- Zum Verbleib des festgenommenen Bloggers Roman Protassewitsch gibt es weiterhin keine offiziellen Angaben.
- Wie ein Augenzeuge berichtet, soll dem Oppositionsaktivisten allerdings schnell klar geworden sein, dass die Aktion ihm gilt.
- Protassewitschs Vater zeigte sich sehr besorgt und nannte die Aktion einen "Terrorakt".
Auch einen Tag nach der erzwungenen Landung einer Passagiermaschine in Belarus gibt es zum Verbleib des festgenommenen Oppositionsaktivisten und Bloggers Roman Protassewitsch keine offiziellen Angaben. Mehrere Passagiere des Ryanair-Flugs bestätigten Medien in Litauen nach ihrer Landung die Festnahme des 26-Jährigen.
Protassewitsch, der in seiner Heimat unter anderem wegen Anstiftung zu Protesten gegen Machthaber Alexander Lukaschenko zur Fahndung ausgeschrieben war, kam am Sonntag auf dem Flughafen in Minsk in Haft. Das teilten auch der belarussische Journalistenverband und die Menschenrechtsorganisation Wesna mit.
Augenzeuge: Roman Protassewitsch war klar, dass die Notlandung ihm gilt
Einem Augenzeugen zufolge soll Protassewitsch schnell klar geworden sein, dass die Aktion ihm gilt. Das berichtete am Montag ein Passagier dem griechischen TV-Sender Mega. "Als ich hörte, dass das Flugzeug nach Weißrussland zurückkehrt, sah ich seine Reaktion. Er legte die Hände über den Kopf, als wüsste er, dass etwas Schlimmes passieren würde", gab der Grieche Nikos Petalis per Videoschalte aus Vilnius zu Protokoll. Protassewitsch habe gleich verstanden, dass die Notlandung ihm gilt.
Er selbst habe in der Nähe des Aktivisten gesessen. Dieser sei verängstigt gewesen. "Man hat ihn angesehen und gedacht, irgendetwas ist nicht in Ordnung mit ihm." Anschließend aber sei Protassewitsch ruhiger geworden. "Uns wurde nur gesagt, wir müssten in Minsk notlanden." Dann hätten die Passagiere ohne weitere Informationen eine Stunde im Flieger ausharren müssen. Er selbst habe gedacht, es handele sich womöglich um eine Art Notfall-Übung, sagte Petalis.
"Später haben wir im Wartebereich des Flughafens gesessen. Sie haben uns nicht einmal auf die Toilette gelassen. Protassewitsch saß neben mir, als ob nichts geschehen sei. Nach einer Weile kamen Polizisten und nahmen ihn fest." Die Passagiere hätten einen Horrorfilm erlebt", bilanzierte Petalis.
Protassewitschs Vater: "Wir sind sehr besorgt um unseren Sohn"
Protassewitschs Vater Dmitri zeigte sich im Interview des belarussischen Radiosenders Radio Swoboda überzeugt, dass es sich um eine sorgfältige Operation "wahrscheinlich nicht nur von den Geheimdiensten von Belarus" handelte. Russland ist enger Verbündeter von Belarus. Sein Sohn war demnach auf der Rückreise von einem Griechenland-Urlaub in die litauische Hauptstadt Vilnius, als Lukaschenko das Flugzeug zur Landung zwingen ließ. Er selbst habe nicht gewusst, wann sein Sohn fliege.
Dmitri Protassewitsch sprach von einem "Terrorakt" des Machthabers Lukaschenko. "Die Operation hatte ein großes Ausmaß, um auf die gesamte internationale Gemeinschaft zu spucken und auf deren Meinung", sagte Dmitri Protassewitsch. Lukaschenko gilt als "letzter Diktator Europas". Die EU erkennt ihn seit der umstrittenen Präsidentenwahl vom 9. August nicht mehr als Staatschef an. Die EU forderte auch die sofortige Freilassung Protassewitschs.
"Wir sind sehr besorgt um unseren Sohn", sagte Protassewitsch. "Leider wissen wir nicht, wo er ist und was mit ihm ist. Wir hoffen auf das Beste."
Ryanair-Chef vermutet KGB-Agenten an Bord
An Bord der Ryanair-Maschine waren nach Ansicht von Unternehmenschef Michael O'Leary auch Agenten des Geheimdienstes KGB. "Es wirkt, dass es die Absicht der Behörden war, einen Journalisten und seine Reisebegleiterin (aus dem Flugzeug) zu entfernen", sagte der Chef der irischen Billigfluglinie am Montag dem irischen Radiosender Newstalk.
"Wir vermuten, dass auch einige KGB-Agenten am Flughafen (in Minsk) abgeladen wurden." O'Leary sagte, es handle sich um einen "Fall von staatlich unterstützter Entführung, (...) staatlich unterstützter Piraterie". Der Ryanair-Chef lobte die Besatzung für ihren "phänomenalen Job". Der Vorfall sei "sehr beängstigend" gewesen, für Personal und Passagiere.
Über den Vorfall und mögliche Sanktionen gegen Belarus soll bei einem ohnehin geplanten EU-Sondergipfel beraten werden, der am Montagabend beginnt. (ff/dpa)
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