Mit ihrer gerade veröffentlichten Studie "All You Can Do Is Pray" (deutsch: Alles was Du tun kannst, ist beten) macht die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) auf das Schicksal der burmesischen Rohingya aufmerksam. HRW beschreibt in der 153 Seiten starken Untersuchung, wie die Regierung und lokale Größen an den Vertreibungen der Minderheit beteiligt sind.
Nach den religiös motivierten Massakern an der staatenlosen Minderheit Rohingya in der Provinz Rakhaing im März, Juni und Oktober 2012 machten sich Menschenrechtler vor Ort selbst ein Bild von der Gewalt. "Die burmesische Regierung war an den Vertreibungen direkt beteiligt. Bis heute wird den Betroffenen Hilfe verweigert und ihre Freiheit beschnitten", berichtet HRW-Asiendirektor Phil Robertson.
"Wir fordern die Regierung auf, sofort die Misshandlungen zu beenden und die Täter zur Rechenschaft zu ziehen. Andernfalls ist die Regierung für die anhaltende Gewalt gegen religiöse und ethnische Minderheiten im eigenen Land selbst verantwortlich", fügt Robertson hinzu.
Rohingya sind unvorstellbarer Gewalt ausgesetzt
Seit den Unruhen zwischen der Mehrheit der Buddhisten und den Moslems 2012 sind HRW zufolge 125.000 Rohingya und andere Muslime aus ihren Wohngebieten vertrieben worden. Viele der Flüchtlinge leben heute in Lagern in Burma oder in Ländern wie Thailand, Bangladesch oder Malaysia.
Human Rights Watch besuchte einige der Flüchtlingcamps in Burma und führte über 100 Interviews mit Opfern. In den Gesprächen kamen Details von unbeschreiblicher Grausamkeit zu Tage. So schildert ein 25 Jahre alter Überlebender seine Erlebnisse vom Massaker am 23. Oktober 2012: "Zuerst sagten uns die Soldaten, dass wir nichts unternehmen sollten. Wir beschützen euch. Wir retten euch. Aber später brachen sie ihr Versprechen. Unsere Angreifer töteten uns sehr leicht. Der Staat hat uns nicht vor ihnen beschützt."
Tausende fanatisierte Buddhisten waren laut HRW an diesem Tag in neun Orten der Provinz Rakhaing bewaffnet mit Macheten, Schwertern, selbst gebastelten Waffen und Molotov-Cocktails auf ihre muslimischen Landsleute losgegangen. Die Staatsgewalt war offenbar direkt an den Massakern beteiligt. Statt die Moslems zu schützen, nahmen die Ordnungshüter den Rohingya HRW zufolge ihre spärlichen Selbstverteidigungswaffen weg.
Der Angriff auf das Dorf Yan Thei habe um 6.30 Uhr morgens begonnen und am nächsten Morgen um 5 Uhr geendet. Dabei starben nach dem Bericht von HRW mindestens 70 Rohingya. Der rasende Mob habe auch vor Kindern nicht Halt gemacht. Landsleute zerhackten offenbar 28 Minderjährige, darunter 13 Mädchen und Jungen, die noch keine fünf Jahre alt waren.
Rohingya: Thein Sein sorgt sich um Ruf des Landes
Auch im Juni 2012 gab es ähnliche Massaker gegen die ethnische Minderheit. Im Juli danach äußerte sich Präsident Thein Sein zu der Gewalt. Die UN hatte angemahnt, die Rohingya nicht aus ihrer Heimat zu vertreiben. Daraufhin warf Sein der muslimischen Minderheit "illegale Grenzüberschreitungen" vor. Er gab außerdem zu verstehen, dass die Ethnie keine eigenständige Volksgruppe sei. Die UN solle sich um die Rohingya kümmern und dafür sorgen, dass Drittstaaten die Menschen aufnehmen sollten.
Die burmesische Regierung vertritt den Standpunkt, dass die Moslems unter der Herrschaft der englischen Kolonialherren vor der Unabhängigkeit 1948 über die Grenze von Bangladesch nach Burma eingewandert seien. Die Volksgruppe selbst besteht darauf, schon viele Jahrhunderte in der Provinz Rakhaing zu leben und vor ungefähr 1.000 Jahren zum Islam übergetreten zu sein. Seit 1948 gab es immer wieder Militäroperationen der Regierung gegen die staatenlosen Rohingya.
Nach dem Pogrom im Oktober 2012 warf der burmesische Präsident ungenannten Organisationen Manipulation im Hintergrund vor. Thein Sein forderte Ermittlungen ein. Außerdem würden "rechtliche Schritte gegen die Täter eingeleitet". Doch danach geschah nichts, wie HRW berichtet.
Das Land, das sich seit 1989 selbst Myanmar nennt, sorgt sich aber mittlerweile um seinen internationalen Ruf. Vor dem Besuch des US-Präsidenten Barack Obama im November 2012 verurteilte Machthaber Thein Sein zum wiederholten Mal die "kriminellen Machenschaften" und versprach, sich für Einbürgerung und Bürgerrechte der vertriebenen Bevölkerung einzusetzen. Wie zuvor ist es aber Human Rights Watch zufolge nur bei der Ankündigung geblieben.
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