Volle Mülltonnen, geschlossene Kitas, stillstehende Straßenbahnen - möglicherweise kommen Unannehmlichkeiten wie diese in den kommenden Wochen auf die Menschen in Deutschland zu.
Die Gewerkschaften drohen im Tarifstreit um den öffentlichen Dienst mit größeren Warnstreiks. Notfalls soll wegen Corona ohne große Kundgebungen und mit Abstand gestreikt werden, wie Verdi-Chef Frank Werneke ankündigte. Nach der am Samstag beginnenden zweiten Verhandlungsrunde werde bei einer Verweigerungshaltung der Arbeitgeber der Druck massiv erhöht, sagte der Vorsitzende des Beamtenbundes dbb, Ulrich Silberbach, der Deutschen Presse-Agentur in Berlin.
Der Lüneburger Oberbürgermeister Ulrich Mädge, der für mehr als zwei Millionen Beschäftigte im öffentlichen Dienst bei etwa 10.000 kommunalen Arbeitgebern verhandelt, lehnt Lohnforderungen der Gewerkschaften ab. "Wertschätzung zeigt sich nicht immer durch Entgeltsteigerungen, sondern eben auch durch einen sicheren Arbeitsplatz", sagte Mädge der "Welt".
Die Gewerkschaften fordern 4,8 Prozent mehr Lohn, mindestens aber 150 Euro, bei einer Laufzeit von zwölf Monaten. Die kommunalen Arbeitgeber pochen auf eine lange Laufzeit bis 2023. Bereits bisher hatte Mädge, Präsident der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA), betont, die Kommunen hätten nichts zu verteilen. Ihre Einnahmen brachen wegen der Corona-Krise ein.
Abstand halten: Streiken in Zeiten von Corona
Verdi-Chef Frank Werneke räumte ein, dass der wegen Corona nötige Infektionsschutz Protest erschwert. Doch dass Arbeitskampfmaßnahmen möglich seien, zeigten die Beschäftigten seit zwei Wochen bei der Deutschen Post mit einer sehr hohen Beteiligung, sagte er der "Süddeutschen Zeitung". "Wir verzichten dort auf große Kundgebungen und streiken mit Abstand. Wenn das notwendig werden sollte, werden wir mit der gleichen Umsicht selbstverständlich auch in anderen Tarifverhandlungen agieren, auch im öffentlichen Dienst."
Werneke sagte: "Falls wir zu Arbeitskampfmaßnahmen aufrufen müssen, werden wir das so verantwortungsvoll tun, wie es in dieser Zeit notwendig ist." Das hätten am Wochenende letztlich die Arbeitgeber mit ihrem Verhalten in der Hand. "Deshalb werde ich jetzt nichts ausschließen." Bei den vorangegangenen Tarifverhandlungen 2018 waren Millionen Bürger etwa von stillstehenden Bussen und Bahnen sowie Störungen im Flugverkehr betroffen.
Silberbach sagte, in zentralen Fragen wie beim Einkommen und einer Besserstellung von Fachkräften müssten beide Seiten jetzt in Potsdam weiterkommen. Mit Blick auf andernfalls wahrscheinliche Ausstände sagte der dbb-Chef: "Das ist in diesem Land immer schwierig, weil Ausstände beim öffentlichen Dienst natürlich in erster Linie die Bürgerinnen und Bürger treffen", räumte der dbb-Chef ein. "Aber wenn es dazu kommt, werden wir dafür sorgen, dass die Menschen den wahren Verantwortlichen erkennen."
Verdi-Chef schließt Kita-Streiks nicht aus
Werneke schloss ausdrücklich neue Kita-Streiks nicht aus. "Dass Streiks im Sozial- und Erziehungsdienst auch eine besondere Herausforderung darstellen, das wissen wir", sagte er.
Mädge hatte zuletzt Eile bei den Verhandlungen angemahnt. "Das geht nicht zügig genug", sagte er der dpa. "Gerade in diesen Zeiten ist das Zeitverschwendung." Die langen Runden seien Rituale aus den 50er Jahren. Silberbach erwiderte: "Die VKA verhindert doch den schnellen Abschluss, indem sie nicht mal ein verhandlungsfähiges Angebot vorlegt."
Direkt und indirekt wird für rund 2,5 Millionen Beschäftigte von Bund und Kommunen verhandelt. Auf die mehr als 200 000 Beamten soll das Ergebnis nach Ansicht der Gewerkschaften übertragen werden. Die zweite Verhandlungsrunde soll am Sonntag enden, die dritte ist für den 22. und 23. Oktober angesetzt. (dpa/fra)
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