Blockupy will sich gegen Kapitalismus und die EU-Krisenpolitik stemmen – friedlich, kreativ und bunt, so lautet das gemeinsame Ziel. Doch als die Europäische Zentralbank (EZB) am Mittwoch ihr neues Gebäude einweiht, liefern sich Polizisten und Demonstranten heftige Straßenschlachten. Mit der Gewalt untergräbt die Bewegung am Ende nur die eigenen Ziele.

Mehr aktuelle News

Es sind Bilder, wie man sie meist nur aus autoritären Staaten kennt: Vermummte Demonstranten schleudern Steine, Autos und Barrikaden brennen, Rauchschwaden steigen auf. Doch die Wut der Menschen an diesem Mittwoch richtet sich nicht etwa gegen einen Diktator, tausende Kilometer weit entfernt – sondern gegen die Europäische Zentralbank (EZB) mitten in Frankfurt.


Im Stadtteil Ostend hat die Bank an diesem Mittwoch ihre neue Zentrale eingeweiht, einen fast 200 Meter hohen Glas-Monolithen, der rund 1,3 Milliarden Euro gekostet hat. Nicht allen gefällt das. Für viele Menschen ist die EZB zu einem Symbol geworden für ausufernden Kapitalismus; sie schütze nur die Banken und schade den Bürgern, lautet die Kritik linker Aktivisten.
Seit 2012 haben sich linke Organisationen deshalb unter dem Namen Blockupy zusammengetan und protestieren gegen die EU-Krisenpolitik. Ihr Name entspringt der Occupy-Bewegung, die von September 2011 an im New Yorker Zuccotti-Park campierte und die Finanzwelt der Wall Street kritisierte. Anders als das amerikanische Vorbild ist Blockupy jedoch in feste Strukturen eingebunden.

Blockupy will friedliche Proteste

Schon lange vor dem offiziellen Termin war die Bewegung gegen die EZB-Einweihung Sturm gelaufen. Auch der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) hatte eine eigene Veranstaltung angemeldet. Das gemeinsame Ziel: Ein friedlicher Protest ohne Gewalt und Ausschreitungen. "Als Blockupy haben wir einen Aktionskonsens, dass von uns keine Eskalation ausgehen soll", sagte Blockupy-Sprecher Malte Fiedler am Rande der Demonstrationen in Frankfurt. Zugleich zeigte er kein Verständnis für das massive Aufgebot der Polizei mit Stacheldraht, Wasserwerfern und Hubschrauber und sprach von einem "Bürgerkriegsszenario".


Genau danach sah es am Mittwoch aus, als Streifenwagen und Mülleimer brannten, als Polizisten und Vermummte aufeinanderprallten. Janine Wissler, die Vorsitzende der Links-Fraktion im hessischen Landtag, hatte noch auf Twitter gemahnt: "Wir sind hier, um gegen die Politik der EZB zu demonstrieren. Der Aktionskonsens von #Blockupy ist bunt, kreativ und friedlich zu protestieren." Vergebens - die Polizei nahm bereits am Vormittag rund 350 Menschen fest, die Deutsche Polizeigewerkschaft sprach von einem "gewaltbereiten Mob" aus ganz Europa.
Die Krawalle stellen die gesamte Bewegung vor ein Problem: Was am Ende hängen bleibt, was viele Medien und Fotografen aufgreifen, ist eben nicht das Bild einer friedlichen Bewegung. Sondern das von einer Horde Rowdys, die sich Straßenschlachten mit der Polizei liefern. Sven Giegold, Sprecher der Grünen im Europaparlament, kommentierte: "Diese Bilder helfen genau den Falschen!"

Argumente und Ziele gehen in der Gewalt unter

Dabei gäbe es auch die anderen Bilder: Menschen, die als Clowns für gute Laune sorgen, die mit Gitarre und Klavier protestieren und ein Meer aus bunten Fahnen schwenken. Doch sie verpuffen. Die "FAZ" zitiert Harald Fiedler, den Geschäftsführer der DGB-Region Frankfurt-Rhein-Main: "Das ist doch verrückt. Wir wollen heute Argumente rüberbringen und Kritik an der falschen Sparpolitik in den südeuropäischen Krisenländern. Nun gibt es wieder Schlagzeilen über Gewalt und Straßenschlachten, und die Argumente gehen unter."

Das ist das Dilemma von Blockupy: Eine gewaltbereite Minderheit sabotiert mit ihren Ausschreitungen die legitimen Ziele der gewaltlosen Mehrheit. Man muss diesen Zielen nicht zustimmen – aber seine Meinung friedlich zu äußern, ist das Grundrecht eines jeden Bürgers. "Für uns soll das hier ein starker politischer Ausdruck sein für ein anderes Europa", sagte Blockupy-Sprecher Fiedler.

Wenn jedoch ein Teil der Gruppe zu Gewalt greift, sägt er damit am Fundament der gesamten Proteste. Bewegungen wie Blockupy wollen wachrütteln und aufklären. Dafür sind sie auf Solidarität und Zustimmung angewiesen. Ihre Legitimation ziehen sie nicht zuletzt aus einem möglichst breiten Rückhalt in der Bevölkerung. Doch mit den Krawallen wird dieser auf eine harte Probe gestellt – und das auf Kosten tausender friedlicher Demonstranten.

JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.