Nach der vorläufigen Absage an ein Klimageld durch Finanzminister Christian Lindner ist offen, wie von einem höheren CO2-Preis betroffene Bürgerinnen und Bürger unterstützt werden. Experten plädieren für eine stärkere Verzahnung von Klima- und Sozialpolitik.

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Im Koalitionsvertrag kündigte die Bundesregierung noch die Entwicklung eines sogenannten Klimagelds an. Vor Kurzem erteilte Finanzminister Christian Lindner (FDP) den Plänen eine Absage – vorerst.

Lindner erwartet das Klimageld frühestens 2026. Umwelt- und Sozialverbände fordern in einem Offenen Brief die Umsetzung noch in der laufenden Legislaturperiode.

Sozial gerecht verteilen – aber wie?

Allerdings kommt die Idee des Klimagelds bei den Bürgerinnen und Bürgern nicht richtig an. "Viele haben tatsächlich gesagt: Na ja, das ist ja irgendwie rechte Tasche, linke Tasche, ich zahle etwas und dann kriege ich es wieder zurück", berichtet Sabine Preuß, Akzeptanz-Forscherin am Fraunhofer-Institut.

Das ausgezahlte Klimageld dient vor allem der sozial-gerechten Umverteilung der Einnahmen durch den angehobenen CO2-Preis aus dem Klimatransformationsfonds KTF. Diese Anhebung betrifft nun auch den Gebäude- und Verkehrssektor. Wer noch auf ein Verbrennerauto angewiesen ist, mit Gas oder Öl heizt, muss mit steigenden Energiekosten rechnen.

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Weil nicht alle Betroffenen sich den Umstieg auf emissionsarme oder -freie Alternativen leisten können, besteht die Grundidee des Klimagelds darin, die Kosten abzufedern und den Umstieg zu ermöglichen.

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Nichtstun in Sachen Klimageld erhöht die Ungerechtigkeit

Da es unterschiedliche Gerechtigkeitsvorstellungen in einer Gesellschaft gebe, gebe es keine klare Antwort auf die Frage nach einer gerechten Verteilung, sagt Stephan Sommer vom Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung in Essen. Klar ist jedoch für den Volkswirtschaftler: Mit einer progressiven Klimapolitik würden eher einkommensschwächere Haushalte entlastet.

Würde die Klimapolitik nichts tun, wirke dies regressiv, da ein einkommensschwacher Haushalt verhältnismäßig stärker belastet würde. Die Absage von Finanzminister Christian Lindner an ein Klimageld erhöht damit die soziale Ungerechtigkeit.

Geld für massive Investitionen in den Klimaschutz

"Klimapolitik ist sehr teuer", sagt Matthias Kalkuhl, Leiter der Arbeitsgruppe Wirtschaftswachstum und menschliche Entwicklung am Mercator-Institut in Berlin. Die Frage an die Politik sei: "Wer trägt diese Kosten?"

Der Klimaökonom plädiert dafür, die CO2-Bepreisung als konkretes Instrument zu sehen, das auf die Einsparung von CO2 einzahlt und gleichzeitig den Umstieg auf CO2-neutrale Techniken finanzieren könnte. Für das Erreichen des 1,5-Grad Ziels seien "massive Investitionen" mit "erheblichen Kosten" notwendig. Dies gelte es gut zu koordinieren und die Belastung gut aufzuteilen.

Bei der Aufteilung der Kosten sei die Politik in der Vergangenheit "zu blauäugig" gewesen, sagt Kalkuhl mit Blick auf die Heizungsdebatte im Jahr 2023: Insbesondere im Immobilienbereich würden entsprechende Kosten sehr heterogen anfallen. Altbauten etwa müssen gedämmt werden, um den Wärmebedarf zu drücken, was bei Neubauten nicht mehr nötig ist. Entsprechend müsse die Rückerstattung über ein Klimageld nach Betroffenheit stärker ausdifferenziert werden. Die Gaspreisbremse sei hierfür ein gutes Beispiel, wie man Unterstützung differenzieren könne.

