Es ist ein sensationeller Erfolg für die Demokraten: Ihr Kandidat für den Senat, Doug Jones, setzt sich gegen Roy Moore durch – und das in einem der erzkonservativsten Staaten der USA. Die spektakuläre Niederlage des Republikaners in Alabama offenbart dabei vor allem eins: Donald Trumps Dilemma.

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Roy Moore sollte eigentlich in den Senat einziehen. Sein Sieg schien lange sicher. Denn Alabama gilt als erzkonservativer Staat, als eine Hochburg der Republikaner. Noch zur Präsidentschaftswahl holte Donald Trump dort 62 Prozent der Stimmen.

Die Demokraten sind in Alabama in der Minderheit. Nach 25 Jahren wendet sich nun das Blatt. Ihr Kandidat Doug Jones gewinnt die Wahl – und sendet damit eine Botschaft: "Der Sieg von Jones ist ein Zeichen an die Republikaner: Es kann gefährlich werden, zu radikale Kandidaten aufzustellen", resümiert USA-Experte Henning Riecke von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik im Gespräch mit unserer Redaktion.

Zu radikale Positionen

Richter Moore gilt als Hardliner. Er steht für ein gottesfürchtiges und waffen-liebendes Amerika. Eines, das das sogenannte Establishment ablehnt. Eine Formel, auf die auch Trump zu setzen wusste und die ihn ins höchste Amt hievte.

So verwundert es kaum, dass Moore von Stephen Bannon, Trumps ehemaligem Berater, aufgebaut wurde. Der "Breitbart-News"-Chef habe versucht, das gemäßigtere Partei-Establishment zu schwächen und den radikalen Flügel zu stärken.

Dieser Plan ging nicht auf. Zu radikal scheint der Kurs für die Wähler gewesen zu sein. Moore, der sich etwa für ein Verbot von Homosexualität einsetzte und Muslime aus dem Senat verbannen wollte, eckte mit seiner extremen Haltung zu sehr an, verschreckte.

Missbrauchsskandal verschreckt Wähler

Ins politische Straucheln geriet der Richter letztendlich aber wegen eines Missbrauchskandals. Mehrere Frauen beschuldigen den heute 70-Jährigen, sich an ihnen sexuell vergangen zu haben, als sie noch minderjährig waren. Daraufhin hatten sich republikanische Senatoren von Moore distanziert. Nur Donald Trump nicht. Der machte weiterhin Wahlkampf für ihn.

Allerdings wäre der Richter aus Alabama diesen Vorwurf "auch bei einem Sieg nicht mehr losgeworden", gibt USA-Experte Henning Riecke zu bedenken. "Über das Ethik-Komitee hätte sich der Senat dieses Themas sicher angenommen und ihn wieder vor die Tür gesetzt."

Dass Moore gegen Jones mit 48,4 zu 49,9 Prozent das Nachsehen hatte, wird einerseits einer starken Mobilisierung der demokratischen Wähler zugeschrieben. Andererseits haben sich aber auch viele konservative Wähler gegen Moore entschieden – wohl wissend, dass die Mehrheit im Senat mit einer Niederlage des republikanischen Kandidaten schrumpfen wird.

20.000 Republikaner konnten sich nicht durchringen, einen Demokraten zu wählen. Sie schrieben neben ihr Kreuz einen anderen Namen, was ihnen per Gesetz erlaubt ist.

Außerdem scheinen es die Wähler in Alabama "nicht so gerne zu sehen, wenn sich andere von außen – ob nun aus der politischen Klasse in Washington oder durch die rechtspopulistische Plattform 'Breitbart News' – einmischen und ihnen sagen, wen sie wählen sollen", gibt Riecke zu bedenken.

Mehrheit im Senat schrumpft

Mit Blick auf künftige Wahlen ist für Riecke klar: "Trump wird die Wähler nicht mehr an die Urnen bekommen, wenn er auf extreme Kandidaten setzt."

Die Wahl in Alabama hat dem USA-Experten zufolge Signalwirkung für andere Staaten. "Zu radikale republikanische Kandidaten könnten bei den Zwischenwahlen im November 2018 etwa in Arizona oder Nevada die Senatssitze an die Demokraten gehen lassen", so Riecke.

Für Trump ist die Niederlage mehrfach bitter. Sie offenbart, dass radikale Kandidaten nicht mehr zum gewohnten Erfolg verhelfen. Sorgen muss er sich auch um die eigenen Umfragewerte machen. Nachwahlbefragungen zeigen, dass seine Zustimmungswerte in Alabama bei gerade einmal noch 48 Prozent liegen.

Für Trump ist das verheerend. "Besonders ungewöhnlich ist, dass Trump eine so starke und deutliche Gegnerschaft hat. Sehr viele Menschen sagen, sie mögen Trump nicht", sagt Riecke.

Mit dem Sieg von Jones schrumpft zudem die knappe Mehrheit der Republikaner im Senat – von 52 auf 51 Stimmen. Das heißt, es braucht nur noch zwei Abweichler, um Gesetze zu kippen.

Steuerreform auf der Kippe

Das gefährdet etwa die Steuerreform, die die Republikaner durchboxen wollen, ehe Jones seinen Sitz einnimmt, aber auch das Budget und die Infrastrukturprogramme, die Trump plant, erklärt Riecke. Ein republikanischer Senator soll sich bereits gegen die Steuerreform ausgesprochen haben und eine weitere Senatorin gilt als Wackelkandidatin.

Bliebe es dabei und Jones säße bei der Abstimmung schon im Senat, hätte Trump die nötigen 50 Prozent zur Verabschiedung des Gesetzes nicht mehr. Auch andere Projekte dürften dann schwer durchzusetzen sein – etwa der Bau der Mauer zu Mexiko.

Trump muss Kurs ändern

Donald Trump muss nun innerhalb der Partei mit noch mehr Gegenwind rechnen. Er ist zu Beginn seiner Amtszeit bereits gegen die etablierten Parteikader vorgegangen und hat es nicht geschafft, sie bei anderen Vorhaben einzubinden.

Der ohnehin schon tiefe Graben, der sich durch die Partei zieht, scheint mit der Niederlage Moores noch tiefer zu werden. Parteistratege Josh Holmes sagte der "Washington Post": "Bei allen Republikanern sollten jetzt die Alarmglocken schrillen. So sieht der Tod einer Partei aus." Steve Bannon habe gezeigt, wie man selbst den "rotesten der roten Staaten" verlieren könne. Die Partei brauche dringend einen neuen Kurs.

Das sieht Riecke ähnlich: "Trump muss stärker auf das Establishment des Parteiapparates zugehen, mit dem er ein schwieriges Verhältnis hat. Der republikanische Mehrheitsführer im Senat hat sogar aktiv gegen Moore Stimmung gemacht".

Der US-Präsident müsse endlich erkennen, dass er alle Republikaner im Senat braucht, anstatt sich auf Einpeitscher wie Bannon zu stützen, die gegen das Establishment vorgehen.

"Er kann keine Erfolge vorzeigen, wenn der Senat nicht mitmacht. Er kann höchstens die Schuld von sich weisen, wenn seine Gesetze nicht durchgehen. Aber es sind Niederlagen und politisch trägt das nicht weit."

Die Demokraten wiederum haben einige Trends auf ihrer Seite: Mit den Wahlergebnissen in Virginia und New Jersey konnten sie der Trump-Regierung Grenzen aufzeigen. Dass selbst konservative Staaten wie Alabama die Nase voll haben von den Extremen, sei ein klares Signal, so Riecke.

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