Nelson Mandela hätte am 18. Juli seinen 100. Geburtstag gefeiert. Sein komplettes Leben hatte er dem Kampf gegen Rassismus und Diskriminierung in Südafrika gewidmet und damit das Land nachhaltig verändert. Doch 24 Jahre nach dem Ende der Apartheid herrscht Ernüchterung, Mandelas Erbe ist in Gefahr.

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Nelson Rolihlahla Mandela, der am Mittwoch 100 Jahre alt geworden wäre, wird in Südafrika mit religiöser Ehrfurcht als Vater der Nation verehrt.

Jahrzehnte seines Leben widmete er dem Kampf gegen das rassistische Apartheidregime, dann predigte er Versöhnung mit den Weißen und baute das Land als erster demokratisch gewählter Präsident aus den moralischen Ruinen der Rassendiskriminierung wieder auf.

Nelson Mandela kämpfte zeitlebens für Gerechtigkeit

Seit 1944 kämpfte Mandela für gleiche Rechte von Schwarzen und Weißen. In diesem Jahr schloss er sich als Jurastudent dem Afrikanischen Nationalkongress (ANC) an.

Der junge Anwalt stieg in der Partei rasch auf und galt Ende der 1950er-Jahre bereits als einer der wichtigsten Organisatoren von Protesten und Widerstandsaktionen. Als der ANC 1960 verboten wurde, war Mandela einer der Gründer des Flügels für den bewaffneten Widerstand.

1964 entging der Widerstandskämpfer knapp der Todesstrafe und wurde zu lebenslanger Haft verurteilt. Es folgten 27 Jahre Haft, die meisten davon auf der Gefangeneninsel Robben Island bei Kapstadt.

Mandela war über Jahre wohl der berühmteste Gefängnisinsasse der Welt. Seine Inhaftierung wurde zum Symbol der Ungerechtigkeit des rassistischen Regimes.

Doch erst Ende der 1980er-Jahre begann die Apartheid zu zerfallen: Internationaler Druck, Sanktionen und der zunehmende Widerstand der schwarzen Mehrheit brachten die Kehrtwende.

Im September 1989 wurde der Reformer Frederik Willem de Klerk südafrikanischer Präsident. Er ließ Mandela frei und hob das ANC-Verbot auf. Die Parteien handelten eine neue Verfassung aus, 1993 bekamen de Klerk und Mandela den Friedensnobelpreis.

1994 wurde Mandela Südafrikas erster demokratisch gewählter Präsident. In seiner Amtszeit bis 1999 setzte Mandela auf eine Aussöhnung der Bevölkerungsgruppen.

So steht es um Mandelas Erbe

Vor dem Gesetz sind jetzt alle Menschen gleich - doch was Wohlstand und Bildungschancen angeht, ist die weiße Minderheit nach wie vor viel bessergestellt.

Trotz einer Reduzierung der Armut hat sich daran auch unter dem 2013 gestorbenen Mandela und seinen Erben von der Regierungspartei ANC wenig geändert. "Südafrika ist eines der ungleichsten Länder in der Welt und die Ungleichheit hat seit dem Ende der Apartheid 1994 weiter zugenommen", kommentiert die Weltbank.

Diese Realität spiegelt sich auch in den Straßen der Wirtschaftsmetropole Johannesburg wider, in denen die Villen der Reichen und die Wellblechhütten der Ärmsten oft nur wenige Kilometer voneinander entfernt sind.

Im südwestlichen Township Soweto etwa, jenem Armenviertel, in dem einst auch Mandela wohnte, leben bis heute viele Familien in Hütten von der Größe eines deutschen Kinderzimmers. Mancherorts teilen sich Dutzende Anwohner einen Wasserhahn zum Waschen und Kochen. Auf vielen Straßen huschen Ratten zwischen Müllhaufen hin und her, Kinder spielen im Dreck.

Freiheit alleine genügt offenbar nicht

Mandela habe für Freiheit gesorgt, doch das genüge nicht, sagt der 25-jährige Linda Clorry, der in Johannesburg lebt. "Wir brauchen dringend mehr Jobs und eine gute Ausbildung für alle." Die Unterschiede zwischen Schwarz und Weiß seien noch zu groß.

Die 61-jährige Gogo Dlamini, die das Unrechtssystem der Apartheid selbst erlebt hat, stimmt ihm zu: "Wir haben zwar offiziell die gleichen Rechte wie die Weißen, aber es herrscht noch keine richtige Gleichheit." Enttäuscht sagt sie: "Das wird noch Generationen dauern."

Südafrika ist der am meisten entwickelte Staat des afrikanischen Kontinents, Mandela und seine Nachfolger haben wichtige Fortschritte erzielt. Die Regierung hat zum Beispiel Millionen Häuser für arme Familien gebaut und Sozialleistungen eingeführt, zudem haben fast alle Südafrikaner nun Zugang zu elektrischem Strom.

Doch das Bildungssystem ist desolat und die Arbeitslosenquote liegt bei rund 27 Prozent. Das benachteiligt vor allem jene, für deren Freiheit Mandela gekämpft hat: "Schwarze Südafrikaner haben das höchste Risiko, arm zu sein", heißt es von der Weltbank.

Bleibt "das Land im Herzen gespalten"?

Mandelas Vermächtnis ist in Gefahr. Es häufen sich die kritischen Stimmen. Die Lauteste: Mandela habe die Weißen mit Samthandschuhen angefasst.

So fordert der ANC inzwischen auch, die zumeist weißen Landeigentümer notfalls auch ohne Entschädigung zu enteignen.

Die Vertreibung der Schwarzen von ihrem Land und dessen Enteignung zur Zeit der Apartheid seien "die Quelle der Armut und der Ungleichheit" gewesen, "die wir heute sehen", sagte Präsident Cyril Ramaphosa unlängst.

Experten warnen jedoch, eine radikale Landreform könne die Wirtschaft ins Straucheln bringen und das Land in eine Krise stürzen. Ramaphosa verspricht, behutsam vorzugehen, doch eine Landreform bezeichnet er als unvermeidbar.

Sonst, sagt er, würde "das Land im Herzen gespalten bleiben" - und Mandelas Erbe uneingelöst. (cai/dpa)

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