Israels Regierung will die unabhängige Justiz massiv schwächen. Mit einem neuen Gesetz kommt sie ihrem Ziel ein Stück näher. Sie heizt damit die ohnehin angespannte Lage im Land weiter an.

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Trotz massiven Widerstands hat Israels Parlament ein Kernelement der umstrittenen Justizreform verabschiedet. 64 von 120 Abgeordneten stimmten nach tagelanger Debatten am Montag für einen Gesetzentwurf, der die Handlungsmöglichkeiten des Höchsten Gerichts einschränkt.

Die Opposition boykottierte die Abstimmung. Das Gesetz ist Teil eines größeren Pakets. Kritiker stufen es als Gefahr für Israels Demokratie ein.

Mit dem neuen Gesetz ist es dem Höchsten Gericht künftig nicht mehr möglich, eine Entscheidung der Regierung oder einzelner Minister als "unangemessen" zu bewerten. Kritiker befürchten, dass dies Korruption und damit auch die willkürliche Besetzung wichtiger Posten und Entlassungen begünstigt.

Der Staat Israel hat keine schriftliche Verfassung und fußt stattdessen auf einer Sammlung von Grundgesetzen. Daher kommt dem Höchsten Gericht eine besondere Bedeutung bei der Wahrung von Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechten zu.

Die Netanjahu-Regierung wirft der Justiz dagegen vor, sich zu sehr in politische Entscheidungen einzumischen. Israels Justizminister Jariv Levin sprach nach der Verabschiedung von einer "Korrektur des Justizsystems" . In einem ersten Schritt habe das Parlament die ihm von der Justiz weggenommenen Befugnisse wiedererlangt.

Tausende Menschen demonstrieren gegen den Justizumbau

Tausende Menschen hatten vor der Abstimmung demonstriert. Mehrere Demonstranten hätten eine Polizeiabsperrung vor dem Parlamentsgebäude in Jerusalem durchbrochen, berichteten israelische Medien am Montag.

Mindestens fünf Menschen wurden Berichten zufolge bislang durch den Einsatz von Wasserwerfern verletzt und im Krankenhaus behandelt. Eine Person verlor demnach mehrere Minuten lang das Bewusstsein.

Die Polizei setzte Berichten zufolge auch Wasserwerfer gegen friedliche Demonstranten vor dem Parlamentsgebäude ein. Mindestens 19 Menschen seien festgenommen worden. Hunderte blockierten zeitweise Zufahrtstraßen zum Parlament.

Vorhaben spaltet die israelische Gesellschaft

Seit mehr als einem halben Jahr spaltet das Vorhaben weite Teile der israelischen Gesellschaft. Regelmäßig gehen Tausende Menschen gegen eine Schwächung der Justiz auf die Straßen. Verhandlungen, auch in letzter Minute, über einen Kompromiss blieben erfolglos.

Zuletzt nahm auch der Widerstand innerhalb des Militärs zu. Mehr als Zehntausend Reservisten kündigten an, nicht mehr zum Dienst zu erscheinen, sollte ein Teil der umstrittenen Pläne verabschiedet werden. Auch aus der Wirtschaft und weiteren Teilen der Gesellschaft gab es solche Drohungen.

Netanjahus Koalition ist die am weitesten rechts stehende, die das Land je hatte. Die Gesetzesänderungen erfolgen auch auf Druck von Netanjahus strengreligiösen Koalitionspartnern. Sie könnten Netanjahu laut Experten jedoch auch in einem schon länger gegen ihn laufenden Korruptionsprozess in die Hände spielen.

Oppositionsführer Jair Lapid kündigt Konsequenzen an

Israels Oppositionsführer Jair Lapid hat nach der Verabschiedung Konsequenzen angekündigt. Die Opposition werde am Dienstagmorgen beim Höchsten Gericht eine Petition gegen die "einseitige Aufhebung des demokratischen Charakters des Staates Israels" einreichen, sagte er am Montag.

Er appellierte auch an Reservisten der Armee, eine Entscheidung des Höchsten Gerichts über das Gesetz abzuwarten, ehe sie ihren Dienst verweigern. (dpa/ank)

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