• Die Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) reklamiert den Anschlag am Flughafen Kabul für sich.
  • Für die Machtbestrebungen der Taliban stellt der IS eine Gefahr dar.
  • Sollte es den Taliban nicht gelingen, künftige Anschläge zu verhindern, dürfte das geringe Vertrauen in der Bevölkerung rasch schwinden.

Mehr News zu Afghanistan finden Sie hier

Endlich Frieden und Sicherheit nach Jahrzehnten des Krieges - das ist das Argument, mit dem die Taliban bislang in Afghanistan für sich selbst geworben haben. Nun stehen sie vor der schwierigen Aufgabe, dieses Versprechen einzulösen. In ihrem Kampf zur Rückeroberung der Macht haben die Taliban in den vergangenen Jahren häufig auf Selbstmordanschläge gesetzt. Nach ihrer Machtergreifung müssen sie nun selbst ausgerechnet gegen diese Art der Gefahr kämpfen.

Nach dem von der Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) für sich reklamierten Anschlag am Flughafen von Kabul verkündete Taliban-Sprecher Bilal Karimi, der mit den Taliban verfeindete örtliche Ableger des IS werde "besiegt" werden. Ihre eigene indirekte Verantwortung durch das Freilassen inhaftierter Islamisten in den vergangenen Monaten lassen die Taliban dabei allerdings unter den Tisch fallen.

Wo immer die Taliban-Kämpfer in den vergangenen Wochen bei ihrem Eroberungsfeldzug quer durch Afghanistan hinkamen, war es das gleiche Bild: Nach der Eroberung jeder Stadt machten sie sich auf den Weg zum Gefängnis. Ziel war es, die tausenden hinter Gittern sitzenden erprobten Kämpfer aus den eigenen Reihen freizulassen, damit sie sich wieder den Taliban anschließen konnten.

Doch die Öffnung der Gefängnisse könnte sich für die Taliban nun als tödlicher Fehler erweisen. Denn neben den eigenen Leuten kamen dabei auch viele Mitglieder des IS-Ablegers Islamischer Staat Provinz Chorasan (IS-K) frei.

Schon vor dem Anschlag am Kabuler Flughafen hatten die Taliban versucht, sich von den Häftlingsfreilassungen zu distanzieren und die Schuld auf die Regierung des geflohenen Präsidenten Aschraf Ghani abzuwälzen: "Wir sind vorsichtig, denn Häftlinge des IS sind aus dem Gefängnis entkommen und verstecken sich jetzt, nachdem Beamte der Kabuler Regierung ihre Posten verlassen hatten", sagte Taliban-Sprecher Suhail Schahin dem pakistanischen Sender Geo News vor wenigen Tagen.

Taliban unterhalten auf dem Weg zum Flughafen zahlreiche Kontrollposten

Nach dem Anschlag von Kabul weisen die Taliban zudem mit dem Finger auf Washington und betonen, die USA seien für die Sicherheit in dem Bereich an den Flughafen-Toren verantwortlich gewesen, in dem sich die Selbstmordattentäter in die Luft gesprengt hatten. Allerdings sind es die Taliban, die zahlreiche Kontrollposten auf den Zufahrtswegen unterhalten, über die man überhaupt erst zum Flughafen gelangt.

"Taliban-Checkpoints in der ganzen Stadt haben es nicht geschafft, die Täter des Flughafen-Anschlags zu fassen", bilanziert der Afghanistan-Experte Nishank Motwani aus Australien. Mit dem vollständigen Abzug des US-Militärs in wenigen Tagen werden die Taliban zudem künftig allein für die Absicherung des Airports verantwortlich sein.

Sollte es den Taliban nicht gelingen, künftige Anschläge zu verhindern, dürfte das geringe Vertrauen rasch schwinden, das sie sich seit der Eroberung Kabuls vor knapp zwei Wochen in der Bevölkerung erkämpft haben. Doch selbst nach dem Blutbad vom Donnerstagabend versuchen sie weiter die Botschaft zu verbreiten, dass die Afghanen unter ihnen nichts zu befürchten hätten: "Die Leute sollten aufhören, Afghanistan zu verlassen und ins Ausland zu gehen", betonte Sprecher Karimi. "Sie sind jetzt in Sicherheit." (afp/mkoh)

Biden nach Anschlägen in Kabul: "Wir werden nicht vergeben"

US-Präsident Joe Biden kündigte nach den Anschlägen von Kabul an, die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen. © ProSiebenSat.1
JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.