Das millionenfache Töten von Küken wird seit Jahren kritisiert. Nun beschäftigt sich das Bundesverwaltungsgericht mit dem Thema. Können wirtschaftliche Interessen ein vernünftiger Grund sein, männliche Küken zu schreddern oder zu vergasen?
Das Bundesverwaltungsgericht verhandelt über die Rechtmäßigkeit des millionenfachen Tötens männlicher Küken. Das Land Nordrhein-Westfalen hatte 2013 den Brütereien die umstrittene Praxis untersagen wollen.
Dagegen klagten zwei Betriebe und bekamen in den Vorinstanzen Recht. Jetzt muss das oberste deutsche Verwaltungsgericht in einem Grundsatzurteil klären, ob das Kükentöten mit dem Tierschutzgesetz vereinbar ist.
Die wichtigsten Fragen und Antworten:
Was ist das Problem?
Für die Produktion von Eiern werden Legehennen gezüchtet. Sie sind darauf getrimmt, viele Eier in kurzer Zeit zu legen. Sie setzen kaum Fleisch an.
Männliche Tiere braucht man nicht. Das Geschlecht konnte man jahrzehntelang erst nach dem Schlüpfen erkennen. Darum werden die männlichen Küken von Legehuhnrassen massenhaft geschreddert oder vergast - jährlich laut Bundesagrarministerium rund 45 Millionen Tiere.
Tierschützer laufen seit langem Sturm gegen dieses ethisch fragwürdige Vorgehen.
Was muss das Bundesverwaltungsgericht entscheiden?
Das Gericht muss grundsätzlich klären, ob das Kükentöten mit dem Tierschutzgesetz vereinbar ist. Das besagt in Paragraf 1, dass niemand einem Tier "ohne vernünftigen Grund" Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen darf.
Das damals rot-grün regierte Nordrhein-Westfalen nahm 2013 darauf Bezug und wollte das Kükentöten per Erlass verbieten lassen. Zwei Brütereien klagten dagegen.
Wie hat die Vorinstanz geurteilt?
Das Oberverwaltungsgericht (OVG) in Münster gab 2016 den Brütereien Recht. Für das Töten der Küken gebe es einen vernünftigen Grund.
Das OVG wog die ethischen Gesichtspunkte des Tierschutzes und die menschlichen Interessen an der Legehennenzucht gegeneinander ab. So kam es zu dem Schluss, dass die wirtschaftlichen Bedingungen der Brütereien das Kükentöten rechtfertigten.
Das Bundesverwaltungsgericht muss nun die OVG-Urteile auf ihre Richtigkeit überprüfen. (Az.: BVerwG 3 C 28.16 und 3 C 29.16 )
Gibt es keine Alternativen zum Kükentöten?
Doch. Wissenschaftler haben seit langem an Verfahren zur Geschlechtsbestimmung bereits im Hühnerei geforscht. Die Bundesregierung hat die Forschung mit Millionenaufwand unterstützt, denn auch sie will das Kükentöten beenden.
Inzwischen gibt es mehrere Methoden, mit denen über ein kleines Loch in der Eierschale eine Geschlechtsbestimmung vorgenommen werden kann. Sie sind allerdings noch nicht serienreif und werden nicht flächendeckend genutzt.
In Supermärkten der Ketten Rewe und Penny gibt es Eier von Legehennen, die mit einem Alternativ-Verfahren gezüchtet wurden.
Was sagt die Geflügelwirtschaft?
Der Zentralverband der Deutschen Geflügelwirtschaft (ZDG) warnt vor einem vorschnellen Verbot des Kükentötens. "Das würde alle deutschen Brütereien treffen", sagte Verbandspräsident Friedrich-Otto Ripke.
Die Veterinärämter in den Bundesländern würden keine Genehmigungen mehr für das Töten ausstellen, viele Betriebe würden ins Ausland abwandern. Dem Tierschutz sei damit nicht geholfen.
Die Branche wolle die Praxis beenden - brauche dafür aber eine Übergangszeit.
Wie ist die Position der Tierschützer?
"Wir setzen darauf, dass das Bundesverwaltungsgericht wirtschaftliche Interessen nicht als vernünftigen Grund anerkennt", betonte der Deutsche Tierschutzbund. "Jedes andere Urteil wäre ein ethischer Skandal und würde von der großen Mehrheit der Gesellschaft nicht akzeptiert."
Die Tierschützer sehen die Geschlechtsbestimmung im Ei auch nur als Übergangslösung an. Das eigentliche Problem sei die extrem spezialisierte Zucht von Legehennen.
Der bessere Weg sei das "Zweinutzungshuhn", dass sowohl viele Eier legt als auch Fleisch ansetzt, sodass die Hennen für die Eierproduktion und die Hähne für die Mast genutzt werden können.
(dpa/ank)
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