Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) wirft tunesischen Sicherheitskräften "schwere Misshandlungen" von afrikanischen Migranten vor. Die Organisation habe Berichte von "Schlägen, übermäßiger Gewaltanwendung, einigen Fällen von Folter, willkürlichen Verhaftungen und Inhaftierungen, Massenvertreibungen, gefährlichen Aktionen auf See, Zwangsräumungen und Diebstahl von Geld und persönlichen Gegenständen" dokumentiert, erklärte HRW am Mittwoch. Die Organisation forderte die EU dazu auf, ihre finanzielle Unterstützung für Tunesien zur Migrationskontrolle einzustellen.
Nach eigenen Angaben sammelte HRW seit März Zeugenaussagen von mehr als 20 Migranten, die Opfer von "Menschenrechtsverletzungen durch die tunesischen Behörden" geworden waren. Von den Befragten zählten demnach sieben zu einer Gruppe von 1200 Migranten, "die Anfang Juli von tunesischen Sicherheitskräften ausgewiesen und gewaltsam an die Grenzen zu Libyen und Algerien" in Wüstenregionen gebracht wurden, erklärte HRW.
Nach Auseinandersetzungen mit Bewohnern der tunesischen Hafenstadt Sfax waren Migranten in die Wüste geflohen oder gewaltsam dorthin vertrieben worden. Libysche Grenzschützer hatten nach Angaben von Journalisten der Nachrichtenagentur AFP am Sonntag dutzende erschöpfte und dehydrierte Menschen aus dem Wüsten-Grenzgebiet gerettet.
Sfax gilt als einer der Starthäfen für Flüchtlinge aus afrikanischen Ländern, die von dort in Booten nach Europa aufbrechen. Die zweitgrößte Stadt Tunesiens liegt rund 130 Kilometer von der italienischen Insel Lampedusa entfernt.
Nach Angaben von HRW traten die meisten der dokumentierten Menschenrechtsverletzungen nach Äußerungen des tunesischen Präsidenten Kais Saied auf, der im Februar "Horden" von Migranten einer "kriminellen Verschwörung" beschuldigt hatte.
Am Sonntag hatte die Europäische Union ein umfassendes Migrationsabkommen mit Tunesien beschlossen. Es sieht massive EU-Finanzhilfen vor, im Gegenzug soll Tunesien stärker gegen irreguläre Migration vorgehen.
HRW forderte, die EU-Mitgliedstaaten sollten ihre Unterstützung für Migration und Grenzmanagement im Rahmen dieses Abkommens zurückhalten, bis die Menschenrechtslage in dem Land gründlich beleuchtet worden sei. © AFP
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