Karlsruhe - Spritzen setzen, Blut abnehmen, Medikamente verabreichen – und all das gegen den Willen der Betroffenen? Unter bestimmten Voraussetzungen ist das als letztes Mittel rechtlich erlaubt.

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Bisher dürfen diese sogenannten ärztlichen Zwangsmaßnahmen aber nur in Krankenhäusern durchgeführt werden - und nicht etwa in spezialisierten ambulanten Zentren, in Pflegeheimen oder im häuslichen Umfeld. Das Bundesverfassungsgericht will nun klären, ob das mit dem Grundgesetz vereinbar ist.

Wann dürfen Maßnahmen gegen den Willen der Patienten erfolgen?

Grundsätzlich gilt: Ärztliche Zwangsmaßnahmen dürfen nur das letzte Mittel sein. Davor gibt es ein mehrstufiges Prüfverfahren.

So muss die Maßnahme laut Gesetz etwa notwendig sein, "um einen drohenden erheblichen gesundheitlichen Schaden vom Betreuten abzuwenden". Zudem muss sie "im Rahmen eines stationären Aufenthalts in einem Krankenhaus, in dem die gebotene medizinische Versorgung des Betreuten einschließlich einer erforderlichen Nachbehandlung sichergestellt ist", erfolgen.

Was hat das Gericht 2016 entschieden?

Das Bundesverfassungsgericht hatte im Juli 2016 schon einmal eine Nachbesserung der entsprechenden gesetzlichen Regelungen verlangt. Bis dahin war Voraussetzung für solche Maßnahmen unter anderem, dass die Patienten in einer geschlossenen Psychiatrie untergebracht waren.

Hilfsbedürftige Menschen, die stationär in einer nicht geschlossenen Einrichtung behandelt werden, durften nach damals geltender Rechtslage nicht notfalls auch gegen ihren Willen ärztlich behandelt werden. Das verstoße gegen die Schutzpflicht des Staates, entschied der Erste Senat. Der Gesetzgeber musste die Schutzlücke unverzüglich schließen. (Az. 1 BvL 8/15)

Worum geht es diesmal?

Im konkreten Fall geht es diesmal um eine Frau aus Nordrhein-Westfalen, die laut Bundesgerichtshof (BGH) unter anderem an paranoider Schizophrenie erkrankt ist. Sie wohne in einem Wohnverbund und werde regelmäßig in einem nahegelegenen Krankenhaus zwangsbehandelt.

2022 hatte ihr Betreuer den Angaben nach beantragt, der Frau ein Medikament auf der Station des Wohnverbundes zu verabreichen. Er argumentierte, in der Vergangenheit sei der Transport in die Klinik manchmal nur möglich gewesen, indem man die Patientin fixierte. Dies führe bei ihr regelmäßig zu einer Retraumatisierung.

Wie landete der Fall in Karlsruhe?

Gerichte lehnten den Antrag ab, sodass der Fall schließlich beim BGH landete. Nach dessen Überzeugung ist die Verpflichtung, eine solche Zwangsmaßnahme in einem Krankenhaus durchzuführen, mit Artikel 2 des Grundgesetzes unvereinbar. Aus diesem Artikel folge eine Schutzpflicht des Staates vor Beeinträchtigungen der körperlichen Unversehrtheit und der Gesundheit.

Der BGH legte den Fall daher dem Bundesverfassungsgericht zur Prüfung vor. Im Juli verhandelte der Erste Senat dazu mündlich in Karlsruhe.

Was spricht für eine Neuregelung?

Der Transport ins Krankenhaus könne für Betroffene eine erhebliche Belastung bedeuten, erklärte etwa Thomas Pollmächer von der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde in der Verhandlung. Allein die Fahrt dauere manchmal 20 bis 30 Minuten, die der Patient in der Regel bewusst mitbekomme.

Bei Fixierungen könnten Menschen verletzt werden. Im Einzelfall könnten die Einsätze gravierende körperliche oder psychische Folgen haben, sagte er. Lebe jemand beispielsweise in der Vorstellung, gefoltert zu werden, könne dies verstärkt werden.

Was sagt die Bundesregierung?

Die Bundesregierung will die bestehende Regelung beibehalten, machte Ministerialdirektorin Ruth Schröder aus dem Bundesjustizministerium im Juli in Karlsruhe deutlich. Es sei nicht möglich, Ausnahmen im Gesetz allgemein zu regeln, ohne dass Tür und Tor für Zwangsmaßnahmen geöffnet würden. Gerade in das private Umfeld der Menschen sollten diese Maßnahmen nicht eingreifen. Auch könnten in Krankenhäusern multiprofessionelle Teams ihre Expertise einbringen.

Diese Position unterstützten Fachleute, etwa des Deutschen Richterbunds und der Bundesarbeitsgemeinschaft Selbsthilfe von Menschen mit Behinderung, chronischer Erkrankung und ihren Angehörigen.  © Deutsche Presse-Agentur

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