- Trotz anhaltender Evakuierungsflüge aus Kabul befinden sich noch immer tausende Ortskräfte und ihre Familien in Afghanistan.
- Bereits vor Monaten wurde angemahnt lokale Helfer von Bundeswehr, deutschen Behörden und Hilfsorganisationen auszufliegen.
- Doch das geschah nicht - weil sich die Bundesministerien offenbar über Detailfragen stritten, wie der "Spiegel" nun berichtet.
Die Bundesregierung hat einem Bericht zufolge monatelang über den Umgang mit afghanischen Ortskräften gestritten. Das gehe aus internen Sitzungsprotokollen hervor, wie der "Spiegel" am Freitag berichtet. Bereits am 29. April seien Beamtinnen und Beamte der Ministerien für Inneres, Verteidigung, Entwicklung und Äußeres zu einer Besprechung über das sogenannte Ortskräfteverfahren zusammengekommen. Der Vertreter des Verteidigungsministeriums habe dabei gesagt, es sei in den kommenden zwei Monaten mit Aufnahmeanträgen von 1500 Ortskräften zu rechnen.
Ein Großteil dieser Menschen habe allerdings keine afghanischen Pässe oder sonstigen Identitätsdokumente, gab der Ministeriumsvertreter demnach zu bedenken. Das Auswärtige Amt habe daraufhin vorgeschlagen, die Aufenthaltsgenehmigungen für die Ortskräfte nicht in einem langwierigen Verfahren vor der Ausreise, sondern erst nach Landung in Deutschland auszustellen.
Das lehnte das Bundesinnenministerium laut Protokoll der Sitzung ab, wie der "Spiegel" weiter berichtete. Es dürfe "keine Pauschallösung ohne individuelle Gefährdungsprüfung" geben. Ein obligatorischer Sicherheitscheck müsse zudem "vor Einreise abgeschlossen" sein.
Verteidigungsministerium warnte vor "falschem Signal"
Auch die Idee, die Ortskräfte mit Charterflügen außer Landes zu bringen, sei in der Sitzung verworfen worden. Das sende ein "falsches Signal", habe der Vertreter des Verteidigungsministeriums gesagt.
Das Entwicklungsministerium warnte dem Bericht zufolge, es dürfe bei dem gesamten Prozess in Afghanistan "keine Verunsicherung" entstehen, da sonst bei den Ortskräften des Ministeriums "sowie im internationalen Kontext eine Kettenreaktion ausgelöst werden könnte".
Obwohl Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) Mitte Juli auf die Anmietung von Charterflugzeugen gedrängt habe, sei diese Lösung von den beteiligten Ressorts erneut verworfen worden, berichtete der "Spiegel" weiter. "Derzeit besteht nach Einschätzung der Ressorts mit Blick auf verfügbare Linienflüge noch keine Notwendigkeit für Chartermaßnahmen", hieß es demnach im Protokoll einer Ressortbesprechung am 30. Juli. (afp/mf)
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.