SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich dringt nach dem Verfassungsgerichtsurteil zum Klima- und Transformationsfonds (KTF) auf ein längerfristiges Aussetzen der Schuldenbremse. "Wir werden aus meiner Sicht nicht darum herumkommen, für 2024 die Ausnahmeregel zu ziehen – womöglich auch länger", sagte Mützenich dem "stern" nach Angaben vom Dienstag. Er verwies auf "gewaltige Herausforderungen, bei der Klimawende, der neuen Industriepolitik, aber auch außenpolitisch", die "nicht nächstes Jahr erledigt" sein würden.

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"Einige Dinge, die derzeit auf der Welt passieren, führen zu 'außergewöhnlichen Notsituationen, die sich der Kontrolle des Staates entziehen und die staatliche Finanzlage erheblich beeinträchtigen', wie es das Grundgesetz verlangt", sagte Mützenich mit Blick auf die Schuldenbremse weiter. So werde in den kommenden Jahren auch Hilfe aus Deutschland mit Blick auf den Ukraine-Krieg oder den Krieg im Nahen Osten für Wiederaufbaumaßnahmen gefragt sein.

Mützenich rief die Koalitionspartner dazu auf, "mit der Kanzlermehrheit" rasch die Notlage festzustellen. Die FDP, die bislang an der Schuldenbremse strikt festhalten will, mahnte er zur Einsicht: "Ich hoffe darauf, dass die Koalition hier geschlossen handelt."

Mützenich nannte zudem rote Linien für mögliche Sparmaßnahmen. "Würden wir im Sozialbereich kürzen, brächte das die Demokratie zusätzlich in Gefahr. Das darf auf keinen Fall passieren", sagte er. Die FDP, aus der Forderungen nach Sozialkürzungen erhoben worden waren, warnte der SPD-Fraktionschef vor einem Spiel mit dem Feuer. "Eine Demokratie funktioniert ohne soziale Gerechtigkeit nicht", mahnte er. Daher sei "auch das Sozialstaatspostulat ins Grundgesetz geschrieben" worden. Die FDP wolle hier doch "sicher nicht ein weiteres Mal gegen die Verfassung verstoßen".

Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bezeichnete Mützenich als widersprüchlich. "Die Richter verpflichten uns einerseits zu langfristig hohen finanziellen Ausgaben, schränken unseren Gestaltungsspielraum dann aber kurz darauf stark ein", sagte er mit Blick auf das KTF-Urteil sowie die vorherige Rechtssprechung mit der Forderung nach mehr Klimaschutz. Der SPD-Politiker rief die Richterinnen und Richter auf, sie sollten "die Folgen ihrer unterschiedlichen Urteile bedenken".

Deutliche Kritik übte Mützenich am Umgang miteinander in der "Ampel": "Ich erlebe zu oft eine Koalition, die nicht so agiert, wie ich mir das vorstelle", sagte er dem "stern". Er selbst sei "in den vergangenen zwei Jahren mehrfach bis zur persönlichen Schmerzgrenze gegangen, um zu helfen dieser Koalition Halt und Vernunft zu geben. Das erwarte ich auch von anderen", sagte der Fraktionschef. Derzeit erlebe er aber zwei Koalitionspartner, die manchmal zu einem Verhalten neigten, das einem verantwortungsvollen Regieren eher abträglich sei.  © AFP

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