am 29. Juni 2014 riefen die Terroristen dann das Kalifat aus, den sogenannten "Islamischen Staat" (IS).
Begriff "Islamischer Staat" ist ein Problem
Diese Bezeichnung hat sich gehalten und ist in vielen westlichen Ländern in den allgemeinen Sprachgebrauch übernommen worden, was tatsächlich ein Problem darstellt.
Denn einerseits akzeptiert man damit die Sprachvorgaben der Terroristen, andererseits legitimiert man darüber hinaus auch noch indirekt die Existenz eines "Islamischen Staates", der faktisch von der Mehrheit der Muslime weltweit abgelehnt wird.
Wie äußert man sich nun sprachlich halbwegs unfallfrei im Umgang mit der Terrormiliz?
Kurz gesagt: Der Begriff "Daesh" sollte im Idealfall Schule machen. Schon allein, da er von den Terroristen so vehement abgelehnt wird.
Allerdings ist es im Sinne der allgemeinen Verständlichkeit auch kein grober Fehler, weiterhin von IS und "Islamischer Staat" zu sprechen.
In diesem Fall sollte aber ein einordnendes Wort vorangestellt werden. Denn wenn überhaupt, dann ist und bleibt der IS nur ein sogenannter "Islamischer Staat".
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.