In Israel und auch andernorts mehrt sich die Wut darüber, dass Gewalt gegen Frauen im Gazakrieg so wenig Aufmerksamkeit erfährt. Sie werfen der UNO vor, die sexualisierte Gewalt der Hamas bewusst zu verschweigen. Beispiele gibt es genug.
"Schande über die UNO" und "Vergewaltigung ist Vergewaltigung" skandieren die Frauen vor dem UN-Sitz in New York. Einige der etwa 150 Demonstrantinnen tragen bei der Protestaktion am Montag lediglich Unterwäsche und sind mit Kunstblut beschmiert.
Sie werfen den Vereinten Nationen vor, die sexualisierten Gräueltaten der Hamas zu verschweigen. Die israelische Polizei habe hunderte Beweise für entsetzliche Gewalttaten der radikalislamischen Angreifer gegen Frauen gesammelt.
Die Verbrechen beim Angriff der Hamas am 7. Oktober reichten von Gruppenvergewaltigungen bis hin zur Schändung von Frauenleichen, sagte die Ermittlerin Shelly Harush vergangene Woche bei einer Anhörung vor dem israelischen Parlament. Sie hätten "mehr als 1.500 schockierende und schmerzhafte Aussagen" von Zeugen, Medizinern und Pathologen zusammengetragen.
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Ermittlerin: Viele der Frauen überlebten die Gewalt nicht
Diese berichteten von Wunden an "Genitalien, Unterleib, Beinen und Gesäß", wobei einigen Frauen die "Brüste abgeschnitten" oder durchschossen worden seien, sagte Harush. Die meisten Mädchen und Frauen - unter ihnen auch Schwangere - überlebten der Polizei zufolge nicht. Sie zählen zu den 1.200 Menschen, welche die Hamas nach israelischen Angaben bei ihrem Überfall tötete.
Trotz der Beweise ignoriere die Weltgemeinschaft diese massive sexuelle Gewalt, kritisieren israelische Frauenrechtlerinnen. Bereits kurz nach den Angriffen schickten israelische Rechtsexperten detaillierte Belege für die Gräueltaten an wichtige internationale Gremien wie UN Women und den UN-Ausschuss für die Beseitigung der Diskriminierung von Frauen (Cedaw). Doch ein internationaler Aufschrei blieb aus.
"Keines dieser Gremien hat die Tatsache anerkannt, dass hier Kriegsverbrechen oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen wurden", sagt die israelische Juraprofessorin Ruth Halperin-Kaddari. "Und keines erwähnte die sexuelle Gewalt gegen Frauen, die systematisch, absichtlich und vorsätzlich eingesetzt wurde, was bedeutet, dass Vergewaltigung als Kriegswaffe genutzt wurde."
Halperin-Kaddari, früher selbst stellvertretende Cedaw-Vorsitzende, bezeichnet die Zurückhaltung der UN-Gremien als "beschämenden Missbrauch ihres Mandats und ihres Auftrags". Sie wirft ihnen vor, die Beweise fast zwei Monate vorsätzlich ignoriert zu haben.
Cedaw fordert Auseinandersetzung mit der Lage von Frauen im Gazakrieg
In den Wochen nach dem 7. Oktober konzentrierten sich die Erklärungen von UN Women vor allem auf die Lage im Gazastreifen, wo nach Angaben der radikalislamischen Hamas-Regierung durch die israelischen Angriffe etwa 15.900 Menschen, vor allem Frauen und Kinder, getötet wurden.
Am 27. Oktober forderte Cedaw "alle Parteien auf, sich systematisch mit der geschlechtsspezifischen Dimension von Konflikten zu befassen". Eine UN-Kommission bittet nun um Stellungnahmen zu "Anschuldigungen über geschlechtsspezifische Verbrechen mit Schwerpunkt auf Mord und Geiselnahme, Vergewaltigung und anderen Formen sexueller Gewalt".
Am Donnerstag äußerte sich schließlich UN-Generalsekretär António Guterres im Online-Dienst X: "Es gibt zahlreiche Berichte über sexuelle Gewalt während der abscheulichen Terrorakte der Hamas am 7. Oktober, die energisch untersucht und strafrechtlich verfolgt werden müssen."
Einen Tag später erklärte UN Women, die Organisation sei "alarmiert über die zahlreichen Berichte über geschlechtsspezifische Gräueltaten" während des Hamas-Angriffs.
In Israel wächst die Wut
"Diese Erklärung hätten sie schon vor zwei Monaten abgeben sollen", sagt Halperin-Kaddari. In Israel wächst die Wut über die zögerlichen Reaktionen der internationalen Gemeinschaft und auch in der weltweiten Frauenrechtsbewegung.
Einat Fisher Lalo von der Frauenorganisation Israel Women's Network vermisst die Solidarität der Feministinnen mit den Israelinnen. Der feministische Slogan "Me Too" habe sich gegenüber israelischen Frauen in ein "Yes, but" ("Ja, aber...") verwandelt.
Die international anerkannte Forensikerin Yael Sherer hat viel Erfahrung im Sammeln von Beweisen sexueller Gewalt. Ihr sei noch nie soviel Zynismus begegnet wie nach den Taten der Hamas, sagt sie. "Die Tatsache, dass die Menschen nackt, mit den Händen auf dem Rücken und an Stühle gefesselt aufgefunden wurden, reichte offenbar nicht aus", sagt sie. "Das ist empörend und beleidigend."
Halperin-Kaddari führt die internationale Zurückhaltung zum Teil auf die vorgefassten Meinungen über den israelisch-palästinensischen Konflikt zurück, "die Schwierigkeit, die stereotype Sichtweise, dass Israel der Aggressor und die Palästinenser die Opfer sind, hinter sich zu lassen".
"In diesem Fall hat sich die Situation umgekehrt", sagt die Juristin. "Und einige tun sich schwer damit, so viel Böses in denjenigen zu sehen, die sie immer lieber als Opfer betrachtet haben." (AFP/ank)
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