Der türkische Journalist Can Dündar hofft darauf, mit kritischen Beiträgen im deutschen Fernsehen auch die Öffentlichkeit in der Türkei wachzurütteln. Es gebe ein "enormes Interesse" in der Türkei an solchen Sendungen, sagte der 63-Jährige der Deutschen Presse-Agentur. "Die Themen, die wir ansprechen, sind dort ein absolutes Tabu."

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Das Erste zeigt in der kommenden Woche seine neuen Recherchen: Die "ARD Story: Der Mafiaboss, Präsident Erdogan und ich" läuft am Dienstag (13.8., 22.45 Uhr). Dündar und Co-Autorin Stella Könemann gehen in der 45-minütigen Dokumentation Spuren nach, die auf eine Verbindung der türkischen Regierung mit dem organisierten Verbrechen hindeuten.

ARD-Doku auch in türkischsprachiger Version

In der ARD Mediathek wird es auch eine türkischsprachige Version geben. Daneben wird sie unter anderem auf dem #Özgürüz – YouTube-Kanal zu sehen sein. Das von Dündar gegründete Online-Magazin konnte im Juli trotz Ferienzeit mehr als 1,5 Millionen Videoabrufe verzeichnen.

Denn jenseits des Bosporus existiere überhaupt keine Möglichkeit mehr, sich mittels unabhängiger Medien zu informieren, so Dündar. Es gelte vor allem, gegen einen Gewöhnungseffekt anzukämpfen. ""Okay, ein Journalist wurde getötet, schon wieder einer…" - wir müssen immer und immer wieder wachrütteln. Zeigen, dass dieses Land dabei ist, sich in einen Mafia-Staat zu verwandeln."

Mit diesem Engagement macht sich der Autor nach eigenen Worten auch selbst zur Zielscheibe: "Jeder Artikel, den ich schreibe, jedes Interview, das ich gebe, bringt mich in Gefahr. Aber jemand muss die Gefahr auf sich nehmen."

Ein Mafiaboss packt aus

Ausgerechnet der in der Türkei bekannte Mafiaboss Sedat Peker, mutmaßlich der Drahtzieher eines Mordanschlags auf Dündar, wird dabei zum Kronzeugen. Aus seinem kuwaitischen Exil hatte der Ex-Pate über YouTube-Videos Verflechtungen von Regierung und Gangstern in den Raum gestellt - offensichtlich auch aus Rache für seine Entmachtung.

"Für mich war es bei dieser Doku die größte Herausforderung, den Mafiachef als Hauptquelle zu nutzen, der wahrscheinlich für das Attentat auf mich verantwortlich ist", sagte der preisgekrönte Journalist der dpa.

"Es ist nicht mehr geheim"

"Viele Deutsche machen gerne Urlaub in der Türkei, etwa in Bodrum, aber sie werden die Hafenstadt nach unserer Dokumentation sicher mit anderen Augen sehen", sagte der Exilant. Seine weitere Hoffnung: Deutsche Entscheidungsträger könnten mehr Klarheit darüber gewinnen, was dort geschieht und mit wem sie eigentlich in Kontakt stehen, wenn sie zu der türkischen Regierung vielfältige Beziehungen pflegen: "Und zum anderen lassen wir die Verantwortlichen in Ankara wissen, dass das, was sie tun, nicht mehr geheim ist – und davor fürchten sie sich."

Can Dündar arbeitete für Fernsehsender und verschiedene Zeitungen in der Türkei und schrieb eine Reihe von Büchern. Bis 2016 war er Chefredakteur der regierungskritischen Zeitung "Cumhuriyet". Bereits im November 2015 wurde er verhaftet und war drei Monate im Gefängnis. Seit 2016 lebt Dündar in Deutschland im Exil. 2020 wurde er von einem türkischen Gericht in Abwesenheit zu mehr als 27 Jahren Haft verurteilt.  © dpa

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