Die Heterogenität der Klimaschutz-Kosten lasse sich nicht pauschal mit dem Klimageld abfedern, ergänzt Stephan Sommer. Er weist darauf hin, dass das Klimageld auch im Sinne eines Green Spending auch in weitere Klimaschutzinstrumente investiert werden könne. Eine noch nicht veröffentlichte Umfrage des Leibniz-Instituts habe aber gezeigt, so schränkt Sommer ein, dass ein Green Spending nur so lange "sehr stark befürwortet" werde, wie der CO2-Preis nicht stark ansteige.

Green Spending hat Priorität – gerade bei armen Menschen

Dass die Bürgerinnen und Bürger gemeinwohlorientiert in Sachen Klimageld denken, untermauert eine aktuelle ifo-Umfrage. Demnach bevorzugen es die meisten, wenn das Klimageld nicht an sie persönlich ausgezahlt wird, sondern für effektive Klimaschutzmaßnahmen eingesetzt wird oder an ärmere Menschen geht.

Eine Studie des Fraunhofer-Instituts für System- und Innovationsforschung in Karlsruhe zeigt allerdings, dass gerade vulnerable Bevölkerungsgruppen, wie zum Beispiel Menschen mit niedrigem Einkommen, hohen Wert darauflegten, dass die eingenommenen Gelder nicht nur gerecht, sondern auch im Sinne des Green Spending mit einem hohen Klimaeffekt eingesetzt werden sollten.

Für Preuß kommt dies etwas "überraschend", dass ausgerechnet Menschen mit geringem Einkommen nicht so viel Wert darauflegen, ob diese Mittel auch persönlich bei ihnen ankommen, sondern stark gemeinwohlorientiert denken. Sie empfinden es als am gerechtesten, wenn das Schienennetz ausgebaut oder in Windkraftanlagen investiert würde.

Haushaltspolitik soll Soziales und Klima stärker verzahnen

Sabine Preuß sieht daher auch "immer mehr Verbindungen zwischen der Sozial- und der Umweltpolitik", die aktuell nicht gelöst würden. Eine strikte Trennung in ein Silo Umweltpolitik und ein Silo Sozialpolitik würde jedoch nicht funktionieren. Notwendig sei vielmehr eine engere Zusammenarbeit und eine Kombination mehrere Maßnahmen, um letztlich auch eine breitere Akzeptanz zu erreichen. Wichtig sei hierbei die Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger und die Förderung lokaler Projekte auf kommunaler Ebene, um Vertrauen zu schaffen.

Matthias Kalkuhl plädiert dafür, die Klimapolitik nicht mit sozialpolitischen Forderungen zu überfrachten, sondern die Frage nach Einkommensungleichheiten etwa separat anzugehen und dennoch in einem Lösungspaket mit der Klimapolitik zu betrachten. Er hält es für eine "problematische Vorstellung" der deutschen Politik, dass Klimaschutzmaßnahmen ausschließlich aus dem KTF finanziert werden sollen.

Es bedarf eigentlich zusätzlicher Mittel für den Infrastrukturausbau etwa bei der Bahn und den öffentlichen Gebäuden, betont der Wirtschaftsexperte. Dies müsse aus dem allgemeinen Haushalt finanziert werden, der aktuell jedoch nichts für den Klimaschutz ausgeben wolle. Das Klimageld aus dem KTF könne dann hier soziale Härten ausgleichen. Kalkuhl: "Da fehlt das Konzept: Wie machen wir die CO2-Bepreisung sozial gerecht, wie machen wir sie fit für höhere Preise? Und wie werden die anderen Aufgaben aus dem allgemeinen Haushalt finanziert?"

Verwendete Quellen

Tucker Carlson

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Das erste Interview von Kremlchef Putin mit einem westlichen Journalisten seit Kriegsbeginn soll in den USA zur besten Sendezeit laufen. US-Talkmaster Tucker Carlson kündigt das als Medienereignis an.

  © RiffReporter

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