Bundestag - Regierungserklärung
1 10
Er ahnte, was passieren könnte - oder nahm es in Kauf? CDU-Parteichef und Kanzlerkandidat Friedrich Merz versuchte nach dem mit Stimmen der AfD angenommenen Unionsantrag für mehr Zurückweisungen an den Grenzen die Hand in Richtung SPD und Grünen auszustrecken. Er suche "keine anderen Mehrheiten als die in der demokratischen Mitte unseres Parlament", sagte er. "Wenn es hier heute eine solche Mehrheit gegeben hat, dann bedaure ich das."
2 10
Was zuvor im Bundestag geschehen ist, bezeichnete Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) als "Tabubruch". Der 29. Januar sei "wahrscheinlich ein ganz bedeutender Tag in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland" gewesen, sagte er am Ende des Tages in der ARD-Sendung "Maischberger". Die Union habe einen Konsens aufgekündigt, den es die ganze Nachkriegsgeschichte über unter den Demokraten in Deutschland gegeben habe. "Den Konsens, nämlich, dass es keine Zusammenarbeit der demokratischen Parteien mit der extremen Rechten gibt. Heute ist das passiert." Deshalb, könne er Merz "nicht mehr trauen, was ich bis vor einer Woche getan habe".
3 10
Jens Spahn, stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, betonte im Deutschlandfunk, dass es bei der Brandmauer zur AfD bleibe. Zugleich verteidigte er den Antrag seiner Partei: "Die große Mehrheit der Deutschen will keine unkontrollierte Migration." Es gebe keine Zusammenarbeit mit der AfD. (Archivbild)
4 10
Für sie und ihre Partei war die Abstimmung ein voller Erfolg: Alice Weidel, Co-Vorsitzende der AfD, feierte einen "großartigen Tag für die Demokratie. Wir sehen, dass bürgerliche Mehrheiten da sind und vernünftige Anträge beschlossen werden können", sagte die Kanzlerkandidatin. Weidel rief die Union zum Nachdenken darüber auf, "ob man die Brandmauer, die aus unserer Sicht undemokratisch ist, weiter aufrechterhält".
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5 10
Schockstarre dagegen bei der SPD: "Unsere Fraktion, die SPD-Bundestagsfraktion, ist empört", sagte Rolf Mützenich, Vorsitzender der Bundestagsfraktion, und nannte den mit Stimmen der AfD beschlossenen Antrag der Union leichtfertig und wahrheitswidrig. Bei der Bundestagswahl am 23. Februar entscheide sich, ob es sich nur um einen leichtfertigen, unverantwortlichen Fehler handele, "oder ob die Rutschbahn noch weitergeht".
6 10
Katharina Dröge, Bundestagsfraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen, sieht einen "schwarzen Tag" für die Demokratie. "Aus unserer Sicht ist dieser Tag ein Einschnitt, eine Zäsur für den Deutschen Bundestag, für unser Parlament", sagte die Co-Vorsitzende während einer Unterbrechung der Bundestagssitzung. In einem Appell an CDU/CSU sagte sie: "Es braucht die Union in der Mitte der Gesellschaft, es braucht die Union in der Mitte der demokratischen Parteien, es braucht die Zusammenarbeit mit der Union."
7 10
Auch Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) wirft der Union einen gefährlichen Kurswechsel vor. "CDU und CSU haben heute erstmals im Bund die demokratische Mitte verlassen", sagte die SPD-Politikerin. "Die Union hat gemeinsame Sache mit den Rechtspopulisten der AfD gemacht, um rechtswidrige Beschlüsse zu fassen", so die Ministerin. Dies sei sowohl ein nationaler Irrweg als auch unverantwortlich und "geschichtsvergessen".
8 10
Die Linke sieht einen "Dammbruch": Heidi Reichinnek, Spitzenkandidatin der Partei für die Bundestagswahl, sagte im Plenum nach Bekanntgabe des Abstimmungsergebnisses: "Herr Merz, aller politischen Differenzen zum Trotz hätte ich mir niemals vorstellen können, dass eine christlich-demokratische Partei diesen Dammbruch vollzieht und mit Rechtsextremen paktiert."
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9 10
Der Vorsitzende der Grünen Jugend, Jakob Blasel, hält eine etwaige Koalition der Grünen mit der Union unter Friedrich Merz für nicht hinnehmbar. "Solange Merz an der Spitze der Union steht, dürfen die Grünen keine Koalition mit CDU und CSU eingehen."
10 10
FDP-Vize Wolfgang Kubicki appelliert an SPD und Grüne, im weiteren Ringen um die Migrationspolitik mit Union und FDP zusammenzuarbeiten. "Mein Appell geht heute, wie der von Friedrich Merz, an Bündnis 90/Die Grünen und an die Sozialdemokraten, von jeder Form von Inszenierung Abstand zu nehmen, weil das Problem, vor dem wir uns befinden, viel größer ist als der Versuch, einen taktischen Vorteil zu erreichen."