Der Kreml-Kritiker Anatoli Beresikow ist am 14. Juni erhängt in seiner Zelle aufgefunden worden. Russische Behörden stuften seinen Tod als Suizid ein - doch Freunde des russischen Aktivisten glauben der Version nicht. Sie wollen seinen Tod nun untersuchen lassen.
Bevor er Mitte Juni tot in seiner Gefängniszelle gefunden wurde, hat Kreml-Kritiker Anatoli Beresikow oft von seiner Angst gesprochen zu "verschwinden". Der 40-jährige Aktivist, der sich gegen die russische Ukraine-Offensive ausgesprochen hatte, war in Rostow am Don wegen kleinerer Vergehen zu drei kurzen Haftstrafen verurteilt worden - und einen Tag vor seiner Entlassung gestorben.
Sein Tod wurde von den russischen Behörden als Suizid eingestuft. Doch Freunde Beresikows und russische Aktivisten glauben der offiziellen Version nicht.
Beresikow war am 14. Juni erhängt in seiner Zelle gefunden worden, Ergebnisse einer medizinischen Untersuchung wurden nicht veröffentlicht. Die Behörden prüfen nach eigenen Angaben, ob es Schikanen oder Misshandlungen gab, die zum Suizid geführt hätten. Freunde und Unterstützer widersprechen dagegen dieser Darstellung. Sie gehen davon aus, dass der 40-Jährige in der Haft gefoltert wurde, und dass das zu seinem Tod geführt haben könnte.
Anwälte: Beresikow wurde geschlagen und mit Elektroschocks gefoltert
"Leute können ohne Prozess oder Ermittlungen unterdrückt werden", sagt die Menschenrechtlerin Tatjana Sporytschewa der Nachrichtenagentur AFP über die Zustände in Russland. "Sie können dich entführen, einsperren, durchsuchen, einschüchtern, foltern und umbringen." Sporytschewa und die Anwältin Irina Gak, die sich beide um den Fall kümmerten, haben Russland verlassen, nachdem sie von Sicherheitskräften bedroht wurden.
Beresikow ist der erste offene Kritiker der russischen Ukraine-Offensive, der in der Haft umgekommen ist, seit der Kreml im Februar 2022 seinen großangelegten Militäreinsatz im Nachbarland startete. Er ist einer von tausenden Russen, die wegen ihrer kritischen Haltung zum Ukraine-Konflikt bedroht, mit Geldstrafen belegt oder ins Gefängnis gesteckt wurden.
Beresikow hatte nach eigenen Angaben Plakate der ukrainischen Kampagne "Ich will leben" angeklebt, die russischen Soldaten erklärt, wie sie sich an der Front ergeben können. Im Mai war er festgenommen und zu drei kurzen Haftstrafen verurteilt worden. Diese Taktik wird oft gegen Kreml-Kritiker angewandt, bevor sie eines schwereren Verbrechens angeklagt werden.
Beresikows Anwälte sagen, er sei geschlagen und mit Elektroschocks gefoltert worden. Sporytschewa nahm am 31. Mai ein Video von ihm im Gerichtssaal auf, in dem er erschöpft aussieht. "Er hatte sehr abgenommen und sagte immer wieder: 'Sie wollen mich wegschaffen. Ich werde verschwinden und keiner wird mich finden'", berichtet sie.
In Rostow am Don im Süden der Ukraine war der bärtige, langhaarige Beresikow als unkonventioneller Oppositioneller bekannt, der bei Wind und Wetter in kurzen Hosen und oft ohne Hemd auf dem Fahrrad unterwegs war. "Er arbeitete als Tätowierer und Körper-Piercer. Er baute auch Tätowiermaschinen und verkaufte sie", erzählt ein Freund, der anonym bleiben will. Denn Beresikows Freunde und Unterstützer sind auch ins Visier der Sicherheitskräfte geraten.
Musiker Walentin Sochorew: "Er war mutig, aber verrückt."
Beresikow war ein großer Fan experimenteller Musik. Der Musiker Walentin Sochorew nennt ihn einen "begnadeten Techniker", der Synthesizer baute, für die er überall nach Zubehör suchte. Ein Foto von 2019 zeigt ihn auf einem verschneiten Flohmarkt - in seinen üblichen Shorts und mit freiem Oberkörper.
Sochorew hat nach eigener Aussage oft versucht, Beresikow von seinen Aktionen abzubringen. "Ich sagte ihm … 'Wenn du mit deinem Hintern vor einem Hornissennest wedelst, kannst du davon ausgehen, dass sie dich ordentlich stechen. Mach' das nicht!'", berichtet Sochorew. "Aber er sah das nicht so, sah die Gefahr nicht. Er war mutig, aber verrückt." (AFP/pak)
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